Eine zweite, längere Geschichte von Alexander den Großen
Zur Zeit Alexanders des Großen lebte ein Mystiker namens Dandamis. Als Alexander zu einem Feldzug nach Indien aufbrach, baten ihn sein Freunde auf dem Rückweg einen Sannyasin mitzubringen, denn diese seltene Blume blüht nur in Indien. Sie sagten: Wir möchten gerne mehr über dieses Phänomen Sannyas erfahren - was das ist und was genau ein Sannyasin ist.
Alexander war so mit Kriegsführung und Kämpfen beschäftigt, dass er ihren Wunsch beinahe vergessen hätte. Erst beim Rückzug an der indischen Grenze erinnerte er sich wieder daran. Als sie gerade das letzte Dorf verlassen wollten, befahl er seinen Soldaten, nachzuforschen, ob irgendwo in der Gegend ein Sannyasin lebte. Zufällig hielt sich Dandamis in diesem Augenblick in dem Dorf auf, unten am Flussufer, und die Leute sagten: Ihr seid zur richtigen Zeit gekommen. Sannyasins gibt es viele, aber einen wirklichen Sannyasin findet man selten. Und so einer ist gerade hier. Ihr könnt bei ihm Darshan nehmen, ihr könnt ihn aufsuchen.
Alexander lachte. Er sagte: Ich bin nicht gekommen, um Darshan zu nehmen. Meine Soldaten werden ihn herbringen. Ich will ihn in meine Heimat mitnehmen.
Das wird nicht so einfach sein, meinten die Dorfbewohner. Alexander verstand sie nicht - was sollte daran schwierig sein? Welche Schwierigkeiten sollte ihm, der schon Kaiser und Könige besigt hatte, ein Bettler, ein Sannyasin bereiten? Also gingen seine Soldaten zu diesem Dandamis. Er stand nackt am Ufer des Flusses. Sie sagten: Alexander der Große lädt dich ein, ihn in sein Land zu begleiten. Für jeden Komfort ist gesorgt, du bekommst alles was du dir wünschst. Du wirst ein königlicher Gast sein.
Der nackte Fakir lachte und sagte: Geht und sagt eurem Herrn, ein Mann, der sich groß nennt, kann nicht wirklich groß sein. Außerdem kann niemand mich irgendwohin bringen. Sannyasins leben wie Wolken in völliger Freiheit. Mich kann niemand versklaven.
Sie erwiderten: Du hast sicher schon gehört, was für ein gefährlicher Mann Alexander ist. Wenn du nein sagst, wird er nichts darauf geben, sondern dir einfach den Kopf abschlagen.
Schließlich musste Alexander selbst zu ihm hingehen, denn die Soldaten hatten ihm berichtet: Er ist ein außergewöhnlicher Mensch. Ein Leuchten umgibt ihn, etwas völlig Unbekanntes. Und obwohl er nackt lebt, hat man in seiner Gegenwart nicht das Gefühl, dass er nackt ist. Erst später fällt es einem wieder ein. Er strahlt eine solche Kraft aus, dass man in seiner Gegenwart die ganze Welt vergisst. Ein Magnetismus und eine große Stille umgeben ihn. Seine ganze Umgebung fühlt sich an, als hätte sie ihre Freund e an diesem Mann. Er ist wirklich bemerkenswert. Aber er macht es sich nicht einfach. Er sagt, niemand könne ihn irgendwohin bringen und er sei niemandes Sklave.
Alexander kam mit gezücktem Schwert. Dandamis lachte und sagte: Stecke dein Schwert weg, es ist nutzlos hier; stecke es zurück in die Scheide. Es nützt dir nichts weil du nur meinen Körper töten kannst, und den habe ich schon lange verlassen. Mich kann dein Schwert nicht töten. Also stecke es weg und sei nicht kindisch.
Und man berichtet, das sei das erste Mal gewesen, dass Alexander den Anweisungen eines anderen folgte. Die reine Präsenz dieses Mannes ließ ihn vergessen, wer er war. Er steckte sein Schwert ein und erklärte: Noch nie bin ich einem so wunderbaren Menschen begegnet.
Und als er ins Lager zurückkehrte meinte er: Es ist schwierig, einen Menschen zu töten, der bereit ist zu sterben; es ergibt keinen Sinn. Man kann jemanden töten, der kämpft, aber einen Mann, der einverstanden ist und sagt: Hier ist mein Kopf, du kannst ihn abschlagen, kann man nicht töten.
Und genau das hatte Dandamis gesagt: Hier ist mein Kopf, du kannst ihn ruhig abschlagen. Wenn der Kopf ab ist, wirst du ihn in den Sand fallen sehen. Und ich werde ihn ebenso in den Sand fallen sehen, denn ich bin nicht mein Körper. Ich bin ein Beobachter.
Zu Hause musste Alexander seinen Freunden berichten: Es gab Sannyanis, die ich hätte mitbringen können, aber die waren keine richtigen Sannyasins. Dann begegnete ich einem Mann, der wirklich außergewöhnlich war. Ihr habt recht gehört, ein Sannyasin ist wirklich eine seltene Blume. Aber man kann ihn zu nichts zwingen, denn er hat keine Angst vor dem Tod. Wie kann man jemanden zu etwas zwingen, der keine Angst vor dem Tod hat?
Es ist die Angst, die dich zum Sklaven macht - reine Angst. Wenn du furchtlos bist, bist du kein Sklave mehr. Und deine Angst zwingt dich auch dazu, andere zu Sklaven zu machen, bevor sie dich versklaven können. Ein furchtloser Mensch hat weder vor jemanden Angst noch macht er anderen Angst. Die Angst verschwindet vollständig.
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