Vaybee!
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  #1  
Alt 05.07.2009, 18:03
unixxx
 
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Standard Deutsche Aphorismen und Gedichte

Aus dem Buch JOHANNES von Heinz Körner

Bitte höre, was ich nicht sage!

Laß dich nicht von mir narren. Laß dich nicht durch
das Gesicht täuschen, das ich mache.
Denn ich trage tausend Masken - Masken, die ich fürchte abzulegen.
Und keine davon bin ich. So tun als ob ist eine Kunst, die mir zur zweiten Natur wurde.
Aber laß dich dadurch nicht täuschen, um Gottes Willen,
laß dich nicht von mir narren.

Ich mache den Eindruck, als sei ich umgänglich,
als sei alles sonnig und heiter in mir, innen wie außen,
als sei mein Name Vertrauen und mein Spiel Kühle,
als sei ich ein stilles Wasser und als könne ich
über alles bestimmen, so als brauchte ich niemanden.

Aber glaube mir nicht, bitte, glaube mir nicht!
Mein Äußeres mag sicher erscheinen, aber es ist meine Maske.
Darunter ist nichts Entsprechendes.
Darunter bin ich wie ich wirklich bin: verwirrt, in Furcht und alleine.
Aber ich verberge das. Ich möchte nicht, dass es
irgendjemand merkt.
Beim bloßen Gedanken an meine Schwäche bekomme ich Panik
und fürchte mich davor, mich anderen überhaupt auszusetzen.
Gerade deshalb erfinde ich verzweifelt Masken, hinter denen
ich mich verbergen kann: eine lässige, kluge Fassade, die mir
hilft, etwas vorzutäuschen, die mich vor dem wissenden Blick
sichert, der mich erkennen würde.

Dabei wäre dieser Blick gerade meine Rettung. Und ich weiß es.
Wenn er verbunden wäre mit Angenommen werden, mit Liebe.
Da ist das Einzige was mir Sicherheit geben würde,
die ich mir selbst nicht geben kann: das ich wirklich
etwas wert bin.

Aber das sage ich dir nicht. Ich wage es nicht.
Ich habe Angst davor. Ich habe Angst dass dein Blick
nicht von Annahme und Liebe begleitet wird.
Ich fürchte du wirst gering von mir denken und über
mich lachen - und dein Lachen würde mich umbringen.
Ich habe Angst, dass ich tief drinnen in mir selbst
nichts bin, nichts wert, und das du das siehst und
mich abweisen wirst.

So spiele ich mein Spiel, mein verzweifeltes Spiel:
eine sichere Fassade außen und ein zitterndes Kind innen.
Ich rede daher im gängigen Ton oberflächlichen Geschwätzes.
Ich erzähle dir alles was wirklich nichts ist, und nichts
von alledem, was wirklich ist, was in mir schreit;
deshalb laß dich nicht täuschen von dem, was ich aus
Gewohnheit rede.

Bitte höre sorgfältig hin und versuche zu hören,
was ich nicht sage, was ich gerne möchte, was ich um des Überlebenswillen rede und was ich nicht sagen kann.

Ich verabscheue Versteckspiel. Ehrlich!
Ich verabscheue dieses oberflächliche Spiel das
ich da aufführe. Es ist ein unechtes Spiel.
Ich möchte wirklich echt und spontan sein können;
einfach ich selbst, aber du musst mir helfen.
Du musst deine Hand ausstrecken, selbst wenn es gerade
das letzte ist was ich mir wünsche. Nur du kannst
diesen toten, leeren Glanz von meinen Augen nehmen.
Nur du kannst mich zum Leben rufen.

Jedes Mal wenn du freundlich und sanft bist und mir
Mut machst, jedes Mal wenn du zu verstehen suchst, weil du dich wirklich um mich sorgst, bekommt mein Herz Flügel - sehr kleine Flügel, sehr brüchige Schwingen, aber Flügel!

