
Vaybee!-Interview mit Suat Bahceci

Schwule Männer aus muslimischen Einwandererfamilien stecken in einem doppelten Dilemma. In der deutschen Gay-Community sind sie Exoten und Zuhause werden sie wegen ihrer Neigung ausgegrenzt. Viele türkische Schwule werden sogar von ihren Eltern zur Heirat gezwungen. Kennst du Anlaufstellen, an die sie sich wenden können? Und welchen persönlichen Rat kannst du ihnen geben? Die erste Anlaufstelle sollte der Geist sein. Macht euch Gedanken, was ihr wollt, wie ihr leben wollt, ob das, was euer Leben euch bietet, euch auch wirklich zufrieden macht. Erst wenn man diesen inneren Kampf gewonnen hat, kann man anfangen zu handeln, denn später darf man den großen Schritt nicht bereuen. Ich sage nicht, dass es leicht ist, auf keinen Fall. Doch es lohnt sich, die Menschen, die es nicht akzeptieren, haben in meinem Leben nichts zu suchen. So bin ich, ihr verändert euch nicht, wenn ihr schwul seid, ihr bleibt trotzdem die selben wie vorher auch, nur dass ihr nicht mit Frauen, sondern mit Männern eure Fantasien auslebt. Hand aufs Herz, es interessiert niemanden, was ihr im Bett macht, da hat keine Mutter, kein Vater, da haben keine Geschwister oder andere Familienmitglieder was zu suchen. Das war der erste Spruch, den ich meiner Familie gesagt habe.
Dass es die „Exoten“ schwieriger haben, würde ich nicht sagen, ganz im Gegenteil. Ja stimmt, wir sind anders, doch bedeutet das nichts Negatives, ganz im Gegenteil, wir sind seltene Ware.
Andere Länder, andere Sitten. Existieren für dich Unterschiede zwischen der türkischen und der deutschen Schwulenszene? Ja, natürlich. Ich muss zugeben, dass die Szene in der Türkei viel offener, vielseitiger und entspannter ist. Es ist für Jeden etwas dabei. Hier sind die Leute auf eine einzige Location in ihrer Stadt fixiert, dort ist es nicht so, man geht in jeden Laden rein, feiert ein wenig und zieht weiter, und es ist meistens voll. Hier haben wir zum einen diese Auswahl gar nicht und zum anderen auch keine Lust. In Deutschland ist die Devise: Sonnenbrille aufziehen, die ganze Woche wenig ausgeben, um sich die neusten Klamotten kaufen zu können, in die Diskothek stellen, sich nicht vom Fleck bewegen, in der Hoffnung, vielleicht spricht mich ja jemand an. Das Feiern fällt leider bei vielen einfach weg, es steht nicht im Vordergrund, da kann man sich genauso gut auch an die Straße stellen, sorry. Natürlich ist nicht jeder so, doch leider Gottes in Frankfurt sehr viele.
Hast du schon mal einen türkischen Freund gehabt? Und welche Eigenschaften muss dein Traummann haben? Leider bin ich in diesen Genuss noch nicht gekommen. Spaß hatte ich mit Türken schon, doch eine Beziehung noch nicht.
– Das ist jetzt wirklich eine sehr schwierige Frage. Mein Traummann muss mein Leben akzeptieren, meine Offenheit, den Willen, immer mehr machen zu wollen, mit meiner Perfektion umgehen können. Die Eigenschaften sind meist wichtiger als das Aussehen, er sollte auf meiner Wellenlinie sein, Sport treiben, das Leben mit vollen Zügen genießen, mit beiden Füßen im Leben stehen (tu ich nämlich auch) und wissen, was er will. Merkwürdiger Weise waren all meine Freunde, mit denen ich zusammen war, immer älter als ich, da ich mit denen besser zurecht gekommen bin. Diejenigen, die in meinem Alter sind, kennen meist nur Drogen, Trinken, Feiern, Sex … Arbeit, Selbstverantwortung, Zukunft sind meist Fremdwörter für sie, und das ist mir dann doch zu wenig.
Nächstes Jahr kandidierst du in den USA für die "Mr. Universe 2005"-Wahlen? Wofür möchtest du dich einsetzen, wenn du gewinnst – Weltfrieden, Brot für alle oder "Lesben und Schwule Come out!"? Lach, genau, Brot für alle, damit würde ich sicherlich weiterkommen. Spaß beiseite: Weiterhin für die Akzeptanz der schwulen Ausländer sorgen, dass diese Menschen aus ihren Löchern hervorkommen und endlich anfangen, ihr kurzes Leben zu genießen. Weiterhin, gegen eines der größten Probleme unserer Gesellschaft, AIDS, zu kämpfen. Dass in den Schulen dieses Thema behandelt wird (auch dieses Jahr musste ich wieder sehen, dass in unserer Schule noch nicht einmal am Welt-AIDS-Tag darüber ein Wort verloren wurde). Ich habe hundert rote Schleifen mitgebracht, damit einige Lehrkräfte wenigstens mal wachgerüttelt werden und evtl. Schamgefühle aufkommen, weil sie nicht selber auf diese Idee gekommen sind.
Eine Frage, an die selbst die Teilnehmer und Teilnehmerinnen einer traditionellen Schönheitswahl nicht vorbeikommen. Welche 3 Dinge würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen? Ein Schiff, Essen und Trinken. Wieso? Damit ich mit dem Schiff ganz schnell wieder zu meinen Leuten fahren kann, und damit ich unterwegs nicht verdurste und verhungere. Alleine von dem Wort „einsam“ bekomme ich eine Gänsehaut. Ich mag es nicht, alleine zu sein, deswegen würde ich auch auf keine einsame Insel gehen.
Letzte Frage: Wie wichtig ist die Türkei für dich? Welche Verbindung hast du zum Herkunftsland deiner Eltern? Da sind meine Wurzeln, und daran wird sich auch nichts ändern. Die Türkei ist mein Land, und ich liebe mein Land. Ich reise sehr viel, doch ich habe noch nie so ein Gefühl der Zusammengehörigkeit gefühlt wie in meinem eigenen Land. Vielleicht verschlägt es mich irgendwann wieder mal dort hin, wer weiß?
Herzlichen Dank Suat für das schöne Interview. Wir wünschen dir viel Erfolg für die Zukunft.