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Alt 27.04.2005, 11:24
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Die Dummheit des Nationalismus (2)

Die Türkei ist leider weit davon entfernt, eine ehrliche, selbstkritische und in die Tiefe gehenden Analyse der Kurdenproblematik vorzunehmen. Vielmehr lassen sich die politisch Verantwortlichen in Ankara von nationalistischen Sichtweisen leiten, die in der Vergangenheit mehr als einmal den Horizont des Landes verdüstert haben. Nach wie vor gibt eine inoffizielle, vom bürokratischen Apparat und vom Militär kontrollierte Staatsdoktrin einen festen Rahmen vor, innerhalb dessen die Politik sich zu bewegen hat. Das ist einer Demokratie unwürdig und mit den Maximen einer freiheitlichen Gesellschaft nicht vereinbar. Die Türkei braucht eine dringende und umfassende Revision ihrer Kurdenpolitik - schon im eigenen Interesse: Sollte sich das Land wirklich demokratisieren und den europäischen Normen anpassen, wird sich nicht verhindern lassen, daß auch die Kurden selbstbewußter werden und Forderungen stellen, die heute noch tabu sind.


Angst ist ein schlechter Ratgeber, doch die Türkei baut ihre Außen- und Sicherheitspolitik nach wie vor auf Ängsten auf. Sie folgt damit der Machtlogik von autoritären Systemen, die den eigenen Bürgern nicht vertrauen. Die Kurden in der Türkei müssen endlich anerkannt werden als Volk mit eigener Sprache und Kultur und auch mit einer Leidensgeschichte, deren Aufarbeitung manchen Säulenheiligen der türkischen Republik von seinem Sockel stürzen wird. Eine Gesellschaft, die die dunklen Kapitel ihrer Geschichte ständig verdrängt, wird niemals zivil und demokratisch.


Der in Ankara geborene Schriftsteller und Publizist Zafer Senocak lebt in Berlin und ist derzeit writer in residence am Lafayette College in Easton, Pennsylvania