Französische Revolution
1794 ist Frankreich reich und ruiniert.
1784 unternimmt der französische König Ludwig XIV eine Reise in die Normandie, die für ihn ein einziger Triumphzug wird. In einem kleinen Dorf umklammert eine Frau seine Knie und bricht in Tränen aus, während sie ausruft: „Ich sehe einen guten König, jetzt wünsche ich mir nichts mehr auf dieser Erde!“ Der König zeigt sich gerührt von den Sympathiebekundungen der tausender Menschen. Als er nach der Besichtigung eines Kriegsschiffes von der wartenden Menge mit Beifallsstürmen empfangen wird, ruft er ihr mit Tränen in den Augen zu: „Es lebe mein Volk. Es lebe mein gutes Volk!“
Dieser Monarch war beliebt im Volk. Anders als seine Vorgänger empfand er das pompöse Leben in Versailles mit seiner starren Etikette, seinen Intrigen, sowie die politischen Entscheidungen, die er zu bewerkstelligen hatte, eher als Belastung und sehnte sich nach einem einfachen, zurückgezogenem Leben. Acht Jahre später wird dieser „gute König“ als letzter Monarch der alten Ordnung vor einer großen Menschenmenge in Paris hingerichtet. Die Ereignisse hatten sich überstürzt und den Weg in ein neues Zeitalter gebahnt. Dies galt nicht nur für Frankreich.
Die „gottgewollte“ Ständegesellschaft in Frankreich teilte sich in die drei Gruppen von Adel, Klerus und dem Dritten Stand auf. Verglichen mit dem Jahrhundert zuvor und mit anderen europäischen Staaten war Frankreich ein relativ wohlhabendes Land. Das Erwirtschaftete kam aber nur wenigen zugute. 85% der Gesellschaft wurde durch den dritten Stand gestellt und lebte unter sehr ärmlichen Verhältnissen auf dem Land, zumeist unter Lehnsherrschaft mit den feudalistischen Herrschaftsansprüchen und Bedingungen.
Die Geburt entschied weit gehend darüber, zu welchem Stand man gehörte. Die Mehrheit des Volkes zweifelte nicht daran, daß diese Ordnung, das Ancien regime (franz. Alte Herrschaft), gottgewollt war.
Der Klerus hatte neben der Seelsorge der Menschen zu gläubigen Untertanen zu erziehen und führte daher die Aufsicht an Universitäten, Oberschulen und zahlreichen Dorfschulen. Die Lebensverhältnisse innerhalb des geistlichen Standes waren nicht einheitlich: Während die Bischöfe, die Äbte der reichen Klöster und die Chorherren der Domkapitel fast alle aus reichen Adelsfamilien stammten, kamen die einfachen Pfarrer mehrheitlich aus Bauern- und Handwerkerfamilien. Auch als Pfarrer verbesserte sich ihr Lebensstandard nicht wesentlich. Das höchste Amt bildete das Papsttum, das auch über ein beträchtliches Vermögen verfügte.
Naturkatastrophen, Temperaturschwankungen und Hagelunwetter führten in der zweiten Hälfte des 18.Jhd zu Mißernten. Viehseuchen kamen dazu. Infolgedessen stiegen die die Fleisch- und Getreidepreise 1780 bis zu 60 Prozent, die Inflation war immens. Ein Handelsvertrag, durch den billige britische Waren ungehindert in das Land kommen konnten, verschärfte 1786/87 die wirtschaftliche Not der Handwerkerfamilien.
Der Staat stand dieser Krisensituation ein schwacher und heruntergewirtschafteter Staat machtlos gegenüber. Das Hofleben in Versailles und die Kriege der französischen Könige in Deutschland und Amerika hatten die Staatsschulden so in die Höhe getrieben, daß mit den herkömmlichen Mitteln und Steuern der Bankrott nicht mehr aufzuhalten war. Also wagte sich Ludwig XIV auf Anraten seines Finanzministers an „Heiligtum“: Die Steuerfreiheit der ersten beiden Stände. Natürlich wehrten sich Adel und Klerus eines der wichtigsten Privilegien aufzugeben, sodaß sie an der Notlage des Königs eher eine gute Gelegenheit sahen, die Macht des Monarchen wieder einzuschränken. Gemeinsam mit dem Bürgertum forderten sie eine Einberufung der Generalstände…
Diese traditionelle Versammlung war seit knapp 200 Jahren nicht mehr in Erscheinung getreten. Seit 1615 fühlten sich die französischen Könige mächtig genug, unabhängig vom Rat der Stände zu regieren. Dem machte sich Ludwig XIV auch geltend, jedoch willigte er in Anbetracht der Notlage dann ein. Zunächst mußten neue Vertreter der Stände gewählt werden. Überall in Frankreich fanden Wahlen statt, in denen zum ersten Mal alle männlichen Franzosen über 25 Jahren wahlberechtigt waren. Bei der Wahlversammlung wurden Beschwerdehefte mit Klagen, Vorschlägen und Forderungen an den König verfaßt; schreibkundige Bürger schrieben sie für die Bauern auf. Diese Hefte gaben uns heute Aufschluß über die Stimmung am Vorabend einer Revolution.
|