Der „Frauenschenkel“ entzweit die Türkei

Die türkische Küche ist eine der vielfältigsten Küchen der Welt. Nicht anders sieht es mit den Namen für die schmackhaften Gerichte des Orients aus. So gibt es zum Beispiel das berühmte Auberginengericht „Imam bayildi“, das ins Deutsche übersetzt „Der Imam fiel in Ohnmacht“ heißt. Oder eine Frikadellen-speise, die wegen ihrer scheinbar erotischen Form den Namen „Kadinbudu“, also „Frauenschenkel“ trägt.

Gerichte mit namentlichen Bezügen zum weiblichen Geschlecht sind in der Türkei weit verbreitet. Als Süßspeise werden einem die „Lippen der schönen Dame“ („Dilber Dudagi“) serviert, zum Nachtisch kann man(n) einen „Frauennabel“ („Hanimgöbegi“) vernaschen und ein beliebter erster Gang ist die „Suppe der Braut Ezo“ („Ezo Gmelin corbasi“) oder die aus Adana stammende „Suppe des verwitweten Weibes“ („Dul avrat corbasi“).

Jahrhundertelang hat sich im Land der orientalischen Leckermäuler niemand gegen diese Speisebezeichnungen aufgeregt. Doch seit der konservativ islamische Sender Samanyolu in einer Kochsendung die Zuschauer dazu einlud, die genannten Speisenamen wegen ihres „sexistischen Beigeschmacks“ zu ersetzen, geht ein Aufschrei durchs ganze Land.

„Kopftuchzwang für den Frauenschenkel“, titelte eine laizistische Tageszeitung. Ein Historiker, der ein Buch über die Geschichte der türkischen Küche schrieb, empörte sich: „Die weiblichen Speisenamen sind Zeugnisse ihrer Zeit. Sie erzählen uns eine Geschichte. Und jetzt kommt irgendwer daher und will sie abschaffen. Das ist eine Frechheit.“

Auch die Frauenvereine des Landes sind für die Unantastbarkeit der überlieferten Speisenamen. Hülya Gülbahar, Vorsitzende des Frauenverbandes KADER, kritisiert die Islamisierung der türkischen Küche: „Für mich persönlich ist das ein neuer Versuch, das Weibliche aus dem Alltag zu verbannen.“

Und Halime Güner, Gründerin des Frauennetzwerks Ucan Süpürge („Fliegende Besen“), meint zurecht: „Eine überflüssige Diskussion. Es gibt in unserem Land weitaus Wichtigeres, mit dem es sich zu beschäftigen lohnt. Wir Frauen lieben unseren „Bauchnabel“. Und wenn wir diejenigen sind, die diese Speisen tagein tagaus kochen, dann sollen sie uns gefälligst unseren Spaß daran lassen.“

Die Macher der islamisch korrekten Kochsendung von Samanyolu scheren sich jedoch nicht im Geringsten um die Einwände. Den „Frauenschenkel“ haben sie längst umgetauft in eine „Reis-Frikadelle“. Fortan dürfen sich ihre Zuschauer auch nicht mehr an den „Lippen der schönen Dame“ erfreuen, sondern müssen mit einer „Mond-Süßspeise“ vorlieb nehmen.

Gespannt auf die „weiblichen Speisen“ der traditionellen türkischen Küche? In der Slideshow rechts neben diesem Artikel können Sie sich die Bilder ansehen.

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