Armenier-Drama auf der 57. Berlinale

Ein türkisches Tabu-Thema wird auf der Berlinale am Mittwoch (14.02.2007) uraufgeführt. Paolo und Vittorio Tavianis Film "La Masseria delle allodole" ("Das Haus der Lerchen") basiert auf dem Buch der italienischen Literaturprofessorin Antonia Arslan, die darin die Geschichte ihrer armenischstämmigen Familie rekonstruiert. Der Streifen hat das Schicksal der armenischen Bevölkerung im Osmanischen Reich zum Thema.

"Nun wird es erneut rumoren, denn ausgerechnet in Berlin – Wohnort für rund 250.000 Türken – wird ein Filmschocker zum Thema welturaufgeführt. Der Verleih ist nervös. Man fürchtet Tumulte, die Festivalleitung hat zusätzliche Sicherheitskräfte eingesetzt", schreibt Spiegel Online am Mittwoch.

"Das Haus der Lerchen" wurde am Vorabend seiner Uraufführung mehreren hundert Pressevertretern vorgeführt. Viele seien nach Filmende noch lange still auf ihren Plätzen sitzen geblieben. Andere seien schockiert.

Der Film, in dem Moritz Bleibtreu den türkischen Soldaten Yusuf spielt, zeigt, wie Truppen von Jungtürken im Ersten Weltkrieg an den Armeniern Massenmorde begehen. Die männlichen Armenier vom Säugling bis zum Greis werden von ihnen sofort abgeschlachtet. Die Frauen und Mädchen werden auf den Todesmarsch in die Wüste geschickt und sind dabei Freiwild für die Wachmannschaften. Yusuf, der sich in die Armenierin Nunik (Paz Vega) verliebt, enthauptet am Ende seine Geliebte, um sie vor dem Scheiterhaufen zu retten.

Ob es angesichts der Brisanz des Themas tatsächlich zu Tumulten in der Landeshauptstadt kommt, ist nicht vorhersagbar. Die Berliner Polizei hatte zuvor Berichte zurückgewiesen, wonach der Film auf dem Festival Proteste besonders bei der Türkischen Gemeinde auslösen könnte. Es gebe keine Hinweise, dass es zu Störungen kommen könne, bekräftigte ein Behördensprecher. In der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD) ist der Film noch kein Thema, da ihn bisher niemand gesehen habe, sagte der Gemeindevorsitzende Kenan Kolat.

Silvester Stallone will "Musa Dagh" verfilmen Auch Sylvester Stallone hatte in einem Interview mitgeteilt, einen Film über das Schicksal der Armenier drehen zu wollen. Stallone will Werfels-Roman "Die vierzig Tage des Musa Dagh" fürs Kino adaptieren. In dem 1933 erschienenen Werk schildert der österreichische Schriftsteller Franz Werfel die Vertreibung und Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich. Die Idee zum "Musa Dagh" kam Werfel 1929 während einer Reise nach Damaskus, wo er das Elend armenischer Flüchtlingskinder erlebte.

"Massaker" oder "Völkermord" Noch heute streiten sich Armenien und die Türkei darüber, ob im Osmanischen Reich ein "Genozid" an der armenischen Bevölkerung stattgefunden hat. Armenien wirft der Türkei vor, dass die Behörden des Osmanischen Reiches 1915 einen gezielten Völkermord gegen die armenische Bevölkerung gestartet hätten, dem mehr als eine Million Menschen zum Opfer fielen. Die moderne Türkei als Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reichs räumt zwar ein, dass bei Zwangsumsiedlungen und Massakern mehrere hunderttausend Menschen starben, weist den Völkermord-Vorwurf aber vehement zurück. Es sei Notwehr gewesen; die Armenier hätten mit dem christlichen Zarenreich gemeinsame Sache machen wollen und Aufstände mit Morden an der türkischen Zivilbevölkerung ausgeführt. Die verübten Massaker an den Armeniern seien nicht geplant und gewollt, sondern tragische Kriegsereignisse.