Hitlers "Mein Kampf" Bestseller i. d. TR
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Politischer Bericht/KAS/Türkei/04/05
POLITISCHER BERICHT TÜRKEI
? Kontroverse Diskussionen über die ?Armenier-Frage? ? Mutterlandspartei (ANAP) wieder im Parlament vertreten ? Wahl in Nordzypern und EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei ? Info-Mail
Kontroverse Diskussionen über die ?Armenier-Frage? Unabhängig von dem Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: ?Gedenken anlässlich des 90. Jahrestages des Auftaktes zu Vertreibungen an den Armeniern am 24. April 1915 ? Deutschland muss zur Versöhnung zwischen Türken und Armeniern beitragen? ist die Bedeutung dieses Jahrestages auch in der Türkei im Bewusstsein der Men-schen. Seit Wochen wird eine kontroverse Diskussion, insbesondere in den türkischen Medien, über dieses Thema geführt. Historiker und mittlerweile auch Politiker äußern sich dazu und haben eine bemerkenswerte Kontroverse angefacht. Der Vorwurf des sog. ?Genozids? an den Armeniern, beginnend im Jahre 1915, wird zwar von allen Seiten kategorisch abgelehnt, aber es mehren sich auch Stimmen, die zumindest viele Vorkommnisse nicht in Abrede stellen. Diese Kreise beklagen ferner die Haltung vieler Türken, die sich einer Anerkennung jegli-cher Untaten in der damaligen Zeit prinzipiell verweigern. Nach dem sich der bekannte türkischen Schriftsteller Orhan Pamuk - der in einer englischen Tageszeitung einen ?Genozid? an den Armeniern konstatierte, der bis zu einer Millionen Armenier das Leben gekostet haben solle ? offen dazu äußerte, meldete sich auch der bekannte Soziologe und Historiker Prof. Halil Berktay von der Sabanci-Universität zu Wort. Seiner Ansicht nach sei der Befehl des Triumvirats um Enver-Pascha, Talat-Pascha und Cemal-Pascha zur Umsiedlung der Armenier nicht nur auf den Osten des Osmanischen Restsreichs begrenzt gewesen, sondern habe im gesamten Reichsgebiet gegolten. Das ?Umsiedlungsgesetz? von damals beinhalte seiner An-sicht nach deutlich einen Charakter der ?ethnischen Säuberung?. Berktay wies ferner daraufhin, dass die Türkische Republik zwar nicht für diese Vorkommisse verantwortlich zu machen sei, ein führender Politiker wie der Ministerpräsident oder der Außenminister aber seine Sorge und Trauer aufgrund der Vorkommnisse äußern solle. Alles andere läge dann aber bei den Historikern und den nachfolgenden Generationen. Diese Aussagen, insbesondere die Bezeichnung ?Ethnische Säuberung? stieß auf heftige Kritik der ?Türkischen Gesellschaft für Geschichte? (Türk Tarih Kurumu). Der Vorsitzende dieser staatlichen Institution, Prof. Dr. Yusuf Halaçoğlu, wies diesen Vorwurf entschieden zurück. Seiner Meinung nach beweise das Gesetz vom 18. Dezember 1918 - mit dem die Rückkehr der deportierten Armenier in die Türkei geregelt worden sei ? viel mehr genau das Gegenteil. Von den ca. eine Million in Anatolien lebenden Armeniern vor dem 1. Weltkrieg, hätten 644.900 Menschen dieses Angebot angenommen und seien nach Anatolien zurückgekehrt. Alle üblicherweise verwendeten Zahlen über die Todesopfer seien historisch gar nicht zu beweisen. Nach eigenen Berechnungen wären durch Krankheiten ca. 100.000 