Im Kreuzfeuer der Kritik

Was Vaterlandsliebe bedeutet, dass definiert in der Türkei immer noch die Mehrheit der Bevölkerung. Besonders dieser Tage, wo türkische Soldaten gegen die terroristische PKK im Irak zu Felde ziehen, ist Vorsicht geboten, sich nicht der Nestbeschmutzung schuldig zu machen. In einer Zeit, in der junge Männer ihr Leben für die „gute Sache“ lassen und Fernsehbilder weinender Mütter das ganze Land lahmlegen, können Zuschreibungen in „guter Türke“ „schlechter Türke“ schnell gemacht werden. Und so ist es nicht verwunderlich, dass Bülent Ersoy, die berühmteste Transsexuelle der Türkei, befürchten muss, eine schlechte Türkin und somit eine Vaterlandsverräterin zu sein. Und das alles wegen einer gut gemeinten Äußerung, die sie in der Erfolgsshow „Popstar Alaturka“ machte. Dort äußerte die Diva: „Ich würde nie im Leben für den Krieg anderer das Leben meines Sohnes aufs Spiel setzen.“ Weiter sagte sie: “ Ja, ja ich weiß, die territoriale Integrität der Türkei ist unantastbar und so weiter und sofort, aber ist eine Mutter verpflichtet, ein Kind zu gebären und es in den Tod zu schicken?“ Sie selbst sei zwar keine Mutter und werde es auch niemals werden, aber sie wisse sehr gut, wie eine Mutter fühle, die um ihr Kind trauere.

Ebru Gündes, die mit Bülent Ersoy auch in der Jury von „Popstar Alaturka“ sitzt, schien da anderer Meinung zu sein. „Hoffentlich segnet mich der liebe Gott mit einem Sohn. Ich würde ihn sofort in den Krieg schicken…Für dieses Land bin ich bereit als Frau alles zu leisten, was in meiner Macht steht.“

Wie türkische Medien am Dienstag berichten, hat die Staatsanwaltschaft Istanbul nun eine Untersuchung gegen Bülent Ersoy eingeleitet. Der Vorwurf: Sie habe mit ihren Bemerkungen versucht, die Beziehung zwischen der Bevölkerung und den Soldaten zu beeinträchtigen. Auch die RTÜK erwägt Sanktionen gegen die Diva. Hunderte Menschen hätten bei der Medienaufsichtsbehörde angerufen und sich über ihre Anti-Kriegsäußerungen beschwert. Ob sie bald ihren Job in der Jury von „Popstar Alaturka“ an den Nagel hängen muss, ist noch nicht bekannt.