Ramazan 2006

Das Finale des Ramadan ist ohne Zweifel das Ramadanfest, das an den letzten Fastentag anschließt. In diesem Jahr fällt der erste Bayram-Tag auf einen Donnerstag (3.11.2005). Dieses Fest ist einerseits ein Ausdruck der Freude, den Ramadan erlebt zu haben, und andererseits ein Höhepunkt der gemeinschaftlichen Verbundenheit. Im Türkischen und Persischen bezeichnet man Festtage als "Bayram". In der Türkei wird das Ramazanfest neben "Ramazan Bayrami" auch "Seker Bayrami", also Zuckerfest, genannt, weil vor allem die Älteren die Taschen voller Süßigkeiten und Pralinen haben, um alle Kinder damit beschenken zu können. Die Bezeichnung des Zuckerfestes ist aber irreführend, denn es werden zwar am Fest auch Süßigkeiten gegessen und verschenkt, aber sie sind nicht Sinn und Zweck des Festes. Der familiäre Charakter ist ganz wichtig. Kinder dürfen sich über neue Kleidung freuen, bekommen ein Extra-Taschengeld, um sich kleine Wünsche erfüllen zu können oder die Eltern haben Geschenke vorbereitet. Viele Männer beschenken auch ihre Frau mit neuem Gewand oder bereiten ihr eine andere Freude. Anschaffungen werden gerne jetzt getätigt. Verwandtenbesuche sind am ersten Bayram-Tag üblich, am zweiten besucht man sich im Bekannten- und Freundeskreis. Die festlich hergerichteten Wohnungen stehen zu den Feiertagen weit offen, weil immer wieder auch überraschend Besucher vorbeikommen können.

Besinnung auf Bescheidenheit, Spiritualität und Nächstenliebe Nach dem Festtagsgebet am Morgen des ersten Tages beginnt eine Zeit der Warmherzigkeit, in der sich alle Familienmitglieder und Freunde gratulieren, sich gegenseitig besuchen und sich jeder zum Ziel setzt, aus Feinden und Zerstrittenen Freunde zu machen. Nach dem Ramadan sollen alle Unstimmigkeiten ausgeräumt und Frieden und Freundschaft eingekehrt sein. Kinder genießen bei diesem Fest die besondere Aufmerksamkeit der Erwachsenen. In Anatolien ist es Brauch, dass Kinder von Haus zu Haus ziehen und überall mit Süßigkeiten beschenkt werden. Überall in der islamischen Welt ist es aber auch Sitte, dass jüngere Menschen die älteren besuchen und ihnen zum Bayram gratulieren. Mancherorts sind an den Festtagen öffentliche Verkehrsmittel kostenlos nutzbar, damit auch Ärmere ihre Verwandten besuchen können. Über eine Milliarde Menschen feiern dieses Fest des Friedens und nehmen sich vor, eine friedliche Welt zu schaffen – eine friedliche Welt, weil sie daran glauben, dass eine Welt ohne Frieden keine menschenwürdige und Gott gefällige Welt sein kann. Und man kann zurecht feststellen: Die Botschaft des Ramadan ist die Rückbesinnung auf Bescheidenheit, Spiritualität und Nächstenliebe.

Aufmerksamkeit auf Armut und Not lenken Das Fasten öffnet Türen zu einer sozialeren und rücksichtsvolleren Gemeinschaft. Der Mensch erhält die Möglichkeit, in den tiefen Abgrund des Hungers und der Bedürftigkeit zu blicken. Wohlhabenden wird deutlich, dass ihr Wohlbefinden keine Selbstverständlichkeit ist. Der Islam, der sich z.B. mit der Armensteuer ohnehin gegen die Spaltung der Gesellschaft wandte, lässt die Reichen in der Fastenzeit einen Einblick in die Probleme der Armen nehmen. Wirtschaftliche Unterschiede zwischen den Menschen verlieren an Bedeutung. Dadurch, dass Menschen, die es sich leisten können, dazu angehalten sind, das Fastenbrechen mit den Armen durchzuführen, wird außerdem die Gemeinschaft auch praktisch gefördert. Graue Theorie ist dem Islam fremd. Alles hat sowohl eine theoretische als auch eine praktische Seite. Bestimmt gibt es den einen oder anderen Reichen, der erst im Ramadan spürt, wie es wirklich ist, in Armut zu leben, und ein ehrliches Mitgefühl für Arme entwickelt.

Grußbotschaft der christlichen Kirchen Vertreter der beiden großen christlichen Kirchen haben den Muslimen in Deutschland Segenswünsche zum bevorstehenden Ende des Fastenmonats Ramadan gesandt. Die katholische Kirche wünsche allen Muslimen in Deutschland und in der ganzen Welt eine gesegnete Zeit des Fastens, Betens und der Besinnung, schrieb der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, in einer am Montag (31.10.2005) in Bonn veröffentlichten Grußbotschaft. Zuvor hatte sich die Evangelische Kirche in Deutschland bei den muslimischen Mitbürgern bedankt, die christliche Freunde und Partner zum Fest des Fastenbrechens einladen.

Verwandte Themen