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Alt 16.01.2005, 13:24
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Standard Die wahren Gründe der Hilfsaktion

Nach der Flut sind die Menschen in der indonesischen Provinz Aceh auf internationale Unterstützung angewiesen. Doch im Schatten der Hilfseinsätze ist ein Kampf um die Vorherrschaft in der Region entbrannt.

Mehr als 100.000 Menschen haben in Aceh ihr Leben verloren, über eine halbe Million ist ohne ein Dach über dem Kopf und auf Lebensmittel und Trinkwasser aus den Händen der internationalen Helfer angewiesen. Und doch hat, inmitten der Tragödie nach der Flut vom 26. Dezember, der Kampf um die Zukunft der rohstoffreichen Provinz begonnen. Mindestens drei Parteien bringen mit zum Teil undurchsichtigen Schachzügen ihre Figuren in Stellung: das indonesische Militär, die muslimischen Rebellen und die USA.

Die gute Ausgangsposition Washingtons ist dabei nicht zu übersehen: Der Flugzeugträger "USS Abraham Lincoln" liegt vor der Küste Sumatras, 13.000 US-Soldaten sind bei der Hilfsaktion im Einsatz. Niemand macht ein Hehl daraus, dass damit auch langfristige Ziele verbunden sind. Die Hilfe demonstriere "amerikanische Großzügigkeit, amerikanische Werte in Aktion", sagt Außenminister Colin Powell. Die USA wollen ihren Einfluss in der Region ausbauen und vor allem das schwierige Verhältnis zu Indonesien, dem bevölkerungsreichsten islamischen Land der Welt, verbessern. Das würde auch dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus nützen, hofft Washington.
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Indonesien: Mission im Zentrum des GrauensWenig wahrscheinlich, dass die USA dabei Rücksicht auf die vielleicht 5000 muslimischen Rebellen der "Bewegung Freies Aceh" (GAM) nehmen, die seit 30 Jahren für einen unabhängigen islamischen Staat kämpfen. Eher schon ist man geneigt, das Verhältnis zu den indonesischen Streitkräften, die wegen notorischer Verletzungen der Menschenrechte lange als eher unfein galten, dauerhaft zu festigen. Dass der Großteil der Erdöl- und Gasvorkommen in Aceh, immerhin 30 Prozent der indonesischen Öl- und Gasexporte, vom Konzern ExxonMobil gefördert wird, macht die US-Interessen noch deutlicher.

Indonesisches Militär will Gesicht wahren
Weltweite Irritationen hat die indonesische Führung mit der Ankündigung ausgelöst, ausländischen Truppen eine Frist von drei Monaten für den Abzug zu setzen und die Bewegungsfreiheit der Hilfsorganisationen einzuschränken. Der US-Botschafter in Jakarta, Lynn Pascoe, nahm es erstaunlich gelassen. Der Plan sei "vernünftig" und "wenig bemerkenswert", sagte er - im Gegensatz zu kritischeren Tönen aus Washington. Pascoe ist klar, dass die indonesischen Militärs zumindest ihr Gesicht wahren und ihre Abhängigkeit von ausländischer Hilfe nicht überdeutlich demonstrieren wollen.

Die Rebellen der GAM und ihre Exilregierung in Stockholm sind zwar über die plötzliche Aufmerksamkeit erfreut, den ihr vergessener Kampf um ein streng islamisches Aceh nun weltweit findet. Einen strategischen Vorteil im Bürgerkrieg, der schon mehr als 12.000 Menschen das Leben gekostet hat, dürfte es ihnen nicht bringen. Mit einem neuen Waffenstillstandsangebot gibt sich die Guerilla zunächst friedlich und hofft auf Sympathie bei der internationalen Öffentlichkeit - eine Rückkehr zu dem 2002 in Genf geschlossenen und ganz schnell wieder gebrochenen Friedensabkommen will sie aber auch nicht. Dort war den vier Millionen Einwohnern Acehs zugesagt worden, dass 70 Prozent der Rohstoffeinnahmen in der verarmten Provinz verbleiben.

Am wenigsten gedient wäre allen Seiten derzeit aber mit einer Eskalation. Gleich nach der Katastrophe haben auch extrem islamistische Gruppen aus anderen Teilen Indonesiens Helfer geschickt, darunter die FPI und die MMI um den mutmaßlichen Drahtzieher des Bali-Attentats, Abu Bakar Baasyir. Diese Gruppen haben keine Verbindung zur lokalen Bevölkerung, angeblich aber zum internationalen Terrornetzwerk El Kaida.
Thomas Lanig/DPA


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