Geduld haben...
Die letzten Tagen zeigen sehr deutlich wie schwierig ein schneller EU-Beitritt der Tuerkei sein wird, entgegen den Erwartungen die Erdogan im eigenen Land pflegt. Das hat an sich nicht nur mit der Tuerkei selbst zu tun, sondern auch mit der Angst der Europaer um die eigene Zukunft.
Die massive EU-Erweiterung hat die "Alt-Europaer" erschrocken. Auf einmal herrscht ueberall Angst um den eigenen Arbeitsplatz, Angst um die Investitionen, die nun nicht im eigenen Land bleiben, sondern nach Ungarn, Slowakei und in die Tschechei fliessen, Angst um das gefaehrdete Sozialsystem, Angst um das Aufrechterhalten des eigenen Lebensstandards. Dabei sind viele dieser Aengste etwas uebertrieben. Viele dieser Aengste werden von bestimmten politischen Gruppen klug ausgenutzt (hierbei sind die linksorientierten Parteien fuehrend) um die Aengste weiterhin zu schuerren, aber das ist hier nicht unser Thema. Was wichtiger ist, ist dass in diesem Klima alle Europaer eine weitere EU-Erweiterung ablehnen, und das schliesst die Tuerkei auch aus....
Was tun also? Sicherlich werden jetzt Stimmen zu hoeren sein, die behaupten werden "na, wenn die uns nicht wollen, dann eben nicht, wir wollen eh nicht in die EU, in diesem christlichen Verein, da lauft eh alles bergab usw usw usw usw". Nun, das ist sicherlich die einfache Loesung, nur: es ist eine Loesung die fuer die Tuerkei nicht in Frage kommen DARF.
Seit der Oezal-Zeit (der erste Politiker in der neuesten geschichte der Tuerkei, der einen zusammenhaengenden Plan fuer die Zukunft des Landes hatte, UND gleichzeitig flexibel genug war schnell ploetzliche Chancen auszunutzen) hat die Tuerkei gewisse Aenderungen unternommen um sowohl wirtschaftlich als auch kulturell, politisch und gesellschaftlich den EU-Standard annaehern zu koennen. Vieles ist erreicht worden, vieles ist auch verpasst worden. In den 90iger Jahren hat das Land eine Periode der Instabilitaet erlebt (aufgrund der aufeinanderfolgenden Regierungswechseln und der labilen Koalitionsregierungen), aber zum Glueck ohne grosse Schaeden. Seit den letzten Wahlen gibt es wieder eine zusammenhaengende Aussenpolitik (obwohl die alten Machtzentren der tuerkischen Politik weiterhin ihren Einfluss geltend machen), es gibt wieder eine konzentrierte Innenpolitik und das Ergebniss davon ist dass es der tuerkischen Wirtschaft besser geht.
Und doch ist diese Situation ausgesprochen labil. In einem Land wo die Strukturen noch sehr unterentwickelt sind, in einem Land wo das Bildungsniveau noch sehr niedrig ist, in einem Land wo die Mehrheit der Buerger populistischen Meinungsforschern Gehoer schenkt (siehe "Huerriyet"!!!) ist es sehr leicht dass dieser "Ruhezustand" ploetzlich auseinanderbricht. Was ist wenn morgen die Tuerkei das Verbindungsprotokoll nicht unterschreibt (wie Deniz Baykal verlangt) ? Was ist wenn ploetzlich tuerkische Politiker gegen Angela Merkel (leider die zukuenftige Kanzlerin in Deutschland) herziehen, oeffentlich? Was ist wenn tuerkische Buerger (wie die bozgurt) gegen den EU-Beitritt protestieren, was ist wenn die tuerkische Wirtschaft auf diese Emotionen auch mitreagiert? Dann koennte es sein dass die ganzen Versuche der letzten Jahre gefaehrdet werden. Das darf aber nicht der Fall sein...
Die Tuerkei hat leider (oder zum Glueck) gar keine Alternative: sie MUSS in die EU reinkommen, und der Beweise kommt gleich...
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