Türkinnen selbstbewusst

Adriana Lima

Türkische Mädchen sitzen zuhause, gehorchen den Eltern und bereiten sich aufs Hausfrauenddaseins vor? Weit gefehlt, hat eine Studie der Uni Würzburg herausgefunden und räumt mit Klischees über junge Türkinnen in Deutschland auf

Im Rahmen der Studie wurden 400 Mädchen und 430 Jungen türkischer Herkunft im Alter von 12 bis 17 Jahren befragt. Zu den Ergebnissen sagte der Leiter der Studie, Heinz Reinders, Inhaber des Lehrstuhls Empirische Bildungsforschung an der Universität Würzburg, am gestrigen Donnerstag: "Zurückhaltende türkische Mädchen sind deutlich seltener anzutreffen als selbstbewusste und gut integrierte junge Türkinnen".

Türkische Mädchen hätten beispielsweise klare Vorstellungen darüber wie sie ihre Freizeit gestalten möchten. So gaben 77 Prozent von ihnen an, ihre Freunde selbst wählen zu wollen und 67 Prozent sagten aus, dass sie über die Art der Freizeitgestaltung selber bestimmen möchten. Auffällig sei, dass sie selbstbewusster sind und stärker nach Unabhängigkeit streben als ihre männlichen Altersgenossen. Deutlich wird dies unter anderem bei der Frage nach dem Zusammensein mit der Familie. 65 Prozent der Jungen möchten selbst über die Teilnahme an Familienfeiern bestimmen. Bei den Mädchen hingegen liegt die Zahl bei 75 Prozent. Mutiger und selbstbewusster sind die Mädchen auch hinsichtlich Meinungsunterschiede mit den Eltern: 85 Prozent sehen es als selbstverständlich an eine eigene Meinung zu vertreten. Mit 76 Prozent sind die türkischen Jungen hier nicht ganz so mutig. "Wer aber glaubt, die Mädchen hätten deswegen mehr Zoff mit den Eltern, der irrt sich. Denn offenbar können die Mädchen ihre Autonomievorstellungen besser mit den Eltern aushandeln. Dadurch vermeiden sie größere Konflikte.", erklärt Heinz Reinders.

Auch bei der Berufswahl ist es den Mädchen wichtiger als den Jungs eigene Entscheidungen zu treffen. Dennoch gebe es selten Streit mit den Eltern darüber. Nur jeweils zwölf Prozent der Mädchen und Jungen gaben an, wegen dieses Themas sehr häufig mit den Eltern zu streiten. Der Ablösungsprozess von den Eltern sei ähnlich wie bei den deutschen Altersgenossen. Auch da haben Mädchen einen Vorsprung. Allerdings sei festzustellen, dass der Prozess bei türkischstämmigen Jugendlichen langsamer stattfindet als bei den deutschen. "Die Unterschiede verwischen sich aber wieder, wenn die Jugendlichen älter werden. Das Erstaunliche an den Ergebnissen ist die Normalität. Türkische Jungen brauchen ebenso wie deutsche Jungen generell etwas länger, um sich von der Familie zu lösen. Mädchen sind offenbar besser integriert, was ihre Abnabelung leicht zu beschleunigen scheint. ", so Reinders.

Zu den Erziehungsstile sagte der Erziehungswissenschaftler: "Es gibt ein großes Spektrum an liberalen Erziehungsstilen bei den Türken – und es gibt autoritäre Eltern unter den Deutschen. Das Bild ist insgesamt bunter, als es in der Öffentlichkeit vermittelt wird".

Heinz Reinders Fazit: „Wenn sie denn jemals in der Mehrheit waren, dann sind zurückhaltende türkische Mädchen deutlich seltener anzutreffen als selbstbewusste und gut integrierte junge Türkinnen.

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