Armenier ums Leben gekommen. Zudem habe das ?Umsiedlungsgesetz? die katholischen und protestantischen Armenier nicht betroffen, so Halaçoğlu weiter. Dieser Diskurs zeigt, dass mittlerweile eine offene Debatte unter türkischen Historikern begonnen hat. Im Rahmen dieser Diskussionen werden nun immer wieder neue Quellen und Dokumente vorgelegt. Eigentlich sollten sich in diesem Jahr türkische und armenische Historiker in Wien treffen. Da die armenische Seite jedoch ihre Unterlagen nicht eingereicht hatte, wurde dieses Treffen abgesagt. Die türkische Seite habe annähernd 100 Doku-mente vorgelegt, so Halaçoğlu, die von der armenischen Seite aber bisher nicht kommentiert wurden. Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdoğan traf sich zur Sondierung der Lage und der Absprach einer gemeinsame Strategie zur Armenierfrage mit dem Oppositionsführer Deniz Baykal (CHP). Beide einigten sich darauf, dass diese Problematik nicht poli-tisch angegangen, sondern die Vorkommnisse sollen von Historikern aufgearbeitet werden. Mittlerweile werden Aussagen von bekannten ausländischen Wissenschaftlern, wie von dem US-Amerikaner Prof. Justin McCarthy, präsentiert. Nach McCarthy habe es einen Bürgerkrieg zwischen Armeniern und Türken gegeben und dabei seien zahlenmäßig weit mehr Türken als christliche Armenier zu Tode gekommen. McCarthy erklärte ferner, dass das ?Blue Book? des Historikers Arnold J. Toynbee ? dieses Buch wird oft als Quelle angeführt - ein reines Propagandamittel gewesen sei. Der Autor selbst habe dies später auch eingestanden. Viele Kommentatoren der türkischen Tageszeitungen greifen das Thema auf. In allen seriösen Presseorganen ist der Tenor der Berichterstattung eindeutig: Es gebe sehr wohl ein ?Armenier-Problem?. Die Vorkommnisse des Jahres 1915 hätten aber nicht den Charakter eines Genozids, sondern es sei als Folge der bürgerkriegsähnlichen Umstände zur Umsiedelung und Deportation von Armeniern gekommen. In diesem Zusammenhang seien auch sehr viele muslimische Opfer unter Türken und Kurden zu beklagen. Einige fordern von der Politik, hinsichtlich des Themas endlich Stellung zu beziehen. Die türkische Regierung besitze durchaus die demokratische Reife, dieses Problem zu lösen. Darüber hinaus müsse die Türkei damit aufhören, reflexartig andere Länder - wie z.B. Frankreich ? sofort eigener ?dunkler Flecken? in ihrer Geschichte zu beschuldigen, nur weil sie eine Resolution zur ?Armenier-Frage? verabschiedet haben. Der Kolumnist İsmet Berkan der Tageszeitung ?Radikal? ging sogar noch weiter: ?Immer wenn solche Fragen in der Türkei auftauchen, rettet man sich in die Phrasen, das sollen die Historiker aufarbeiten oder aber die andere Seite hat doch auch unsere Leute getötet. Diese letzte Aussage ist mit der Überschrift: Politik der Leugnung zu betiteln. Der Versuch der regierenden AKP und der Oppositionspartei CHP sowie die Anstrengungen der Türkischen Gesellschaft für Geschichte bedeuten nichts anderes als diese Leugnung. Jedoch wissen wir alle, dass in jenen Jahren Dinge geschehen sind und selbst nach 90 Jahren seit diesen Vorkommnissen, können wir heute noch immer nicht offen darüber reden, was damals genau geschah?.
