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Alt 03.12.2009, 14:09
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Eflatun76 Eflatun76 ist offline
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Standard Geschichtsphilosophie: Oswald Spengler

Oswald Spengler - Der Untergang des Abendlandes

Sein Thema waren Hochkulturen. Er schrieb ihnen wie Lebewesen "Lebenszyklen" zu.

Der Krieg war verloren, die Wirtschaftslage desolat, und gerade hatte der Kaiser abgedankt. Alles in allem war 1918 der perfekte Moment für das Erscheinen eines Buches mit dem düsteren Titel "Der Untergang des Abendlandes".

Der Autor Oswald Spengler (1880–1936), ein schrulliger ehemaliger Gymnasiallehrer, war damals völlig unbekannt. 1911 hatte er in Hamburg den Dienst quittiert und war nach München-Schwabing gezogen, wo er sein Glück als Privatmann suchte. Spengler bewunderte Goethe und träumte davon, weltbewegende Romane und Theaterstücke zu schreiben. Doch dann brach eine gefährliche Krise an der marokkanischen Küste aus: eine Kraftprobe zwischen Deutschland, Frankreich und England. Es ging um die Macht in Afrika. Spengler sah Parallelen zwischen dieser Krise und den Kriegen in der antiken Welt sowie verschiedenen Konflikten vergangener Hochkulturen.

Hochkulturen wurden zu seinem Thema. Spengler kam zu der Überzeugung: Eine Hochkultur ist wie ein Lebewesen, sie wird geboren, wächst heran, reift und stirbt schließlich ab. "Frühling", "Sommer", "Herbst" und "Winter" nannte er diesen Lebenszyklus.

Es habe, so meinte Spengler, im Lauf der Geschichte insgesamt acht Hochkulturen gegeben: die ägyptische, die babylonische, die indische, die chinesische, die griechisch-römische, die arabische, die mexikanische und die abendländische. Nur Letztere sei noch am Leben. Was ihr bevorstehe, könne man anhand des Schicksal der anderen voraussagen. Diese Botschaft veröffentlichte er in einem Gesamtwerk, das über 1200 Seiten umfasst.

In der Zeit der Weimarer Republik war Spenglers Bild von der Weltgeschichte das große Thema unter Historikern, Literaten und Intellektuellen. Denn Spengler unterschied zum Beispiel zwischen "Kultur" und "Zivilisation". Unter dem ersten Begriff verstand er die lebendige Kreativität einer aufstrebenden Hochkultur, der zweite sei das Gegenteil: die Erstarrung schöpferischer Energie, die dann eintrete, wenn eine Hochkultur in die Jahre komme. Dann nämlich verkläre man die Vergangenheit und unterdrücke die Kreativität der Gegenwart.

Darüber hinaus behauptete Spengler, dass Hochkulturen unterschiedlich "beseelt" seien. Die griechisch-römische Antike beschrieb er als "apollinisch", sie sei erfüllt mit Sinnlichkeit. Die arabische Kultur nannte er wegen ihres Mystizismus "magisch". Unsere westliche Kultur hingegen sei "faustisch", von Ehrgeiz und Intellekt getrieben.

Spenglers Provokationen beschäftigen Historiker bis heute und gewinnen wieder an Aktualität. Denn Spengler war der erste Geschichtsphilosoph, der verstanden hatte, dass Europa keineswegs der Mittelpunkt der Welt, sondern nur eine von vielen Kulturen [Zivilisationen] ist.

Quelle: P.M. Magazin, 08/2008