Interview mit Erdogan in der SZ:
(Persönlich finde ich teilweise die Antworten von Erdogan befremdend, arrogant und peinlich - meine subjektive Meinung.)
17.04.2007 10:22 Uhr
Erdogan im Süddeutsche Zeitung-Gespräch
"Wir hoffen auf Fairness"
Der türkische Premier Erdogan spricht über den Zypernkonflikt und den möglichen EU-Beitritt seines Landes. Und er sagt, was er von einer Frauenquote im Parlament in Ankara hält.
Interview: Kai Strittmatter
"Wir hatten gehofft, dass Deutschland mehr Druck für uns macht": der türkische Premierminister Tayyip Erdogan.
Foto: Reuters
Der 1954 geborene Recep Tayyip Erdogan ist seit 2003 Premier der Türkei. Er ist Vorsitzender der AKP, die ihre Wurzeln im islamischen Milieu hat, seit der Machtübernahme aber eine Europa- und wirtschaftsfreundliche Politik macht. Kai Strittmatter traf den Premier in Hannover.
SZ: Herr Ministerpräsident, Sie klangen versöhnlicher nach Ihrem Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel.
Erdogan: Wir sind mit niemandem auf Kriegsfuß.
SZ: Waren Sie nie von Deutschland enttäuscht in den letzten Monaten?
Erdogan: Das kann ich leider nicht sagen. Vor allem im Dezember, da hatten wir uns erhofft, dass Deutschland mehr Druck macht für uns. Wir wissen doch alle, dass Nordzypern nicht fair behandelt worden ist. Im April 2004, bei dem Referendum auf Zypern, hat Nordzypern dem zugestimmt, was die EU wollte. Und trotzdem wurde Nordzypern bestraft, während Südzypern belohnt wurde. Altbundeskanzler Schröder weiß das, er hat das in seinen Memoiren beschrieben.
SZ: Sie haben den Wunsch nach einem Zeitplan für die EU-Verhandlungen geäußert. Wie hat Merkel reagiert?
Erdogan: Ich habe es ihr gesagt. Sie hat dazu keine Stellung genommen. Natürlich werden wir das von jetzt an verfolgen. Wir sollten ein Ziel setzen, das kann 2013, 2014 oder 2015 sein. Das macht für beide Seiten die Arbeit viel leichter. Dann hat man ein Programm und einen Plan. Wir wissen, es ist ein langwieriger und schwieriger Weg, aber wir hoffen auf Ehrlichkeit und Fairness.
SZ: Heißt das, Sie spüren keine Fairness im Moment?
Erdogan: Natürlich nicht. Glauben Sie, dass das Einfrieren von acht Kapiteln fair ist? Was haben wir falsch gemacht? Das Einzige was uns gesagt wird, ist: Ihr haltet euch nicht an das Ankara-Abkommen? Dieses Abkommen aber wurde von uns unterzeichnet in der Annahme, auch die EU werde sich an ihre Abmachungen bezüglich Nordzypern halten. Das hat sie nicht.
» Ein Großteil der Medien ist nicht ehrlich in der Sache. «
SZ: Die EU hat auch ihre Erwartungen an Sie. Warum tut sich Ihr Land so schwer mit politischen Reformen in der letzten Zeit? Warum wird der Paragraph 301, der die ,,Verunglimpfung des Türkentums‘‘ unter Strafe stellt, nicht reformiert?
Erdogan: Die Türkei hat kein Problem mit dem Paragraphen 301.
SZ: Nach dem Mord an dem armenisch-stämmigen Journalisten Hrant Dink haben viele gesagt, es waren der Paragraph und die Prozesse, die ihn zur Zielscheibe der Nationalisten gemacht haben.