Mutterlandspartei (ANAP) wieder im Parlament vertreten
Nach seinem überraschenden Rücktritt vor vier Wochen als Tourismusminister der AKP wurde vielfach über die politische Zukunft von Erkan Mumcu spekuliert. Genauso überraschend wie sein Rücktritt vor Monatsfrist kam nun der Eintritt Mumcus in die Mutterlandspartei (ANAP). Diese Entwicklung hielten die wenigsten politischen Beobachter für möglich. Es wurde vielmehr angenommen, dass Mumcu die Führungs- und Integrationsfigur einer neuen Mitte-Rechts Bewegung werden könnte. Die Zersplitterung der türkischen Parteienlandschaft ist insbesondere auf dem Mitte-Rechts-Flügel des türkischen Parteienspektrums sehr ausgeprägt. Neben der ?Neuen Mitte? AKP, erheben die ?Partei des Rechten Weges? (DYP), die ANAP und viele kleinere Parteien den Anspruch auf die konservative Mitte. Über ein Zusammengehen der DYP und ANAP wurde in den vergangenen Jahren immer wieder nachgedacht, jedoch scheiterte dies meist an dem Widerstand der jeweiligen Parteivorsitzenden. Viele Mitglieder beider Parteien haben ihre politischen Wurzeln in der ?Demokratischen Partei? von Adnan Menderes und der Nachfolgepartei, der ?Gerechtigkeitspartei? (DP) von Süleyman Demirel. Mumcu ist einer Partei beigetreten, die er vor fast drei Jahren verließ. Zuletzt war er stellv. ANAP-Parteivorsitzender und Tourismusminister. Nach den nationalen Parlamentswahlen vom November 2002 war die ANAP mit ca. 5% der Wählerstimmen deut-lich unter der 10%-Sperrklausel geblieben und zum ersten Mal seit ihrer Gründung durch Turgut Özal nach fast 20 Jahren nicht mehr im Parlament vertreten. Die Mutterlandspartei wird Ende April 2005 einen Parteitag durchführen. Politische Beobachter gehen davon aus, dass dann Erkan Mumcu neuer ANAP-Vorsitzender wird. Somit könnte er, ohne eine neue Partei gründen zu müssen, auf die vorhandenen Strukturen der ANAP zurückgreifen. Die Zulassung türkischer Parteien wird von der ?Hohen Wahlkommission? vor nationalen Wahlen im Detail überprüft. So müssen die Parteien in mindestens der Hälfte aller 81 türkischen Provinzen eine regionale Organisation vorweisen. Der Neuaufbau einer landesweiten Parteistruktur ist natürlich weit schwieriger und teurer, als vorhandene Strukturen zu nutzen. Dies war vielleicht auch der Grund, warum Mumcu wieder seiner ?alten? Partei beitrat. Seit seinem Parteiaustritt aus der AKP sind weitere fünf AKP-Parlamentarier (Stand 24. März 2005) aus der AKP ausgetreten, von denen drei zeitgleich mit Mumcu der ANAP beigetreten sind. Nach fast drei Jahren parlamentarischer Abstinenz ist die ANAP nun wieder mit vier Abgeordneten in der Großen Türkischen Nationalversammlung vertreten. Sie hat damit nach geltendem Recht einen Anspruch auf einen nicht unerheblichen Betrag der staatlichen Parteienfinanzierung. Für die ANAP, die in den letzten Jahren erhebliche finanzielle Schwierigkeiten gehabt haben soll, bedeutet dies ein willkommener Geldsegen. Dies könnte für das politische Überleben der Partei kurzfristig wichtiger sein als die wiedererlangte Präsenz im Parlament. Hinter den Kulissen, so wird in den Medien spekuliert, hätten nach den Parteiaustritten aus der regierenden AKP und der Oppositionspartei CHP, die Parteigremien beider Parteien sich darüber geeinigt, in naher Zukunft eine Änderdung des türkischen Parteiengesetzes durchzusetzen. Demnach sollen künftig nur Parteien mit 10 oder mehr Abgeordneten in den Genuss der staatlichen Parteinfinanzierung kommen. Ferner soll eine Kandidatur eines Abgeordneten, der während einer Legislaturperiode die Partei wechselt, für die erste nachfolgende nationale Wahl nicht mehr möglich sein. Eine Reform des türkischen Parteien- und Wahlrechts ist zwar für viele politische Beobachter schon lange dringend erforderlich. Gesetzesänderungen die nur auf den eigenen Machterhalt abzielen, würden aber die innerparteiliche Demokratie schwächen und die Politikverdrossenheit in der Türkei nur verstärken.
