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Alt 12.05.2005, 13:16
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cemdean cemdean ist offline
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Standard Mitschuld von Deutschen und Kurden

während des Genozids:

DIE DEUTSCHEN:

"Deutsche Historiker interessiert die Mitschuld Deutschlands nur wenig

Die Appelle der Konsuln beeindruckten Regierung und Elite in Berlin wenig. Es war Krieg, und keiner sah hin. Die Publizisten, die Enver fleißig als »türkischen Moltke« und Talaat gar als »türkischen Bismarck« feierten, wurden im Oktober 1915 von der kaiserlichen Pressezensur angehalten: »Unsere freundschaftlichen Beziehungen zur Türkei dürfen durch diese innertürkische Verwaltungsangelegenheit nicht nur nicht gefährdet, sondern…nicht einmal geprüft werden. Deshalb ist es einstweilen Pflicht, zu schweigen. Später wenn direkte Angriffe wegen deutscher Mitschuld erfolgen sollten, muss man vorgeben, dass die Türken schwer von den Armeniern gereizt wurden.«

Wie steht es wirklich um die Mitschuld Deutschlands? Während der Tatbestand des Genozids auch aus anderen Archiven umfangreich belegt ist, lässt sich ein abschließendes Urteil über die deutsche Rolle dabei noch immer nicht fällen. Es fehlen bis heute einschlägige Dokumente über eine echte Komplizenschaft beim Massenmord. Zwar hat der armenisch-amerikanische Historiker Vahakn N. Dadrian eindrucksvolle, auch neue Materialien veröffentlicht. Und in seinem Buch German Responsibility in the Armenian Genocide zeichnet er ein Bild der Deutschen als potenzielle Anstifter des Völkermords aus ideologischen, imperialistischen und geostrategischen Motiven. Doch diese auch von einigen anderen Historikern verfolgte Spur lässt sowohl den gesamteuropäischen Kontext jener Zeit als auch die äußerst komplizierten Beziehungen zwischen Türken, Armeniern und Kurden zu kurz kommen.

Am meisten verblüfft, wie wenige deutsche Historiker sich dieses Themas angenommen haben – obwohl die Bundesarchive dazu einladen und die Mitverantwortung Berlins ein Feld für Untersuchungen geblieben ist. Zwar erscheint in Kürze, herausgegeben von Wolfgang Gust, ein Band mit rund 700 Seiten Dokumenten aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amts. Doch gibt es in Deutschland keine große wissenschaftliche Untersuchung über diese Massaker, die sich nicht nur aus Sekundärliteratur speist. Es fehlt eine vernünftige Quellen-Edition. Wo es keine maßgebliche Forschung gibt, werden Forschungsanträge entsprechend unqualifiziert abgelehnt. So beißt sich die Katze in den Schwanz: Petitionsausschuss und Bundesregierung tun Anträge auf oder kleine Anfragen nach Anerkennung des Genozids damit ab, dass das »eine historische Frage« und somit »Gegenstand der Geschichtswissenschaft« sei.

So hat auch die deutsche Passivität dazu beigetragen, dass die Türkei die Opfer bis heute in die Ecke drängen kann: Die Nachfahren der Überlebenden müssen nicht nur die Last der Leidensgeschichte, sondern auch die Last der Leugnungen tragen. Sie sollen noch immer den Nachweis für einen Völkermord erbringen, den alle ernst zu nehmenden Historiker längst dokumentiert haben. Immerhin hat Ankara seine alte Forderung nach einer gemeinsamen Historikerkonferenz jetzt um den Vorschlag ergänzt, dass dabei auch die deutschen, französischen und britischen Archive einbezogen werden sollten. Ministerpräsident Erdog˘an verspricht sogar eine »Neubewertung« der damaligen Ereignisse. Die Armenier sehen das allerdings als ein Hinhaltemanöver an: »Die Historiker haben ihre Arbeit schon getan.« Die deutschen nicht so sehr. Der jüngste Vorfall um den Brandenburger Rahmenlehrplan hat auch an den Tag gebracht, dass es auf deutscher Seite bisher so gut wie keine weiterführenden Unterrichtsmaterialien zu diesem Thema gegeben hat.