Erdogan: Der Paragraph 301 unterscheidet sich nicht so sehr von Paragraphen in manchen EU-Ländern. Wir haben ihn damals bei der Reform unserer Strafgesetze der EU-Kommission vorgelegt, niemand hat uns gesagt: Das ist ein Fehler, nehmt das raus. Ein Großteil der Medien ist nicht ehrlich in der Sache. Ich bin einmal ins Gefängnis gekommen, weil ich ein Gedicht vorgelesen habe. Weder die türkischen noch die westlichen Medien haben mich verteidigt. Dabei stand das Gedicht in Büchern des Erziehungsministeriums. Wo waren all diese Freiheitskämpfer?
SZ: Aber eine Ungerechtigkeit rechtfertigt nicht eine andere. Wäre das nicht ein Grund mehr, Paragraphen zu reformieren, die die Meinungsfreiheit einschränken?
Erdogan: Der Fall Hrant Dink hat nichts mit dem Paragraph 301 zu tun. Wir haben binnen 32 Stunden die Mörder gefunden. Wir untersuchen den Mord weiter. Das sollte zeigen, wie sehr wir dahinter her sind.
SZ: In Deutschland musste noch kein Literaturnobelpreisträger vor Gericht erscheinen wegen seiner Meinung.
Erdogan: Sie spielen auf Orhan Pamuk an? Er wurde nie vor Gericht gestellt, es gab nur eine Anhörung. Wenn er sagen würde, es gab keinen armenischen Völkermord, dann dürfte er nicht nach Frankreich reisen. Ist das Meinungsfreiheit?
SZ: Frankreich debattiert seit Monaten über seine Präsidentschaftskandidaten. In der Türkei wird in zwei Wochen gewählt und kein Mensch weiß, wer antritt.
Erdogan: Das ist doch schön so.
SZ: Darf das Volk nicht diskutieren?
Erdogan: In der Türkei wählt das Parlament den Präsidenten. Außerdem diskutiert das Volk doch.
SZ: Nur über einen einzigen Namen: Tritt Erdogan an oder nicht? Die Presse diskutiert Ihre Körpersprache: ,,Erdogan bewegt sich schon wie ein Präsident.‘‘
Erdogan: Wie schön. Sende ich solche Signale aus?
SZ: Warum ist in manchen Kreisen die Furcht vor Ihnen so groß?
Erdogan: Das Problem ist, dass einige Leute daran gewöhnt waren, Staat und Land zu regieren. Die haben nun Angst, das zu verlieren. Sie instrumentalisieren die Furcht einiger.
SZ: Ihre Gegner behaupten, es drohe eine Islamisierung der Türkei.
Erdogan: Fragen Sie diese Leute doch mal: Haben wir irgendetwas geändert in den letzten vier Jahren? Essen sie heute etwas anderes als vor vier Jahren, ziehen sie sich anders an? Im Gegenteil. Ich bin der Premier, und diese Leute wollen meiner Frau vorschreiben, sie solle ihr Kopftuch ablegen. In der Türkei ist es so: Bislang versuchte die Minderheit, die Mehrheit zu regieren. In der Demokratie aber gilt: Die Regierung muss beim Volk sein, nicht bei der Elite.
SZ: Viele prominente Türkinnen haben sich einen Schnurrbart angeklebt, um gegen die niedrige Zahl von Frauen im Parlament zu protestieren. Braucht die Türkei ...
Erdogan: ... mehr schnurrbärtige Frauen?
» Ich bin gegen Quoten. Das ist eine Beleidigung der Frauen. «
SZ: Eine Frauenquote?
Erdogan: Ich bin gegen Quoten. Das ist eine Beleidigung der Frauen. Was bedeutet eine Quote? Die Frauen nehmen nur das, was der Mann ihnen gibt. Wir müssen aber das Ganze öffnen. Wir müssen die Vorurteile loswerden. Das gilt übrigens auch für Länder wie Deutschland und ihren Blick auf die Türkei.
SZ: Warum ist die Türkei so schlecht in der Eigen-PR?
Erdogan: Wir sind Muslime. Da können Sie in Europa PR machen so viel Sie wollen, da haben Sie es besonders schwer.
Quelle:
<a href="redirect.jsp?url=http://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/348/110238/
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