Wahl in Nordzypern und EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei
Mit der Annahme des Annan-Plans zur Überwindung der Teilung auf Zypern im Rahmen des Referendums im nördlichen Teil der Insel, wurde zunächst ein großes Hindernis der Türkei auf dem Weg nach Europa aus dem Weg geräumt. Die europäischen Staats- und Regierungschefs machten in ihrer Zustimmung für die EU-Beitrittsverhandlungen am 17. Dezember 2004 aber auch klar, dass vor Beginn der Verhandlungen im Oktober 2005 die Zollunion der Türkei mit den neuen EU-Mitgliedsländern, d.h. auch mit der Republik Zypern, unterschrieben sein muss. Die politische Entwicklung auf Zypern hat daher auch für Ankara eine große politische Bedeutung. Mit dem Wahlsieg am 20. Februar 2005 des bisherigen ?Ministerpräsidenten? - der nur von der Türkei völkerrechtlich anerkannten ?Türkischen Republik Nordzypern? (TRNC) - Mehmet Ali Talat und seiner europaorientierten ?Partei Republikanischer Türken? (CTP) begann eine weitere Etappe auf dem Weg zur Wiedervereinigung der seit 1974 geteilten Inselrepublik. Die Wahlen auf der Mittelmeerinsel waren notwendig geworden, nachdem drei Abgeordnete die Koalition der CTP mit der ?Demokratischen Partei? (DP) Serdar Denktaş? verlassen hatten. Die so entstandene Minderheitsregierung war nicht mehr handlungsfähig. Talat reichte nach erfolglosen Koalitionsgesprächen mit anderen Parteien seinen Rücktritt ein. Nun konnte sich Talat erneut in der Wahl gegen seinen nationalistischen und anti-europäisch gesinnten Gegner Derviş Eroğlu der Partei der ?Nationalen Einheit? (UBP) erfolgreich durchsetzen. Während Talat 44% der Stimmen erreichte, konnte die UBP nur 32% für sich erzielen. Das Ergebnis Talats verbesserte sich damit im Vergleich zur letzten Wahl um 9%. Dies ist nicht nur als eine generelle Zustimmung zu der Politik des ?Ministerpräsidenten? zu werten, sondern zeigt ? wie schon die enorme Zustimmung von 65% des Referendums vom 24. April 2004 über den UN-Plan zur Wiedervereinigung Zyperns ? den Wunsch der türkischen Zyprioten, der EU beizutreten.
Dieses Begehren weiß Talat als versierter Diplomat und Realpolitiker, auf dem internationalen Parkett mit Nachdruck zu vertreten. Dabei macht er sich von den nationalistischen Vorbehalten seiner Amtsvorgänger frei und strebt eine multilaterale Lösung im Rahmen der EU und UN auf internationaler Ebene an. Jedoch konnte Talat nur 24 der 50 Parlamentsmandate gewinnen und verpasste somit knapp die absolute Mehrheit. Eine Fortführung der Koalition mit der Demokratischen Partei, die 13% erreichte und damit sechs Sitze bekam, scheint aber gesichert. Damit könnte jedoch eine Umsetzung des von Talat favorisierten Annan-Plans zur Vereinigung Zyperns gefährdet sein, denn Serdar Denktaş ist ? wie sein Vater der amtierende ?Staatspräsident? der TRNC Rauf Denktaş ? kaum bereit, Konzessionen zur Wiedervereinigung an die griechischen Zyprioten zu machen. Vielmehr wollen beide auch weiterhin eine internationale und völkerrechtliche Anerkennung der Türkischen Republik Nordzypern durchsetzen. Die internationale Bedeutung der Wahl ist deshalb groß. So begrüßte die Europäische Kommission das Ergebnis der Wahl und wertete den Sieg Talats als ein Zeichen der Bereitschaft Nordzyperns, im Rahmen der Vereinten Nationen den Annan-Plan umzusetzen. Bereits vor der Wahl wurde Talat durch den Präsidenten der Europäischen Kommission Jose Manuel Barroso und auch von der amerikanischen Regierung öffentlich unterstützt. In Ankara wurde der Wahlsieg Talats als ein Erfolg der pro-europäischen Kräfte gewertet. Eine Niederlage Talats und seiner Partei hätte eventuell als eine Schwäche des Einflusses der Türkei auf Zypern gedeutet werden können. Doch nun scheint der Ball in der politischen Spielhälfte der griechischen Zyprioten gelandet zu sein. Während diese weiterhin den Annan-Plan und somit einen Beitritt des Nordens in die EU ablehnen und im Europäischen Rat diesbezüglich eine