Orhan Pamuk im Interview mit Vaybee!

Adriana Lima

Es gibt nicht viele Schriftsteller aus der Türkei, die es zu solch einem Ansehen gebracht haben. Da sind Yasar Kemal und der verstorbene Aziz Nesin, aber keiner dieser Großen hat auch im Ausland seine literarische Spur hinterlassen wie der ‚junge‘ Orhan Pamuk. An Lobeshymnen dürfte sich Pamuk vor allem seit vergangenem Jahr gewöhnt haben: Die New York Times machte sein Werk „Rot ist mein Name“ zum Titelthema ihrer renommierten Literaturbeilage. Vaybee!-Redakteurin Yildiz Turak sprach im November 2001 mit dem Autor vor seiner Lesung im Kölner Literaturhaus.

Ihr aktuelles Bucht „Rot ist mein Name“ hat in den USA und in Europa glänzende Kritiken bekommen. Es war sogar Titelthema der New York Times Book Review. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg? Orhan Pamuk: Ich weiß nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Ich vermute, sie werden das Buch einfach gemocht haben. So wie Menschen nicht wissen, warum sie gerade eine bestimmte Person mögen, weiß ich nicht, warum das Ausland gerade mein Buch mag. Scherz bei Seite: Ich denke, dass die Europäer und Amerikaner einfach Gefallen an der Thematik von „Rot ist mein Name“ gefunden haben.

Sie haben über fünf Jahre an diesem Buch gearbeitet. Warum hat es so lange gedauert? Orhan Pamuk: Das stimmt, die Arbeiten dauerten lange. Ich brauchte die Zeit, weil ich mich intensiv mit dem Thema der Miniaturmalerei auseindergesetzen wollte. Ich musste sehr viel recherchieren und in die Welt der Miniaturmaler eintauchen.

In „Rot ist mein Name“ gibt es Bezüge zur Homoerotik in der osmanischen Gesellschaft. Wollten Sie die türkischen Nationalisten mit diesem heiklen Thema verärgern? Orhan Pamuk: Nein, das habe ich nicht beabsichtigt. Ich beschreibe Homoerotik nur als einen Bestandteil dieser Gesellschaft und Zeit. In meinem Buch spielt Homoerotik keine große Rolle, weil ich sie nur marginal erwähne, um verschiedene Szenerien der osmanischen Zeit darzustellen.

Wie viele Stunden am Tag schreiben Sie? Isabel Allende sagte, dass sie das Schreiben wie ein Beamter angeht. Sie fährt morgens um 8.00 Uhr in ihr Büro und arbeitet bis 18.00 Uhr. Orhan Pamuk: Bei mir ist es nicht anders. Ich arbeite den ganzen Tag. Wenn man die Schriftstellerei ernst nimmt, dann muss man das auch tun.

Lohnt es sich am Ende? Verdient ein Schriftsteller viel Geld? Orhan Pamuk: Nein, wenn Sie wegen des Geldes schreiben, sollten Sie es gleich lassen. Ich habe zum Beispiel bis zu meinem 30. Lebensjahr eine Menge geschrieben, aber kein Manuskript wurde bis dahin veröffentlicht. In dieser Zeit lag ich meinem armen Vater auf der Tasche. Wenn Sie aber jemand sind, der die Literatur wirklich liebt, macht das ihnen nicht viel aus. Es interessiert Sie nicht, ob Sie damit Geld machen oder nicht. Sie wollen dann nur noch schreiben, schreiben, schreiben. Heute kann ich aber gut von meinen Büchern leben.

In der Regel mögen Schriftsteller keine Interviews. Gibt es Fragen, die Sie nicht leiden können? Orhan Pamuk: Nein, ich habe keine Probleme damit. Ich amüsiere mich viel mehr dabei. An manchen Tagen gebe ich sogar zwei bis drei Interviews. Was mich aber langweilt, sind Journalisten, die das Internet für Recherchezwecke zu meiner Person nutzen und mir dann Fragen stellen, die sie aus den gelesenen Artikeln entnommen haben. Diese Fragen langweilen mich ungemein, weil ich sie schon kenne.

Apropos Internet. Wie stehen Sie eigentlich zu diesem Medium? Chatten Sie gerne? Orhan Pamuk: In der Türkei ist das Internet kein so schnelles Medium wie in Amerika oder vielleicht in Deutschland. Es funktioniert sehr langsam, deshalb macht es mir auch gar keinen Spaß. Chatten ist auch nicht mein Ding. Ich habe noch nie gechattet.

Letzte Frage: Sie dürfen drei Dinge mit auf eine einsame Insel nehmen. Welche Dinge wären das denn? Orhan Pamuk: Ich würde vermutlich Bücher mitnehmen, oder etwas zum Schreiben und meine Katze. Ja, sehr wahrscheinlich würde ich meine Katze mitnehmen.

Herr Pamuk, vielen Dank für das Interview.