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Alt 24.01.2004, 00:04
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Standard Rau zum Kopftuchverbot

Rau verurteilt Kopftuchverbot

aus der Presse

22.01.2004:

Bundespräsident Johannes Rau hat das von einigen Bundesländern angestrebte Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen scharf kritisiert. Nach Auffassung des Staatsoberhauptes ist dies der falsche Weg im Umgang mit anderen Religionen.

Man könne nicht ein religiöses Symbol verbieten und alles andere beim Alten lassen. «Das ist mit der Religionsfreiheit, die unser Grundgesetz allen Menschen garantiert, nicht vereinbar und würde deshalb das Tor zu einer Entwicklung öffnen, die doch die meisten Befürworter eines Kopftuchverbots nicht wollen», sagte Rau am Donnerstag bei einem Festakt zum 275. Geburtstag von Gotthold Ephraim Lessing in Wolfenbüttel.

Ein Kopftuchverbot könnte nach Auffassung Raus das Gegenteil bewirken und zu einer noch klareren Trennung von Staat und Kirche führen. «Ich befürchte nämlich, dass ein Kopftuchverbot der erste Schritt in einen laizistischen Staat ist, der religiöse Zeichen und Symbole aus dem öffentlichen Leben verbannt. Ich will das nicht», sagte der Bundespräsident laut Redemanuskript.

In seinen grundsätzlichen Ausführungen zur Religionsfreiheit und Toleranz bekräftigte Rau seine kritisierten Schlussfolgerungen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Karlsruhe hatte im Streit um das Kopftuch einer muslimischen Lehrerin ein gesetzliches Verbot für zulässig erklärt, wenn alle Religionen gleich behandelt werden. Als erste Bundesländer streben Baden-Württemberg und Bayern ein Verbot des Kopftuchs an, wollen aber christliche Symbole dulden.

Die in der Verfassung garantierte Religionsfreiheit gelte nicht nur für christliche Kirchen, sagte Rau. «Sie gilt, auch wenn das manchen nicht immer ausreichend bewusst ist, auch für andere Religionsgemeinschaften und gewiss für den Islam.» Deutschland sei kein «religionsfeindlicher und auch kein religionsfreier Staat». Der Staat schütze die Religionsfreiheit aller.

Klar kritisierte Rau auch die Intoleranz vieler Anhänger des Islam. Man müsse sich damit auseinander setzen, wie sich der Islam zum demokratischen Staat verhalte. In den meisten islamischen Ländern seien Staat und Religion nicht getrennt. Dies mache «so vieles so unendlich schwierig im internationalen, aber auch im nationalen Dialog».

Rau verwies auf die im Namen der Religion geführten Kriege. In der Aufklärung habe man deshalb die Religion von der staatlichen Ordnung getrennt. Damit seien zwei fundamentale Menschenrechte gewährleistet: die Freiheit des Gewissens und die Freiheit der religiösen Überzeugung. Auch in Deutschland seien Staat und Kirche voneinander getrennt, aber sie wirkten auf vielen Feldern zusammen. «Ich halte das, alles in allem, für den richtigen Weg, und ich sehe keinen Anlass dafür, dass wir uns dem Laizismus unserer französischen Nachbarn und Freunde anschließen sollten», sagte Rau.

Das Kopftuchverbot wertete Rau als eine neue Runde in einer alten Debatte, die immer geführt werde, wenn Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religionszugehörigkeit aufeinander treffen. Die Debatte über das Kopftuch wäre einfacher, wenn es ein eindeutiges Symbol wäre. «Das ist es aber nicht.» Rau erinnerte an Lessings «Nathan der Weise»: «Menschen unterschiedlichen Glaubens - Christen, Juden, Muslime - können gleichberechtigt miteinander leben, und das ist gut für alle.»