Einzelnen Beitrag anzeigen
  #1490  
Alt 03.05.2004, 17:23
Benutzerbild von grecos
grecos grecos ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 06.05.2008
Beiträge: 0
Standard sehr interessanter beitrag

Ich denke, dass du in vielen Punkten recht hast, vor allem was die Rolle des Militaers in der Tuerkei angeht. Tatsaechlich, das Militaer sieht sich als Waechter des Erbes von Attatuerk, demnach ist es nur natuerlich, dass es eine starke politische Rolle besitzt. AUch muss man dem Militaer lassen, dass bei allen 3 Staatsstreichen in der tr nachkriegsgeschichte (1960, 1970 und 1980), die militaerische Fuehrung die Macht nur fuer eine kurze Zeit behielt, dann wurde wieder die Demokratie eingesetzt (auch wenn das Militaer weiterhin stark praesent war). So zum Beispiel hat Kenan EVren durch den Einsatz Oezals in die politische Fuehrung der Tuerkei ein GENIALZUG erreicht. Es gibt also keinen Vergleich mit den Afrika-Laendern, wo die Militaers nach einem Staatsstreich die Macht fuer Ewigkeiten behalten. Das tuerkische Militaer hat schon eine verantwortungsbewusstere Haltung.

Die Frage aber bleibt: wuerde das Militaer seine Rolle abgeben muessen, waere die militaerische Fuehrung damit einverstanden? Schliesslich waeren die sogenannten "inneren Bedrohungen" weiterhin da, die Islamisten, die Alewis, die Kurden, die LINKEN, also eine Reihe von "Gefahren" fuer die tuerkische Republik (laut Militaer). Ich frage mich ob das Militaer so etwas akzeptieren wuerde. Auch gibt es eine andere Gefahr: die Militaers geniessen heute in der Tuerkei so viele Privilegien und ein solches Ansehen, GERADE weegen der Rolle des Militaers und auch weil die meisten Tuerken das Gefuehl haben dass sie staendig von aussen (und auch von innen) bedroht sind. Wuerden sie bereit sein, diese Privilegien abzugeben? WUerden sie bereit sein, eine zweitrangige Rolle in der Gesellschaft zu spielen (wie es in Spanien, portugal oder Griechenland der Fall ist, nach 20 Jahren EU-Mitgliedschaft)? Ich weiss nicht ob das so einfach waere, mich wuerde deine Meinung interessieren.

Ich denke nicht dass die EU durch die Integration der tr-Truppen sicherer waere. Die EU hat ohnehin schon jetzt ausserst schlagkraeftige Truppen und das wird heute durch den Mangel an einheitlicher Aussenpolitik verheimlicht. Man braucht nur die franzoesische und die deutsche Truppen zu betrachten um eine Vorstellung der Schlagkraft der EU-Laender zu bekommen, und dabei habe ich gar nicht die Seestreitkraefte der Hollaender, die Luftwaffe der Schweden, die Flugzeugtraeger der Spanier und der Italiener, die Waffenindustrie der Belgier hinzugezaehlt.

Interessanter ist jedoch deine Ansicht ueber das Potential der tr Wirtschaft, wobei ich absolut deiner Meinung bin, auch was die gewuenschten reformen angeht (wie du schreibst). Auch deine Meinung ueber die langsame Angleichung der tr Wirtschaft an das EU-Niveau finde ich sehr realistisch. Nur einen Einwand habe ich: die Zentralasien-Tiger sind doch keine "Tiger", NOCH! Ich denke auch nicht dass sie es so schnell sein werden. Auch hat sich erwiesen, dass die Hoffnung der Tuerkei fuer eine "turkmenische" gemeinschaft unter tuerkische Fuehrung etwas dahergeholt war, und auch aus natuerlichem Grund: diese Laender (Kasachstan, turkmenistan, Uzbekistan, usw) haben ganz andere geopolitische Interessen, andere geographische Lage, andere Bedrohungen und Moeglichkeiten. Es ist kein Wunder, dass 10 jahre nach der Spaltung der Sowjetunion, diese Laender immer noch ihren Blick eher nach Russland lenken als Richtung Tuerkei.
Und weiterhin: wenn ein EU-Land in so einem "Tiger"-Land investieren will, dann braucht es kaum die tuerkische Zwischenrolle. Keiner wird das Geld aus dem Ausland abschlagen.

Ich wuerd mich auf eine Antwort von dir freuen, dein Eintrag war sehr interessant.