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  #1  
Alt 27.03.2011, 20:43
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benekalice benekalice ist offline
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http://www.berlinonline.de/berliner-...001/index.html
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Die unbeirrbare Frau Sarrazin
Die Charlottenburger Grundschullehrerin nutzt ihren Promi-Status, um eine drohende Versetzung abzuwenden
Martin Klesmann

Ursula Sarrazin fährt meist mit dem Fahrrad zur Schule. Es sind nur ein paar hundert Meter. Die Reinhold-Otto-Grundschule im bürgerlichen Westend, wo Frau Sarrazin seit gut zehn Jahren unterrichtet, befindet sich in einem dreistöckigen Jugendstil-Gebäude. Doch hier tobt ein ernster Konflikt. Schulleiter Joachim Syska und etliche Eltern wollen Frau Sarrazin nämlich am liebsten loswerden. Nach neuerlichen Vorwürfen eskalierte die Situation derart, dass Ursula Sarrazin und ihr Mann, der Ex-Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin, sofort in die Öffentlichkeit gingen. Frau Sarrazin werde gemobbt. Und das populäre Buch von Thilo Sarrazin sei der eigentliche Auslöser des Konfliktes. Seine Frau werde in "Sippenhaft" genommen, erregte sich Thilo Sarrazin öffentlich.

Jetzt ging Ursula Sarrazin, die wie ihr Mann weiter SPD-Mitglied ist, noch einen Schritt weiter. In einer öffentlichen Erklärung vertrat sie die These, dass das Mobbing gegen sie "von zwei bis drei Eltern türkischer Kinder und der eigenen Schulleitung ausgeht". Die Sarrazins spielen mit dem Feuer. Schon erhält die Schulleitung Drohbriefe, in denen "weniger Türken" und "mehr Sarrazins" gefordert werden. Dennoch glauben die Sarrazins offenkundig mit dieser Attacke, viel öffentliche oder klammheimliche Zustimmung zu erhalten. Dabei kämpft das Ehepaar in Wahrheit darum, dass Frau Sarrazin hier Lehrerin bleiben kann. Und nicht, wie sie selbst befürchtet, zu Winterferienbeginn Ende Januar an eine andere Schule umgesetzt wird. Dafür stilisiert sie sich als Opfer, hofft auf viel Zustimmung, wenn sie behauptet, dass früher die Schulen besser, Eltern und Schüler pflegeleichter waren.

Gestern Nachmittag dann wurde es ernst. Erhard Laube, der oberste Berliner Schulaufsichtsbeamte, hatte Frau Sarrazin und den Schulleiter zum Rapport bestellt. Beide wurden aufgefordert, die "wechselseitig erhobenen Vorwürfe tatsächlich zu belegen und gegebenenfalls dazu Stellung zu nehmen", wie es hieß. Man wolle den Schulfrieden wieder herstellen - zunächst ohne jemanden zu versetzen.

Die Auslöser der erneuten Debatte trifft man gegen 14 Uhr vor dem Schultor, ein dunkelhaariger Junge und seine Schwester tollen herum. Harkans Eltern stammen aus der Türkei und sein Vater, der bei BMW arbeitet, war es, der einen Brief geschrieben hat. Als Elternsprecher schrieb er an Günther Kuhring, den Oberschulrat von Charlottenburg-Wilmersdorf.

Darin steht, dass Frau Sarrazin türkischstämmige Kinder im Unterricht als "armseliges Opfer" und "Schmarotzer" bezeichnet habe, sie anschreie und diese daraufhin weinen. Inzwischen äußert sich der Mann, erschrocken über die bundesweite Debatte, die er ausgelöst hat, nicht mehr zu den Vorgängen. Er hat übrigens die deutsche Staatsbürgerschaft. Ein paar hundert Meter von der Schule entfernt wohnt Günter Peiritsch, der Vorsitzende des Landeselternausschusses. Peiritsch, ein gebürtiger Wiener, hat sich zu einer Art Lautsprecher des türkischstämmigen Elternvertreters gemacht. In vielen Medien wiederholte Peiritsch, der am Freitag in seinem Amt bestätigt werden will, die Vorwürfe gegen Frau Sarrazin. Gerade befasst er sich aber mit einem elfseitigen Schreiben, das Frau Sarrazins Anwalt ihm geschickt hat. Er soll die Vorwürfe widerrufen.

