Mercan Dede

Vaybee!: Erzählst du ein wenig über dich? Etwas aus deiner Kindheit? Mercan Dede: Hmm…es ist eigentlich schwierig über sich zu erzählen, wenn man auf der Suche nach sich selbst ist. Aber rein biographisch gesehen, bin ich in Bursa geboren und habe bis zu meinem 18. Lebensjahr in der Türkei gelebt. Ich stamme aus einer mittelständischen, eher bescheidenen Familie. Meine Eltern haben keinen direkten Einfluss auf meine Musikalität gehabt, d.h. ich komme nicht aus einer sehr künstlerischen Familie. Ich habe da eine sehr schöne Erinnerung aus meiner Kindheit: eines Tages fuhr ich mit einem der Sammeltaxis (Dolmus) nach Hause, als ich plötzlich eine wunderbare Musik hörte. Es war ein Stück mit dem türkischen Instrument Ney. Ich war fasziniert von dieser Musik und fand später heraus, dass es vom Ney-Spieler Niyazi Bey war. 15 Jahre später sollte ich das Glück haben, Unterricht von Niyazi Bey zu erhalten. 

Vaybee!: Wurde damals das Interesse an der Musik geweckt? Wie hat sich das bei dir entwickelt? Mercan Dede: Ich war heiss drauf, dieses Instrument zu erlernen und hinter dessen Philosophie zu kommen. Erst als ich von Bursa nach Istanbul ging, hatte ich die Gelegenheit für 1-1,5 Jahre Ney zu spielen. Ich nahm meine Ney-Flöten auch mit, als nach Kanada ging, um mein Studium der bildenden Künste aufzunehmen. Ich hatte zwar meine Ney, dafür aber ekin Geld und kaum Englischkenntnisse. Aber es war eine tolle Zeit. Ich fing an, langsam aber sicher Schritte in der Dj-Szene zu machen und mit 23 als Dj Arkin Allen in verschiedenen Projekten mitzuwirken. Ich sammelte auch Erfahrungen im Bereich der Worldmusic und wechselte nach Montreal, um an der Uni zu absolvieren. Ich arbeitete schließlich als Lehrbeauftragter an der selben Uni, hörte aber für die Musik auf. 

Vaybee!: Was bedeuten für dich Musik und insbesondere Sufi-Musik? Mercan Dede: Die Musik und der Sufismus sind zwei dermaßen grosse Bereiche, dass es schwer ist, die Bedeutung zu erklären. Für jeden kann das eine andere Erfahrung sein. Für mich ist der Sufismus eine Hilfe, um zu verstehen, welche Bedeutung das Leben für einen hat. Es ist eine Lehre, die zeigt, dass alle Fragen und Antworten in den Herzen der Menschen liegen. Insofern tragen wir in uns selbst die Konflikte aus. Was die Musik angeht… sie ist für mich eine Art Schlüssel zu mir selbst. Im Leben wird man oft von aussen beeinflusst und in verschiedene Schubladen gesteckt. Man bekommt oft Gewänder übergezogen, die einem nicht gehören. Die Musik ist ein Schlüssel und dient mir, mich daran zu erinnern, wie ich wirklich leben will.

Vaybee!: Wie würdest du deine Musik beschreiben? Eine Quelle bezeichnete dich als „Kanadier, der arabische Musik macht“… Mercan Dede: Gewiss ist auch die arabische Musik schön, aber es wäre falsch zu sagen, ich mache ausschliesslich arabisch beeinflusste Musik. Genaugenommen kann man die Musik, die ich produziere, nicht kategorisieren. Meine Kollegen und ich orientieren uns an der östlichen Philosophie mit türkischen Motiven, vereint mit westlicher Musik. Ich bin in der Türkei aufgewachsen und bin daher insbesondere von Sufi-Musik, Klassischer türkischer Musik und türkischer Volksmusik beeinflusst. Ich sättige diese mit Sounds aus dem Electronic und Underground-Bereich. Aber jeder ist frei, unsere Musik zu benennen, wie man möchte.  

Vaybee!: Eine türkisches Magazin hat dich einmal als „Derwisch der modernen Zeit“ beschrieben. Trifft das auf dich zu? Vaybee!: Ich bin mit allen Charakterisierungen einverstanden- egal ob sie positiv oder negativ klingen. Wenn mich jemand so sieht, dann kann ich nur „Okay“ sagen. Ich habe Respekt vor Meinungen, die ernst gemeint sind. Derwisch heisst im Persischen soviel wie Stufe. Im gewissen Sinne, versuche ich eine Art Stufe zu sein, mich frei von meinem Ego zu machen- so nach dem Motto: „Lass mich eine Stufe sein, damit die Menschen zum schönen Tor des Lebens eintreten können“. Aber allein weil ich dieses Vorhaben erwähnt habe, zeigt, wie schwer es ist, sich von seinem Ego zu befreien. 

Vaybee!: Zuerst kannte man dich als Dj Arkin Allen, dann als Mercan Dede. Wie kommt das? Mercan Dede: Wenn ich als Dj Arkin Allen auf die Bühne gehe oder ein Album herausbringe, können die Leute  tanzbare Electronic-Musik erwarten. Halt Musik zum Ausflippen. Wenn von Mercan Dede die Rede ist, dann bekommt man ruhigere Electronic-Sounds mit mehr akustischer traditioneller Musik aus meiner Heimat zu hören. Das Mercan Dede Emsemble geht sogar einer Schritt weiter und bleibt fast ganz auf der klassischen Schiene. Kurzum: die verschiedenen Namen dienen zur besseren Orientierung des Zuhörers. Wir wollen so vermeiden, dass ein Konzertbesucher, der mal ein paar Stunden die Ney geniessen möchte, sich plötzlich auf einer wahnsinnigen Techno-Party wiederfindet!

Vaybee!: Wie fühlst du dich, wenn du in deinen Geburtsort Bursa gehst? Mercan Dede: Es ist ein sehr interessantes Gefühl. Die Orte zu sehen bzw. nicht mehr zu sehen können, die ich in meiner Kindheit und Jugend verbracht habe, verleiht mir gemischte Gefühle zwischen Euphorie und Trauer. Bursa ist sehr schön und ein Ort den ich mag.

Vaybee!: Wie stehst Du zum Internet? Mercan Dede: Ich habe und muss ein sehr gutes Verhältnis zum Internet haben. Mein letztes Album „Seyahatname“ (Journeys) habe ich fast ganz mit Hilfe des Internets produziert. Sechs Monate lang habe ich aus Montreal mit der Türkei Daten, Musikstücke und Ideen ausgetauscht. Wie der Name schon sagt, ist das Album sprichwörtlich durch die Welt „gereist“. Auch was die Kommunikation zwischen Menschen angeht, ist das Internet eine fabelhafte Sache.

Vaybee!: Hast du zu guter letzt noch eine Message an die Vaybee!-User? Mercan Dede: Vielmehr einen Wunsch als eine Message an alle Mitglieder und Nicht-Mitglieder: Ich wünsche allen, dass sie ein friedliches und erfülltes Leben an jenem Platz führen, an dem sie mit ganzem Herzen sein möchten…

Vaybee!: Arkin oder Mercan Dede…vielen Dank für dieses anregende Interview.  

Oguzhan Celik

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