Blockadehaltung einnehmen, werden die Stimmen in der EU lauter, die politische Isolation Nordzyperns und das damit verbundene Embargo aufzuheben oder zumindest zu lockern. Die Europäische Kommission bekräftigte, das schon nach dem Referendum im April 2004 versprochene Finanzpaket von rund 259 Mio. Euro umzusetzen. Damit würde die EU auch auf die Forderungen der türkischen Regierung eingehen und ihren guten Willen gerade zu Beginn der Beitrittsverhandlungen bekunden. Die türkische Regierung ist weiterhin bereit an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Dabei ist sich die Regierung in Ankara durchaus bewusst, dass ein EU-Beitritt der Türkei nicht ohne eine vorherige Lösung der Zypernfrage möglich sein wird. Doch strebt Ankara keine bilaterale Lösung an, sondern möchte im Rahmen der EU und der UN die Zypernfrage klären und dadurch internationales Einvernehmen erreichen. Dabei wird auch zu diskutieren sein, welche Rolle das türkische Militär zukünftig in Zypern spielen wird. Heute sind laut Presseberichten noch etwa 40 000 türkische Soldaten in Nordzypern stationiert. Die Zukunft eines EU-Beitritts der Türkei ist daher auch mit den Entwicklungen auf Zypern verbunden. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Gespräche der beiden Bevölkerungsgruppen entwickeln und welche Auswirkungen sie auf das Verhältnis der Türkei zur EU haben werden. Die nächste wichtige Entscheidung auf Zypern steht schon bald an: die Wahl des ?Staatspräsidenten?. Talat kandidiert und sollte er in der Tat Rauf Denktaş ablösen, könnte dies mittelfristig zu einer Lösung der Zypernfrage führen. Denktaş will nicht wieder für das Amt des ?Staatspräsidenten? kandidieren. Damit würde einer der hartnäckigsten Gegner eines Wiedervereinigungsplans die politische Bühne verlassen. Er hat in einem ausführlichen Zeitungsinterview die Gründe, weshalb er im April 2005 nicht zur Wiederwahl als Staatspräsident zur Verfügung, stehe genannt. Er hätte demnach bisher mit jeder türkischen Regierung harmonisch zusammenarbeiten können. Mit der AKP habe er jedoch nach deren Unterstützung für den Annan-Plan erhebliche Meinungsverschiedenheiten gehabt. Zudem kritisierte er auch die türkischen Medien, die die Zypernfrage mit einer Zensur belegt hätten. Damit glaubten diese wohl, den Weg der Türkei nach Europa zu ebnen. Gerade das Gegenteil sei jedoch eingetreten. Die EU konnte nur deshalb Druck auf die Türkei ausüben, weil die türkische Regierung die Sensibilitäten des nordzypriotischen Volkes nicht verstanden habe. Die Weichen für eine Lösung der Zypernfrage scheinen auf der nordzypriotischen und türkischen Seite gestellt. Nun hängt vieles von dem Verhalten der griechischen Zyprioten ab.
Info-Mail: Aktueller Stand der Sitzverteilung in der Großen türkischen Nationalversammlung (Stand 25. März 2005): AKP 361 Sitze, CHP 168 Sitze, Unabhängige 9 Sitze, DYP 6 Sitze, ANAP 4 Sitze, HYP 1 Sitz. +++ Das Buch Hitlers ?Mein Kampf?, dessen Druck und Verkauf in der Türkei nicht verboten ist, wird auf allen Bestsellerlisten in der Türkei ganz oben geführt. Mittlerweile sollen 13 verschiedene Verlagshäuser das Buch auf den Markt gebracht haben. In den letzten Monaten sollen nach Aussagen von Verlegern 100.000 Exemplare von ?Mein Kampf? landesweit abgesetzt worden sein. Dies ist eine unglaublich hohe Zahl, wenn man bedenkt, dass Romane des erfolgreichsten zeitgenössischen türkischen Schriftstellers Orhan Pamuk in der Erstauflage meist nur in 50.000 Exemplaren gedruckt werden. Politische Beobachter glauben in der Ursachenforschung als erstes den Buchpreis dafür verantwortlich zumachen. Er liegt mit ca. drei Euro weit unter dem normalen Preis für Bücher in der Türkei. Dahinter vermuten einige tiefer gehende Ursachen. Als Reaktion auf die ständigen Zugeständnisse der Regierung an die EU sei ein gewisser Unmut und Ruck nach Rechts auszumachen, der die Menschen zur Lektüre dieses Buches treibe. So sollen insbesondere Türken mit guter Ausbildung, die ein Gefühl des Hintergangenseins verspürten, unter den Lesern sein. +++ Der ?Grüne Mond? und der ?Verein zum Kampf gegen Tabakkonsum? haben gemeinsam auf einer Pressekonferenz Angaben zum Tabakkonsum in der Türkei gemacht. Demnach seien in der Türkei im Jahre 2004 rund 5,5 Mrd. Zigarettenpackungen verkauft worden, was 8,3 Mrd. US-Dollar entspreche. Nach Aussagen beider NRO würden 20-25 Millionen Türken rauchen, 60% der Männer und 20% der Frauen. 