
Schauspieler Haluk Piyes im Vaybee-Interview

Der Kölner Schauspieler Luk Piyes macht derzeit mit seiner Rolle als Nur Hüseyin in Baris Pirhasans Liebesfilm ‚O’da beni seviyor‘ (Sommerliebe) von sich Reden. Zwischen Tee und Keksen sprach er mit uns über das Filmbusiness, sein Privatleben und seinen zweiten Wohnsitz, die USA. Der große Durchbruch als Schauspieler gelang dem 26-jährigen Türken im Jahr 2000. Er spielte in Lars Beckers Kultfilm ‚Kanak Attack‘ den stolzen "Kanacken" Ertan Ongün, und wurde daraufhin als Entdeckung des Jahres gefeiert. "Der spielt so gut, wie er aussieht", so einer der Lobgesänge auf Luk. Nebenbei bemerkt: 1995 wurde Luk Piyes von den Lesern einer großen deutschen Zeitung zum "Gesicht des Jahres" gewählt.
Vaybee!: Luk Piyes klingt nicht gerade türkisch. Ist das dein Künstlername? Luk Piyes: Nein, nein, das ist mein wirklicher Name. Luk kommt von Haluk und ist mein Spitzname.
Vaybee!: Wie bist du eigentlich zu deiner Rolle in ‚Sommerliebe‘ gekommen? Luk Piyes: Der Regisseur Baris Pirhasan hat meinen letzten Film ‚Kanack Attack‘ in Berlin gesehen und ist dann über Umwege an mich rangetreten. Ich habe das Drehbuch gelesen, und muss zugeben, dass ich mich gefragt habe: ‚Was hast du in der Türkei zu suchen?‘ Gut, es hat da mal einen Film gegeben, der hat Eskiya geheißen. Aber sonst? Na, ja, dann war ich sehr begeistert von Baris‘ Know-how. Sein Vater ist ja der berühmte Dichter Vedat Türkali. Letztendlich hat mich das Drehbuch dann doch überzeugt.
Vaybee!: Glaubst du, dass sich türkische Filme in Deutschland etablieren können? Luk Piyes: Schauen wir uns doch einmal die Klischee-Hong Kong Filme in Hollywood an. Da lacht sich jeder kaputt drüber. Aber die haben sich mittlerweile etabliert. Für ‚Tiger und Dragon‘ hat es einen Oscar gegeben. Die türkische Bevölkerung schaut sich nun einmal türkische Filme mit türkischem Inhalt an. Der Westen suggeriert einem immer ‚Macht postmoderne Filme‘, aber die schaut sich keiner an. In der Türkei gibt es ein Potenzial an zahlreichen Geschichten und Kulturen, was es noch zu entdecken gibt. Ich finde, dieses Potenzial sollte endlich mal ans Tageslicht gebracht werden- nicht davor fliehen, sondern Brücken schlagen sollten wir. Deshalb habe ich für ‚O da beni seviyor‘, sprich Sommerliebe, auch den Verleiher in Deutschland gefunden.
Vaybee!: Wie waren denn die Dreharbeiten in der Türkei? Welche Eindrücke hast du mitgenommen? Luk Piyes: Es war unglaublich schön. Gedreht wurde zum größten Teil in den Dörfern und Bergen von Malatya. Ich hatte Anatolien als sehr karges Land in Erinnerung. Aber im Gegenteil: Man fuhr stundenlang durch die Steppen, rechts und links Weizenfelder, den Berg hoch, und dann ein einziges Bauerndorf. Ein wahres Therapiezentrum. Mit einem Tee unter einem Baum, das war echt schön. Ja, und zur Arbeit am Set: Ich hatte unglaublich gute ältere Mitspieler, die zum Teil noch mit Marlon Brando auf der selben Schule waren oder mit James Dean geprobt hatten. Das war ein Stück Geschichtsunterricht für mich.
