2.Teil
Islamkritik
Papst-Rede fordert islamische Reformer heraus (2)
Muslimische Reform-Theologen widersprechen dieser Haltung (die auch dem klassischen sunnitischen Dogma entspricht, Schiiten hingegen sehen den Koran als interpretationsbedürftig an). Sie sagen, man könne den Koran in zwei Kategorien von Aussagen teilen: Jene, die eher kosmologischer Natur sind, und jene, die in der Zeit entstanden, als Mohammed der Herrscher Medinas war. Solche Suren enthalten politische und juristische Sentenzen, die den Reformern zufolge heute so nicht mehr angewendet werden können.
Ein Land, in dem der sunnitische Islam dieser Richtlinie folgt, ist seit langem die Türkei. Ali Bardakoglu, Leiter der türkischen Religionsbehörde Diyanet, sagte der WELT, Suren wie die Neunte, Vers 5 dürften nur im "historischen Kontext gesehen werden. Jede Sure ist auf ein Ereignis hin offenbart worden, um eine bestimmte Idee zu verdeutlichen". Das sei im Fall dieser Sure das Prinzip der Selbstverteidigung, wenn Muslime angegriffen würden.
Selbst eine solche Auslegung bleibt problematisch. Was stellt einen Angriff auf Muslime dar? Schon die bloße Existenz Israels? Bardakoglu sagt auch, der Dschihad (Heiliger Krieg) sei legitim, wenn Ungläubige die "natürliche Ausweitung des Islam verhindern." Diese natürliche Ausweitung soll durch Rede und Vernunft erfolgen, durch Missionierung also - aber umgekehrt dulden die meisten muslimischen Länder keine Missionierung durch Christen.
Vielleicht hat der Papst die Debatte in der islamischen Welt mit seiner Rede beschleunigt.
Artikel erschienen am 18.09.2006
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