
Mehmet Günsür – Der unkonventionelle Türke

Er ist nicht der aalglatte Schönling mit fetter Pomade im Haar, den die weiblichen Fans in den Nobelclubs von Istanbul treffen dürften. Auch nicht der Typ Mensch, der den Sommer in einer Luxusanlage in Bodrum Türkbükü verbringt, und sich ins lasterhafte Treiben mit klapperdürren Models und Unternehmertöchtern stürzt. Unter den Schauspielern gilt Mehmet Günsür, der lange Jahre in Rom gelebt hat, als "entel tip", also als Alternativer, für den Zelten im Olympos Nationalpark in der Nähe von Antalya und Aufenthalte in den Dörfern dieser Umgebung der perfekte Urlaub sind.
Was seinen Beruf als Schauspieler anbelangt ist Mehmet Günsür genauso ein Alternativer. Schönlinge spielt er trotz seiner Vergangenheit als Model für Coca Cola und Mavi-Jeans nicht gern. Wenn ihm eine Rolle gefällt, ist es ihm egal, ob die Medien daraus eine Geschichte machen. So musste er lange Jahre mit dem Image des Schwulen leben, weil er in Ferzan Özpeteks genialem Debütfilm "Hamam" (1997) einen Schwulen verkörperte. Es war Günsürs erste große Rolle, für die er mit viel Lob überschüttet wurde. Günsür spielte einen homosexuellen Jungen, der einen verheirateten Italiener zu seinem Coming Out in einem Hamam verhalf. Der Film brachte zwar die Hamam-Betreiber von Istanbul auf die Palme, aber Günsür hatte keine Lust darauf, richtig zu stellen, dass seine Filmrolle nichts mit seiner Person zu tun habe, und das Ganze der Fiktion eines Filmschaffenden entsprungen sei.
Fünf Jahre später half ihm sein nächster Film da raus. In "L’Italiano" (2002), einer italienischen Produktion, hatte Günsür eine heiße Bettszene mit seiner wunderschönen Filmpartnerin Sonia Aquino. Und seit die Medien erfahren haben, dass der Schauspieler seine schwangere italienische Freundin geheiratet hat, gilt er als "stockhetero".
Günsürs Beziehung zu Italien ist in seiner Schulzeit entstanden. Er ging aufs italienische Gymnasium in Istanbul. Als der in Bella Italia lebende Özpetek den damaligen Absolventen der Kommunikationswissenschaften kennen lernte, und von dessen schulischem Background erfuhr, wusste er, der Junge ist wie geschaffen für seine türkisch-italienische Kinoproduktion "Hamam". Seither ist Günsür ein Wanderer zwischen seiner Wahlheimat Rom und seiner Geburtsstadt Istanbul.
In den letzten Jahren ist aus beruflicher Sicht erstmals die Türkei in den Mittelpunkt gerückt. Unter anderem spielte er in "O simdi asker" (2003) und "Anlat Istanbul" (2005). Sein aktuelles Projekt ist die Serie "Beyaz Gelincik". Aber weil er wegen seiner Liebe zurück nach Italien will, ist es mit dieser Rolle auch schon vorbei.