Draußen vor der Schule holen die Eltern inzwischen ihre Kinder vom Hort ab. Die Elternschaft der Schule ist mittlerweile in zwei Lager geteilt. Einige reden schlecht über Frau Sarrazin, andere verteidigen sie. "Bei ihr lernen die Kinder viel", sagt die Mutter Laura Hahn. Es habe doch auch früher nicht geschadet, wenn ein Schüler mal aus der Klasse verwiesen werde. Und Frank Borchert, ein Vater, spricht sich gegen den Türkischunterricht aus, der nachmittags angeboten wird. "Jetzt werden noch mehr Türken an die Schule kommen", sagt er. Solche Eltern werden ihre Ansichten sicher in Thilo Sarrazins Bestseller "Deutschland schafft sich ab" bestätigt sehen. Dort hat der Ex-Finanzsenator den Berliner Schulen eine "traditionell leistungsabgewandte Kultur" attestiert. Seit 1973 hat Ursula Sarrazin an Grundschulen unterrichtet, in Köln, dann in Bonn und Mainz. Nur als ihre eigenen Kinder klein waren, setzte sie fünf Jahre aus. Ihr Mann dankt ihr in seinem Buch ausdrücklich für die Mitarbeit.

Die Situation ist bizarr. Frau Sarrazin redet seit gut einer Woche permanent in der Öffentlichkeit. Während Schulleitung, Kollegen, Schulaufsicht einen Maulkorb verpasst bekommen haben. Sie redet schlecht über Kollegen und bezichtigt türkische Eltern öffentlich des Mobbings. Welche ganz normale Lehrerin dürfte das sonst? Und um noch mehr Aufmerksamkeit zu erreichen, sitzt ihr Mann bei Interviews gerne dabei. Eine Schulverwaltung, die sie versetzt, stünde so blöd da wie die SPD, die ihren Mann ausschließen will. Das scheint ihr Kalkül. Volkes Meinung ist auf ihrer Seite. Sie darf sogar die Schulpolitik von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) kritisieren. Der widerspricht nicht einmal.

Doch die zentrale Frage in dieser ganzen Auseinandersetzung ist, ob die 59-Jährige womöglich eher eine schlechte Pädagogin ist, weil sie vielen Schülern durch ihre selbstherrliche Art die Lust an Schule und Bildung nimmt? Dafür gibt es zumindest zahlreiche Hinweise, nicht nur die vier Aktenordner voller Beschwerden bei der Schulaufsicht. "Mein jüngster Sohn kam völlig geknickt nach Hause, wenn er bei Frau Sarrazin Unterricht hatte", sage Stefanie Liebermann. Angst habe er vor ihr gehabt. "Er ist von einer Eins auf eine Drei abgerutscht." Bei einer neuen Lehrerin habe er wieder eine Eins gehabt, inzwischen einen Mathe-Wettbewerb gewonnen. Frau Liebermann ist alleinerziehend und sie glaubt, dass Frau Sarrazin Vorbehalte hege gegen die, die nicht dem kleinfamiliären Idealbild entsprechen oder einen bestimmten sozialen Status haben. Als sie gemeinsam mit ihrem Ex-Partner, dem Kindesvater, um ein Elterngespräch bat, soll Ursula Sarrazin ihr gesagt haben, sie könne auch allein kommen. Schließlich erziehe sie ja die Kinder auch allein.

Schon 2008 protestierte ein deutsch-japanisches Ehepaar, weil Frau Sarrazin den Namen ihres Kindes wiederholt als "Suzuki" verballhornt haben soll. "Zum Teil unter dem Gelächter der Klassenkameraden, die ihn dann prompt auch so nennen", schrieben die empörten Eltern. Wiederholt versuchte die Schulaufsicht, die Lehrerin zu versetzen. Erst ging statt ihrer ein Schulrat, später schließlich die amtierende Schulleiterin. Das Ehepaar Sarrazin ist schon seit Mainzer Tagen gut bekannt mit Senator Zöllner. In der Bildungsverwaltung war das selbstherrliche Verhalten Frau Sarrazins bekannt. Abteilungsleiter Laube versuchte auch schon vor drei Jahren, in Einzelgesprächen mäßigend auf sie einzuwirken.

