Thema: Musik
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Alt 30.04.2004, 14:20
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Standard Beitrag aus Süddeutscher Zeitung

Sänger Cem Karaca geboren am 19. März 1945 in Istanbul, gestorben am 8. Februar 2004 in Istanbul.

Er war der Sohn einer armenischen Christin und eines Muslimen. Seine erste Band waren die Dynamites, dann kam er auf Elvis Presley und schuf die Jaguars.

Von 1967 an schrieb er eigene Songs und wurde ein Mitbegründer des "Anadolu Rock". Diese Bewegung der 70er würzte die anatolische Volksmusik mit Riffs und Rhythmen aus der psychedelischen Rockmusik des Westens.

Zu Beginn seiner Musikerkarriere heuerte Cems Vater junge Leute an, die auf den Konzerten des Sohnes zu buhen hatten. Papa wollte, dass Cem Karaca eine Diplomatenkarriere macht.

Doch der ließ sich nicht entmutigen, sang bei Bands wie Apaslar, Kardaslar, Mogollar und Dervisan, mal poetisch, mal progressiv.

Seine tiefe Stimme verbreitete auch politische Botschaften der 68er - gegen Ungerechtigkeit und die wachsende rechte Gewalt.

Die Spannungen in der Türkei nahmen zu. 1979 floh Karaca nach Deutschland und blieb dort die nächsten acht Jahre im Exil (auch in München).

Die Militärs, die 1980 geputscht und viele Künstler verhaftet hatten, wollten den Musiker vor Gericht stellen. Die Anklage: Er habe mit seinen Liedern zu Terror und Anarchie aufgestachelt. Weil er nicht heimkam, entzogen sie ihm die türkische Staatsbürgerschaft.

Nach einer Intervention des konservativen Premiers Turgut Özal konnte Karaca 1987 in die Türkei zurückkehren und erlebte Anfang der 90er ein Revival.

Er wollte Musik machen für die, "die Fragen stellen", trat oft im Istanbuler Szeneviertel Beyoglu auf und blieb ein Rocker - bärtig und langhaarig, mit Schlapphut, Schlaghosen und dicker brauner Sonnenbrille.

In den letzten Jahren wurde der alte Rebell, der 24 Alben produziert hatte, sanfter und versöhnlicher, sang auch über Themen wie Glauben und Frieden.

Und zeigte offen seine Freude darüber, dass in der Türkei "keiner mehr für seine linken oder rechten Ansichten erschossen wird".

Tausende kamen zu seiner Beerdigung.

Tim Murphy
Süddeutsche Zeitung, 28.2.2004