Vaybee!: Du lebst auch in den USA, in LA. Was machst du da überhaupt? Luk Piyes: Ich hatte die Regie- und Drehbuchschule besucht, und jetzt ist es für mich eine Stadt, die filmtechnisch gesehen eine unwahrscheinliche Kraft ausübt. Sie mobilisiert einen. Deutschland erdrückt einen irgendwie. Man hat nicht die Kraft, sich aufzurappeln, und etwas zu tun. In Amerika ist es normal, da tut jeder so was. Deswegen habe ich dort auch gleich zwei Kurzfilme gedreht. Amerika ist für mich die Quelle der Inspiration.
Vaybee!: In den USA hast du auch Schauspielunterricht in der legendären Lee Strasberg-Schule genommen. Wie war das für dich? Luk Piyes: Ich hatte Glück gehabt mit einem Sponsor, der mir Amerika für ein Jahr bezahlt hat. Ich fand es anfangs schön. Aber manche Lehrer hatten so eine Guru-Einstellung, die sollte man huldigen. Ich hatte die Nase schnell voll davon, von solchen Leuten herumkommandiert zu werden. Das war dann für mich auch ein Grund, mal hinter die Kamera zu wechseln.
Vaybee!: Gibt es zurzeit interessante Filmprojekte? In welchen Filmen können wir dich bald wiedersehen? Luk Piyes: Also im März kommt "Der Brief des Kosmonauten" raus, eine deutsch-russische Produktion. Parallel dazu hatte ich das Angebot, mit Mel Gibson in "Once when we where young", in einer Vietnam-Saga mitzuspielen. Es war eine kleine Rolle. Ich sollte einen dieser jungen Typen spielen, die in die Luft fliegen. Ich habe aber die Rolle in "Der Brief des Kosmonauten" vorgezogen, weil es immer besser ist, wenn man eine Sprechrolle hat. Die kleine Rolle hätte mir wenig genützt. In Amerika schauen die auch darauf, was man in Europa gemacht hat. Eine Hauptrolle in der Vita ist immer besser.
Vaybee!: Welche Chancen hast du als türkischstämmiger Schauspieler in Deutschland? Gibt es Rollenangebote, die über die des Klischee-Türken hinausgehen? Luk Piyes: Es gibt hier zum größten Teil die Auffassung, dass es in Deutschland schwierig ist, wenn man anders aussieht. Ich weiß nicht, was es heißt, anders auszusehen in den Augen der deutschen Filmemacher. Die deutschen Filmemacher definieren die Rollen über den ethnischen Background. Das hat zur Folge, dass wir immer nur irgendwelche vor Döner-Buden sitzende Boxer spielen dürfen oder Brüder, die ihre Schwester mal kurz aufmischen. Ich finde Yasemin und Co. sind lange Asbach. Ich habe mir dann die Gegenfrage gestellt: O.K. stellen wir uns einmal vor, ein Robert De Niro oder ein Al Pacino wachsen in Deutschland auf und würden von Castingagentur zu Castingagentur gehen. Die würden die glatt ablehnen und sagen: ‚Nö, du darfst nur den Italiener spielen.‘ Das ist ein typisch deutsches Phänomen. Dieses blöde arische Film-Denken gehört doch in die UFA-Zeit der Dreißiger Jahre.
Vaybee!: Wie war die Zusammenarbeit mit Lars Becker, dem Regisseur von Kanack Attack? Luk Piyes: Für meinen ersten Film fand ich es absolut gigantisch, dass Lars mich hat einfach machen lassen. Ich habe mich versucht, tagein tagaus auf meine Rolle vorzubereiten. Lars sagte einfach nur zu mir: "Es ist egal, ob du ein Wort zu viel oder zu wenig sagst. Die Hauptsache ist, du hast dieses Gefühl". Und das habe ich dann auch weiterhin so gehandhabt in meinen weiteren Kurzfilmen. Dieses Gefühl, wie man etwas trägt und spricht, ist wichtig. Das ist dann wie eine Twilight Zone. Es ist wichtig, vorurteilslos in eine Sache reinzugehen.
