Malatya:Kirchen sprechen von "Hexenjagd"
Kirchen sprechen von "Hexenjagd"
Am Tag nach der Ermordung von zwei türkischen Mitarbeitern und eines deutschen eines christlichen Verlages hat die Polizei in Malatya weitere Verdächtige festgenommen, die oiffenbar national-religiösen Kreisen angehören. Vertreter christlicher Kirchen in der Türkei richteten derweil schwere Vorwürfe an die Behörden.
Von Ulrich Pick, ARD-Hörfunkstudio Istanbul
Einen Tag nach der Ermordung von drei Christen in der ostanatolischen Stadt Malatya haben Vertreter der protestantischen Kirchen in der Türkei schwere Vorwürfe erhoben. Auf einer Pressekonferenz bezichtigten sie den Staat, die Parteien sowie die Medien, eine Atmosphäre des Hasses gegen Christen zu schüren. So sagte der Präsident des Bundes der Protestantischen Kirchen der Türkei: "Christen werden als potentielle Kriminelle, Separatisten und Landesverräter dargestellt. Einige Politiker und Medien stellen die Christen feindselig ins Zielvisier und hetzen die Bevölkerung auf. Missionar sein heißt nichts anderes, als unseren Glauben vorstellen zu wollen. Wir als Christen dieses Landes haben im Rahmen der Rechte und Freiheiten, die uns die Verfassung gewährt, das Recht unseren Glauben zu praktizieren und zu verbreiten."
Der Vorsitzende des Vereins protestantischer Freikirchen in Ankara, Ihsan Özbek, sprach von einer Hexenjagd und mittelalterlichen Verhältnissen. In der Türkei sei seit langem eine Saat der Intoleranz, des Rassismus und der Christenfeindlichkeit gestreut worden, die jetzt aufgehe, sagte er wörtlich. Auf die Frage eines anwesenden Journalisten, was der ermordete Deutsche Tilmann G. in Malatya zu suchen gehabt habe und ob er irgendwo offiziell angemeldet gewesen sei, entgegnete Özbek: "Es ist eine Unverschämtheit, danach zu fragen, was Tilman G. in Malatya zu suchen hatte. Wenn wir behaupten, dass die Türkei ein demokratisches und laizistisches Land ist - was habe dann ich in Malatya zu suchen? Was haben Sie in Malatya zu suchen?"
"Für das Vaterland und unseren Glauben"Die Polizei hatte in Malatya über die Festnahme von fünf weiteren Männern berichtet. Sie sollen - ebenso wie die fünf bereits zuvor Verhafteten - zwischen 19 und 20 Jahre alt sein, aus den selben religiös-nationalistischen Kreisen kommen. Dies legen die bisherigen Aussagen nahe. Denn die mutmaßlichen Mörder sagten Sätze wie: "Wir haben dies für das Vaterland und unseren Glauben getan" und "Den Feinden des Glaubens möge dies eine Lehre sein."
Empörung in der Türkei nach Morden an Christen
Nach dem Attentat auf Mitarbeiter eines christlichen Verlags in Ostanatolien hat die türkische Polizei zehn Verdächtige festgenommen. Nach ersten Informationen handelten die Männer aus religiösen und nationalistischen Motiven. Türkische Politiker sehen das Ansehen ihres Landes beschädigt. Das Attentat in der türkischen Stadt Malatya war die vierte Gewalttat gegen Christen binnen 14 Monaten.
Einen Tag nach den Morden an drei Christen im ostanatolischen Malatya hat die örtliche Polizei fünf weitere Verdächtige festgenommen. Die Männer sind Anfang zwanzig und sollen aus demselben Umfeld kommen wie die fünf bereits gestern Verhafteten, nämlich aus religiös-nationalistischen Kreisen. Dies legen die bisherigen Aussagen nahe. Denn die mutmaßlichen Mörder sagten Sätze wie: "Wir haben dies für das Vaterland und unseren Glauben getan" und "Den Feinden des Glaubens möge dies eine Lehre sein."
Gül: Großer Schaden für das Image der Türkei
Nach Angaben von Außenminister Abdullah Gül wird zurzeit das gesamte Umfeld der Festgenommenen durchleuchtet: "Wir verurteilen diese abscheuliche Tat. Noch ist unklar, ob die Täter Kontakte zu Hintermännern haben - das ist nämlich möglich. All das wird ermittelt", sagte Gül. "Diese Tat betrübt uns zutiefst. Nicht zuletzt auch deswegen, weil das Image unseres Landes dadurch großen Schaden nimmt. Vor einiger Zeit hat es ein paar ähnliche Gewalttaten gegeben. Deswegen machen wir uns Sorgen und stellen fest, wir müssen umfassendere Maßnahmen ergreifen."
"Kollektive Verantwortung der Türkei"
Weite Teile der türkischen Öffentlichkeit haben mit Empörung auf die Morde in Malatya reagiert. So demonstrierten in Istanbul mehrere hundert Menschen gegen die Bluttat. Sie hielten Schilder der Solidarität mit den Opfern hoch, auf denen stand: "Wir alle sind Christen." Im Gespräch ist auch eine Solidaritätsaktion in Malatya.
Auch die Kommentare der Zeitungen sprechen deutliche Worte. So heißt es in der "Hürriyet": "Was gestern in Malatya vorgefallen ist, liegt in der kollektiven Verantwortung der Türkei. Diesen Mord hätte in Malatya jeder voraussagen können. Immer wieder gab es Kampagnen gegen einige wenige, die Bibeln verteilen oder klitzekleine Gemeinden, die sich in provisorischen Kirchen versammeln. In diese Kampagnen sind nicht nur Islamisten verwickelt gewesen, sondern auch Politiker, die sich seit Jahrzehnten als Sozialdemokraten oder Linksnationale verstehen. Sie und ihre Hetzparolen, in denen sie über eine Missionierung in der Türkei sprechen. Das Ereignis in Malatya ist leider ein Nebenprodukt unserer kollektiven Ignoranz."
Quelle:
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Vierte" target="_blank">http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID6637972_TYP_THE_NAV_REF3,00.html
Vierte</a> Gewalttat gegen Christen binnen 14 Monaten
Bei dem Anschlag auf das christliche Verlagshaus wurden gestern zwei Türken sowie ein Deutscher umgebracht. Bei dem Deutschen handelt es sich um einen 46-Jährigen mit Namen Tilmann G., der für eine Beraterfirma als Übersetzer gearbeitet hat. Das Attentat in der ostanatolischen Stadt ist die vierte Gewalttat gegen Christen binnen 14 Monaten. So wurde im Februar 2006 in der Schwarzmeerstadt Trabzon ein italienischer Geistlicher umgebracht, kurze Zeit später in Samsun, das ebenfalls am Schwarzen Meer liegt, ein französischer Priester durch Messerstiche schwer verletzt. Zudem wurde im Januar diesen Jahres der armenisch-türkische Journalist Hrant Dink in Istanbul auf offener Straße umgebracht. Dink stammt aus Malatya, in dessen Umgebung früher zahlreiche christliche Armenier lebten.
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