Thema: Philosophie
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Alt 30.12.2006, 14:35
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darya darya ist offline
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Standard Das "Nichts" danach

Ich habe in den letzten Tagen viel nachgedacht über die emotionalen Gründe dafür, warum man an Gott, das Jenseits, das Paradies etc. glaubt. Viele sagen, dass man an Gott glaubt, weil der Mensch selbst sich schwach fühlt. Oder dass Menschen mit der Endlichkeit ihres Lebens nicht klarkommen und sich deshalb ein Leben nach dem Tode konstruieren, um ausgeglichener und mit weniger Angst leben zu können. Gerade arme Menschen oder Menschen mit harten Schicksalsschlägen sollen sich besonders am Leben im Jenseits festhalten, weil sie ihr Schicksal dann besser ertragen können.

Nun habe ich mich selber einem Experiment unterzogen und viel nachgedacht. Ich fragte mich ganz intensiv, wie es für mich wäre, wenn nach meinem Tod nichts meher käme. Also wirklich nichts. Mein Bewusstsein erstorben, mein Körper verfallen im Sarg, nur die Erinnerungen an mich oder meine genetische Brut durch die Welt zerstreut. Vielleicht meine Texte, Poesie, Kurzgeschichten noch - mehr nicht. Einfach nichts.

Ich muss sagen, dass der Gedanke mich anfangs erschreckte, aber mit der Zeit habe ich dieses abstrakte “Nichts” als sehr erlösend und heilsam empfunden. Innere Ruhe, weil es kein “Inneres” mehr gibt - ohne die Ruhe empfinden zu können. Keine Empfindungen, absolute Freiheit, weil man eben keinen Gesetzmäßigkeiten mehr unterliegt, keine körperlichen Schmerzen, kein Kampf mehr in der Hölle auf eine weitere Chance für’s Paradies, keine Wiedergeburt und somit kein Kreislauf des Leides - einfach nichts.

Ich finde den Gedanken recht verlockend, dass danach nichts kommen wird. Dass ich in diesem “Nichts” mit all den anderen Menschen “weile”, ohne wirklich zu weilen - und ich mich in nichts von den Anderen unterscheide, weil es mich gar nicht mehr gibt. Ja, es war angenehm. Wie ein sehr wames Bett, ein tiefer Schlaf ohne Bewusstsein, ohne Traum.

Und dennoch: Auch, wenn ich keine Angst vor diesem Nichts habe, glaube ich weiterhin an Gott. Woran liegt das nun? An meiner Angst vor dem “Nichts” kann’s nicht mehr scheitern. Was ist es denn jetzt?