13% der Kinder zwischen 7-13 Jahren würden dies ebenfalls tun. Im Jahr 2004 seien an den Folgen des Tabakkonsums 110.000 Türken verstorben und der volkswirtschaftliche Gesamtschaden belaufe sich auf insgesamt 20 Mrd. US-Dollar. +++ Ausländer, die in der Türkei arbeiten wollen, müssen ihren Antrag auf Arbeitserlaubnis seit Oktober 2003 beim türkischen Ministerium für Arbeit und Soziale Sicherheit stellen. Bisher gingen beim Ministerium 15.825 Anträge ein, von denen 2.470 abgelehnt wurden. Mehr als 300 Anträge seien auf Grund von Sicherheitsbedenken nicht genehmigt worden, wobei nach Presseberichten der Verdacht auf Missionarstätigkeit der Grund dafür gewesen sein
soll. +++ Die Lufthansa konnte ihren Umsatz mit Flügen aus und in die Türkei im Jahre 2004 auf 45 Mio. Euro erhöhen. Im vergangenen Jahr habe die Lufthansa 640.000 Fluggäste aus und in die Türkei geflogen. +++ Zur Vorbereitung der am 03. Oktober 2005 beginnenden EU-Beitrittsverhandlungen hat das türkische Landwirtschaftsministerium den ehemaligen stellv. polnischen Landwirtschaftsminister Jerzy Plewa, der auch Polens Verhandlungsführer im Agrarsektor war, wiederholt in die Türkei eingeladen. Der türkische Agrarminister Sami Güçlü hat in einer Pressekonferenz der Landwirtschaft der Türkei und Polens sehr ähnliche Strukturen und Probleme attestiert. Die Türkei wolle von Plewas Erfahrungen lernen und denke eine ähnliche Strategie wie Polen bei den EU-Verhandlungen zu verfolgen. +++ Nach Aussagen der Untersuchungskommission für Finanzverbrechen (MASAK) des türkischen Finanzministeriums sei der Kampf gegen die Geldwäsche in der Türkei nach wie vor sehr problematisch. Zum einen fehle es noch immer an der notwendigen Infrastruktur und auch an den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Zudem gebe es zwischen verschiedenen Einheiten des Finanzministeriums ein Kompetenzgerangel. Ferner würden von Banken und Finanzinstitutionen nur sehr wenige verdächtige Finanztransfers mitgeteilt. Im Jahr 2004 sei die Behörde nur über 283 Vorfälle informiert worden. Die-se Zahl müsste jährlich zwischen 3.000 und 5.000 liegen, zumal in westeuropäischen Staaten jährlich stellenweise bis zu 20.000 Vorfälle den zuständigen Behörden gemeldet würden, so ein Sprecher. +++ Das türkische Justizministerium hat Statistiken zu Strafdelikten vorgelegt. Demnach sind von 67 Millionen türkischen Staatsbürgern acht Millionen, also ca. 11.7%, vorbestraft. Mit Datum vom 31. Oktober 2004 säßen in allen 444 türkischen Straf- und Besserungsanstalten insgesamt 67.633 Häftlinge ein. Das Ministerium bemängelte auch, dass bei den Strafvollzuganstalten ausgebildetes Personal wie Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter fehlten und etwa 2.500 Planstellen unbesetzt seien. Pro Jahr wachse zudem die Zahl der Häftlinge um durchschnittlich 5.000, weshalb die Kapazitäten erhöht werden müssten. +++ Eine Umfrage von Eurobarometer ergab, dass die Mehrheit der Türken ein positives Bild von der EU hat. Während über 60% einen EU-Beitritt befürworten, lehnen diesen nur 12% ab. Von einem Beitritt erhoffen sich die meisten Türken sowohl einen Aufschwung der Wirtschaft als auch Arbeits- und Reisefreiheit innerhalb der EU. Jedoch fühlen sich lediglich 25% der Türken gut über die EU informiert, während 73% angeben, sie haben kein oder nur ein geringes Wissen über die EU. +++
Ankara, den 24. März 2005 Frank Spengler/ Dirk Tröndle
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