Am 15. Oktober 1915 richteten die Lehrer der deutschen Realschule Aleppo einen verzweifelten Appell an das Auswärtige Amt. Sie beschrieben darin ein Krankenlager der türkischen Behörden für armenische Vertriebene, das direkt neben dem Schulgebäude lag: »Wir treten auf den Hof … Haufen von Kranken, Sterbenden, Toten durcheinander in ihrem Unrat liegend… Hier und da ein Schrei nach dem Arzt, eine Klage wegen der hunderten von Fliegen in den gepeinigten Augenhöhlen… Ein Dutzend Kinder, halbverhungert, stumpf… Unmittelbar daneben sind wir deutschen Lehrer gezwungen, unsere Schüler einzuführen in deutsche Kultur… Ja, glaubt man, dass diese muhammedanischen Kinder nicht irre werden, wenn sie angesichts solcher Bilder unsere Lehren hören? Gibt es doch zahllose, anständige Muhammedaner, die…nicht fassend, dass ihre eigene Regierung die Urheberin solcher sündhafter Greuel sein könne, in den Deutschen die Urheber suchen. Grässliche Flecken drohen hier dem Ehrenschilde Deutschlands.«

Die Zeit ist kein Reinigungsmittel für so etwas. Die Flecken werden immer wieder durchscheinen. Solange die Freunde der Türkei – und ihr Kreis ist aus vielen anderen guten Gründen groß – Ankara nicht bewegen können, auf dem Weg zur EU auch eine Brücke zum heutigen Geschichtsverständnis Europas und seiner öffentlichen Erinnerungskultur zu bauen."

((c) DIE ZEIT 23.03.2005 Nr.13)

DIE KURDEN:

"Die Hamidiye Regimenter

Die nach den Ereignissen von 1896 gebildeten sogenannten "Hamidiye Regimenter" sind keinesfalls nur als Intrigen des Sultans Abdülhamid des Zweiten zu interpretieren.

Die kurdischen Stämme der Region erwiderten die armenischen An- und Übergriffe mit gleicher Härte. Die Kämpfe zwischen bewaffneten armenischen Gruppen und der muslimischen Bevölkerung arteten bald zu einem regelrechten Gemetzel aus.

Die armenischen Führung und Organisation besaßen nicht die raffinierten Propagandamethoden zionistischer Führer, die mit einer gut durchdachten Strategie und einer erfolgreichen politischen Arbeit die Juden der Diaspora nach Palestina umsiedeln konnten. Hinzu kam der Kapitalfehler der Armenier - damals und auch heute - in Bezug auf die Meinung der Öffentlichkeit allein auf Medien zu setzen und sich von diesen die Erreichung ihres Zieles zu erwarten."

(<a href="redirect.jsp?url=http://www.tuerkischebotschaft.de/de/aussenpolitik/armenien/ar2202012.htm)


Kommentar:" target="_blank">http://www.tuerkischebotschaft.de/de/aussenpolitik/armenien/ar2202012.htm)


Kommentar:</a>

Genau so, wie der türkische Unabhängigkeitskrieg durch die Mithilfe aller Völker im türkischen Lebensraum gewonnen wurde, wurde auch der Genozid gemeinsam begangen "wenn es ihn wirklich" gegeben hat.
Ich sage vorsichtig "wenn es ihn gegeben hat", da in dieser Angelegenheit noch nichts "seriös" bewiesen wurde.

Die Mithilfe der Deutschen an diesem traurigen Spektakel wundert mich ehrlich gesagt überhaupt nicht. Mit dem aufkeimen des NAtionalismus und Imperalismusbestreben der Länder Europas wollte Deutschland ihr Machtgebiet aus osmanischem Raum ausdehnen.
Die Türken waren nun mal gute Freunde und verbündete.

Was mich aber wundert und mich positiv überrascht hat ist, dass Erdogan die unabhängige Historikerkommission fordert und angeregt hat, dass auch Franzosen und Deutsche ihre staatlichen Archive öffnen sollten, damit eine unabhängige Historikerkommission diesen Tatbestand endlich ein für alle mal aufklären kann.
Ich persönlich warte voller Spannung auf die Ergebnisse.