Dein Gespür, dein Mitgefühl und die Kraft deines
Verstandes hauchen mir Leben ein.
Ich möchte, dass du das weißt. Ich möchte, dass du weißt,
wie wichtig du für mich bist, wie sehr du aus mir den
Menschen machen kannst, der ich wirklich bin - wenn du willst.
Bitte, ich wünschte, du wolltest es. Du allein kannst die Wand niederreißen, hinter der ich zittere. Du allein kannst mir die
Maske abnehmen.

Du allein kannst mich aus meiner Schattenwelt, aus Angst und Unsicherheit befreien - aus meiner Einsamkeit.
Übersieh mich nicht. Bitte -bitte, übergehe mich nicht!
Es wird nicht leicht für dich sein. Die lang andauernde
Überzeugung, wertlos zu sein, schafft dicke Mauern- je näher
du mir kommst, desto blinder schlage ich zurück.

Ich wehre mich gegen das, wonach ich schreie. Aber man
hat mir gesagt, das Liebe stärker sei als jeder Schutzwall,
und darin liegt meine Hoffnung.

Bitte versuche diese Mauern einzureißen, mit sicheren Händen,
aber mit zarten Händen: ein Kind ist sehr empfindsam. Wer ich bin, magst du fragen? Ich bin jemand den du sehr genau kennst.
Denn ich bin Jedermann, den du triffst, jeder Mann und jede Frau die dir begegnen. Ich bin ein Mensch, wie du!!!"

(Heinz Körner)
  #2  
Alt 05.07.2009, 18:25
atroi
 
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Jörn Pfennig



Hat Dich die Liebe so verletzt

So kalt, wie Du scheinst
kannst Du nicht sein
so hart, wie Du sprichst
und so gemein
so hoffnungslos
wenn Du Dich
jedem Gefühl widersetzt -
hat Dich die Liebe denn so verletzt?

Liebe, sagst Du
ist nur Selbstbetrug
von Liebe, sagst Du
hast Du längst genug
ein Teil
Deiner Seele, sagst Du
hat irgendwann ausgesetzt -
hat Dich die Liebe
denn so verletzt?

Ich hab in Deinen
Augen was gesehn
ich weiß, Du wirst es
mir nicht eingestehn
ein Sehnen
nach Wärme
und nach Zärtlichkeit
ich verlaß mich darauf
und auf die Zeit!
  #3  
Alt 07.07.2009, 10:51
atroi
 
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Was es ist

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Erich Fried
  #4  
Alt 16.07.2009, 14:18
unixxx
 
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Schreib noch mehr rein. Das war schön. Ausser dir, kennt hier niemand sowas glaube ich.
  #5  
Alt 16.07.2009, 21:48
atroi
 
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mach ich gerne, unixxx (würde es auch öfter machen, aber in letzter Zeit kann ich immer weniger hier posten, ich komm auf die Seite nicht)

Ralf Rainer Reimann

die tage
die mir verloren
schienen
waren
der weg
den ich
nicht leben konnte
weil
ich nur
das ziel
erreichen wollte
  #6  
Alt 17.07.2009, 00:12
gelincik02
 
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Standard Schauder

Schauder

Jetzt bist du da, dann bist du dort.
Jetzt bist du nah, dann bist du fort.
Kannst du's fassen? Und über eine Zeit
gehen wir beide die Ewigkeit
dahin - dorthin. Und was blieb? ...
Komm, schließ die Augen und hab mich lieb!

Christian Morgenstern
  #7  
Alt 17.07.2009, 00:13
gelincik02
 
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Standard

Es ist Nacht

Es ist Nacht, und mein Herz kommt zu dir,
hält's nicht aus, hält's nicht aus mehr bei mir.
Legt sich dir auf die Brust, wie ein Stein,
sinkt hinein, zu dem deinen hinein.
Dort erst, dort erst kommt es zur Ruh,
liegt am Grund seines ewigen Du.

Christian Morgenstern
  #8  
Alt 17.07.2009, 00:17
gelincik02
 
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Standard Liebeslied

Wie soll ich meine Seele halten

Wie soll ich meine Seele halten, daß
sie nicht an Deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?

Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen.

Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.

Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
O süßes Lied.


Rainer Maria Rilke
  #9  
Alt 17.07.2009, 00:25
gelincik02
 
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Standard Lieber ein Messer als ein Wort.Ein Messer kann stumpf sein...

Unaufhaltsam



Das eigene Wort,
wer holt es zurück,
das lebendige,
eben noch ungesprochene
Wort?

Wo das Wort vorbeifliegt
verdorren die Gräser,
werden die Blätter gelb,
fällt Schnee.
Ein Vogel käme dir wieder.
Nicht dein Wort,
das eben noch ungesagte,
in deinen Mund.
Du schickst andere Worte
hinterdrein,
Worte mit bunten, weichen Federn.
Das Wort ist schneller,
das schwarze Wort.
Es kommt immer an,
es hört nicht auf, an-
zukommen.

Lieber ein Messer als ein Wort.
Ein Messer kann stumpf sein.
Ein Messer trifft oft
am Herzen vorbei.
Nicht das Wort.

Am Ende ist das Wort
immer
am Ende
das Wort


Hilde Domin
  #10  
Alt 17.07.2009, 00:27
gelincik02
 
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Standard Max Frisch : Du sollst Dir kein Bildnis machen!

Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben, am
mindesten aussagen können, wie er sei. Wir lieben ihn einfach. Eben darin besteht ja
die Liebe, das Wunderbare an der Liebe, dass sie uns in der Schwebe des Lebendigen
hält, in der Bereitschaft, einem Menschen zu folgen in allen seinen möglichen
Entfaltungen. Wir wissen, dass jeder Mensch, wenn man ihn liebt, sich wie verwandelt
fühlt, wie entfaltet, und das auch dem Liebenden sich alles entfaltet, das Nächste, das
lange Bekannte. Vieles sieht er wie zum ersten Male. Die Liebe befreit es aus jeglichem
Bildnis. Das ist das Erregende, das Abenteuerliche, das eigentlich Spannende, dass wir
mit den Menschen, die wir lieben, nicht fertig werden: weil wir sie lieben; solang wir
sie lieben. Man höre bloß die Dichter, wenn sie lieben; sie tappen nach Vergleichen,
als wären sie betrunken, sie greifen nach allen Dingen im All, nach Blumen und Tieren,
nach Wolken, nach Sternen und Meeren. Warum? So wie das All, wie Gottes
unerschöpfliche Geräumigkeit, schrankenlos, alles Möglichen voll, aller Geheimnisse
voll, unfassbar ist der Mensch, den man liebt –
Nur die Liebe erträgt ihn so.
Warum reisen wir?
Auch dies, damit wir Menschen begegnen, die nicht meinen, dass sie uns kennen ein
für allemal; damit wir noch mal erfahren, was uns in diesem Leben möglich sei –
Es ist ohnehin schon wenig genug.
Unsere Meinung, dass wir andere kennen, ist das Ende der Liebe, jedesmal, aber
Ursache und Wirkung liegen vielleicht anders, als wir anzunehmen versucht sind –
nicht weil wir das andere kennen, geht unsere Liebe zu Ende, sondern umgekehrt: weil
unsere Liebe zu Ende geht, weil ihre Kraft sich erschöpft hat, darum ist der Mensch
fertig für uns. Er muss es sein. Wir können nicht mehr! Wir kündigen ihm die
Bereitschaft auf weitere Verwandlungen einzugehen. Wir verweigern ihm den
Anspruch alles Lebendigen, dass unfassbar bleibt, und zugleich sind wir verwundert
und enttäuscht, dass unser Verhältnis nicht mehr lebendig sei.
„Du bist nicht“, sagt der Enttäuschte oder die Enttäuschte, „wofür ich dich gehalten
habe.“
Und wofür hat man sich denn gehalten?
Für ein Geheimnis, das der Mensch ja immerhin ist, ein erregendes Rätsel, das
auszuhalten wir müde geworden sind. Man macht sich ein Bildnis. Das ist das Lieblose,
der Verrat.
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