Kompromissbereitschaft ist eine schöne Sache - aber setzt immer auch voraus, dass die involvierten Menschen genau wissen, was sie wollen und dann den gesunden Mittelweg einschlagen - alles in vollem Bewußtsein.
Und hier liegt der Hund begraben. Viele, sogar ein Großteil der Menschen, weiß nicht genau, was sie wollen, welche Werte ihnen wichtig sind, sogar wer sie selbst sind.
Ich kenne Leute, die sich selbst, obwohl sie nicht praktizieren, als "religiös" bezeichnen würde - ich hingegen würde sie lediglich als "autoritätshörig" oder "assimilativ" bezeichnen.
Das menschliche Handeln und Entscheiden bei unseren Landsleuten ist selten vernunftgeleitet - vieles läuft halt im Unbewussten ab.
Auch wenn ein türkischer Mann Angesicht zu Angesicht und im Brustton der Überzeugung sagen würde, dass er seine deutsche Frau so akzeptiert, wie sie ist, mit all ihren kulturellen Prägungen und Verhaltensmustern - in konkreten Alltagssituationen entscheidet selten die Ratio, die die Grundvoraussetzung für Kompromissbereitschaft bildet.
Selbst der aufgeklärteste, liberalste Mensch läuft stets Gefahr in archaische, unbewußte kulturell-kollektive Handlungsmuster und Werteordnungen zurückzufallen, wenn der Sturm der ersten Leidenschaft sich erst einmal gelegt hat.
Deswegen denke ich, macht alles Vorabpalavern und - schwadronieren überhaupt keinen Sinn. Das Unbewußte bewegt sich, artikuliert sich und handelt nämlich jenseits der sprachlichen Ordnung.
Ich habe es auch schon erlebt, dass ich mich auf einer unbewußten Ebene mit Menschen gut verstanden habe, die rein äusserlich und rational betrachtet inkompatibel erschienen.
Kurzum: es kann gutgehen - aber auch schieflaufen. Ob diese Theoretisiererei uns weiter bringt, wenn die Wege der Liebe doch unergründlich sind?
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