Marsel Ilhan ist die türkische Version von Boris

Zwei Männer weichen Marsel Ilhan keinen Zentimeter von der Seite. Für außenstehende mach es den Eindruck, als ob zwei Bodyguards ihn zu den Umkleideräumen im Talheimer Tenniscenter führen. Nur Stars werden so behandelt! Doch Marsel Ilhan ist kein Star. Ilhan sagt, „noch nicht" und lächelt verschmitzt. Der 23-Jährige Türke ist auf dem besten Weg zu einem türkischen Tennisprofi. Er gehört heute schon zu den besten 100 Spielern der Welt.

Die sportverrückte Türkei entdeckt ganz langsam Tennis. Jahrzehntelang war das Land ein weißer Fleck auf der Weltkarte des weißen Sports. Das hat sich geändert, weil Marsel Ilhan nun die Weltnummer 87 ist. Fußball, Fußball und irgendwann Basketball. So sieht es mit dem Sportinteresse der türkischen Bevölkerung aus. Und jetzt ist da neuerdings auch noch Tennis.

"Meine Spiele bei den Grand-Slam-Turnieren, so wie in der vergangenen Woche in Australien, werden sogar vom Fernsehen übertragen", sagt Ilhan, der russisch, türkisch und englisch spricht. Marsel Ilhan ist die türkische Version von Boris Becker.

In Istanbul gibt es mittlerweile an jeder Ecke Tennisclubs. Die sprießen wie Pilze aus dem Boden", sagt Ilhan. Noch ist Tennis in der Türkei ein Spiel der Eliten. Mitgliedschaften in den Hauptstadtclubs bewegen sich locker im fünfstelligen Euro-Bereich.

Die beiden Männer, die in Heilbronn nicht von der Seite ihres Schützlinges Ilhan weichen, sind gestern Abend auf der Tribüne gesessen. Von dort aus haben die zwei Trainer sein Erstrundenspiel gegen den Aachener Dominik Meffert verfolgt. Am Ende hieß es 7:6 und 6:4 für den Deutschen. Wütend pfefferte Ilhan den Schläger auf den Boden. Der Traum, in Talheim Punkte auf dem anvisierten Weg in die Top 50 mitzunehmen, ist schon früh geplatzt.

Große türkische Unternehmen sponsern ihn. Turkcell prangt auf seinem Trainingsanzug. Das Mobilfunkunternehmen will mit dabei sein, wenn der große Tennis-Boom ausbricht. Nach seinem ersten Turniersieg bei einem Challenger wie in Heilbronn, rannten sie ihm förmlich die Bude ein. Im Vorjahr erreichte er in Australien und Wimbledon die zweite Runde.

Marsel Ilhan ist ein Sonnenkind, so präsentiert er sich auch in diesen Tagen von Talheim. Er kennt aber auch die Schattenseite. Ein Blick in den Spiegel genügt. Die lange Narbe auf seiner Stirn erinnert ihn Tag für Tag an einen Autounfall im Alter von elf Jahren. "Ich lag drei Monate im Krankenhaus und daheim im Bett", erzählt er.