Mehr als 50 Beschwerdeschreiben haben Eltern allein einer Klasse zusammengetragen. So behauptete eine Mutter, dass ihr Kind aus Schulangst wieder einnässe. Von "dramatischen Notenabstürzen" ist die Rede und dass Frau Sarrazin gar keinen Notenspiegel vorweisen konnte. Die Schreiben gab man bei der nun zuständigen Schulrätin ab. "Es gab überhaupt keine Reaktion", sagt Elternvertreterin Ines Zimzinski. Nicht so zimperlich war besagte Schulrätin an der Reformschule Charlottenburg, wo sie wegen Streits im Kollegium gleich mehrere Pädagogen versetzte.

Ursula Sarrazin, eine Frau mit wachen braunen Augen hinter randloser Brille, will das vermeiden. Doch der Schulleitung widerspricht sie weiter. Besonders missfällt ihr, dass donnerstags und freitags keine Hausaufgaben mehr aufgegeben werden dürfen. Da werde ja noch weniger gelernt. Auch in der Schulanfangsphase unterrichtet sie nicht, weil sie das Jahrgangsübergreifende Lernen ablehnt. Bereits 2002 schied Ursula Sarrazin im Streit von der Reinfelder-Grundschule in Wilmersdorf aus.

Vor ein paar Tagen fährt Ursula Sarrazin mittags zurück nach Hause durch das wohl situierte Berliner Westend mit seinen Einfamilienhäusern und Stadtvillen. Nein, solch eine strenge Lehrerin sei sie gar nicht, sagt sie später zu Hause. Manchmal müsse sie schreien, um für Ruhe zu sorgen. Ursula Sarrazin hat eine schnippische Art zu reden. Sie stammt aus Schleswig-Holstein. "Den Begriff Strenge würde ich gerne durch Konsequenz ersetzen", sagt sie. "Was gilt, das gilt. Das muss allen Beteiligten klar sein." Bei kleineren Vergehen wie Schwatzen helfe eine Ermahnung. "Wenn ein Kind permanent stört, dann versucht man, es in den Flur zu setzen oder in die Nachbarklasse zu geben." Man müsse dem Kind die Aufmerksamkeit nehmen. Sie klingt sehr bestimmt. Sie sagt, auf die jüngsten Vorwürfe sei sie von den Eltern nie direkt angesprochen worden. "Schmarotzer" habe sie niemanden genannt und "armseliges Opfer" nur, weil der Junge über Tische und Stühle gegangen sei und dann von einem Mitschüler eine runtergehauen bekommen habe. "Mitunter sind Eltern empört, weil es nicht immer ganz so kuschelig sein kann. Wir wollen den Kindern etwas beibringen. Dafür sollen sich die Kinder auch anstrengen." Sie ist völlig unbeirrbar. "Dazu gehören ein gewisser Fleiß, eine Anstrengungsbereitschaft und ein Lernwille. Man kann die Kinder nicht in Watte packen, das Leben packt sie ja später auch nicht in Watte."
  #2  
Alt 27.03.2011, 20:44
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benekalice benekalice ist offline
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Man kann sich vorstellen, was sie ihrem Mann Thilo am Frühstückstisch über das Berliner Schulsystem erzählt. Am besten hat es Ursula Sarrazin damals in Bonn-Friesdorf gefallen, sagt sie. An der evangelischen Bodelschwingh-Schule. Berlin sei da menschlich und leistungsmäßig ein anderer Maßstab. Frau Sarrazin fremdelt offenbar mit Berlin, der vielfältigen Schülerschaft, den ungewöhnlich kritischen Eltern. Mit all dem scheint sie entweder überfordert - oder sie ist sich dafür zu schade.

Wieso macht sie weiter? Das sei die "große Frage". Eigentlich habe sie gemeinsam mit ihrem Mann aufhören wollen, aber der arbeite ja schon jetzt nicht mehr für die Bundesbank. Vielleicht schreibe auch sie ein Buch, über Schulen. Zunächst will sie weiter unterrichten.

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"Wir wollen den Kindern etwas beibringen. Man kann die Kinder nicht in Watte packen. Das Leben packt sie ja später auch nicht in Watte." Grundschullehrerin Ursula Sarrazin

"Mein jüngerer Sohn kam völlig geknickt nach Hause, wenn er bei Frau Sarrazin Unterricht hatte. Er hatte Angst vor ihr." Mutter Stefanie Liebermann

Foto: Gibt sich kämpferisch: die Lehrerin Ursula Sarrazin in ihrem Haus unweit des Olympiastadions.
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