Vaybee!: Kommen wir mal zu deinem Privatleben? Hast du eine Freundin? Luk Piyes: Also das ist schwierig. Ich habe keine Lust, irgendwie so Kompromisse einzugehen ‚Hallo, wir gehen mal aus, und das war es dann.‘ Nee ich warte lieber. Mal gucken, was passiert. Ich habe Freundinnen so, mit denen ich ins Kino oder Essen gehe, aber eine feste, nein.
Vaybee!: Sagst du das aus PR-strategischen Gründen, weil du dir deine weiblichen Fans nicht vergraulen möchtest? Viele Stars streiten die Frauen an ihrer Seite aus Kalkül ab. Luk Piyes: Nein, das ist eher bei Musikern so. Also Mr. Brad Pitt ist auch verheiratet, und der hat auch keine Probleme damit. Die werden alle von ihren Frauen gemanagt.
Vaybee!: Es gibt auch ein Leben neben der Schauspielerei. Du studierst Jura in Köln und arbeitest hier als Streetworker. Bist du mit deinem Studium fertig? Und welcher Art ist deine soziale Tätigkeit? Luk Piyes: Nein, ich bin noch nicht fertig mit meinem Studium. Ich bereite mich aber auf die Examensprüfungen vor; mit der Zeit ist es aber so ein Problem. Was meine Arbeit als Streetworker anbelangt, also ich arbeite zum Beispiel viel mit Migrantenkindern zusammen, organisiere Baskettball-Spiele oder Theatergruppen oder begleite ältere Menschen zu Ärzten.
Vaybee!: Welche Beziehung hast du zum Internet? Chattest du gerne, oder gibt es eine Luk Piyes-Fan- Page? Luk Piyes: Die Jungs haben meinen Namen zwar gesafed, aber ich habe keine Fanseiten. Vielleicht irgendwann einfach nur als Information, was man so macht. Ich finde, das ist eine selbstherrliche Geschichte. Aber ich schreibe ganz viele E-Mails. Fürs Chatten braucht man außerdem viel Zeit. Manchmal schaue ich Freunden über die Schulter. Ich finde mit dem Chatten hat es sich verlagert. Ich habe viel mit Alkoholikern zu tun, die hingen früher immer in den türkischen Cafes ab, und jetzt chatten sie den ganzen Tag. Das ist eine komische Suchtverlagerung.
Vaybee!: Letzte Frage. Wie war das Jahr 2001 für dich? Hast du Vorsätze für das neue Jahr? Luk Piyes: Also 2001 hat sehr gut angefangen bis zum 11. September, wo ich halt in Boston war und mit einer US-Airlines Maschine nach L.A. fliegen sollte, was ich mir dann anders überlegt habe. War auch gut so, weil zwei der Maschinen, die aus Boston kamen, sind ins World Trade Center geknallt. Ich bin dann noch einige Wochen in Boston geblieben, und habe dann alles Revue passieren lassen: Du hast zwei Filme gedreht, einen in Russland, einen in Malatya, hast unter dem Maulbeerbaum Tee getrunken und auf einmal passiert ein Terror. Für mich gab es dann die Idee, mehr Service, mehr Menschlichkeit zu bieten. Das ist meine Message für 2001. Und 2002 werde ich alles dran setzen, mehr zu machen. Ich möchte auf dem sozialen Sektor mit Jugendlichen arbeiten. Und Film ist nur Mittel zum Zweck, von 10 Fingern nur der Kleine. Wenn alles Filme wäre, das wäre ja dann traurig.
Vaybee!: Herzlichen Dank Luk für das tolle Interview! Wir wünschen dir für die Zukunft alles Gute.
Yildiz Turak