Geduld haben Nr.2
Im Grunde genommen ist die Sache sehr simpel: seitdem die Tuerkei ernsthaft versucht in die EU reinzukommen gibt es eine staendige Verbesserung des Lebensstandards im Land, und dabei ist nicht nur die Wirtschaft gemeint. Die Pressefreiheit, die heute fuer die meisten Tuerken eine Selbstverstaendlichkeit ist war bis vor ca 20 Jahren nicht garantiert (auch wenn es dort noch viel zu tun gibt). Bis vor 7-8 Jahren wurden in Sivas Alewiten verbrannt, ohne polizeilichen Eingriff.Bis vor auch 8 Jahren konnte man einen Buergermeister einer Stadt ins Gefaengniss stecken, weil er ein Gedicht zittierte, das ANGEBLICH den Laizismus in Frage stellte. Diese Sachen sind heute nicht mehr selbstverstaendlich in der Tuerkei, obwohl da immer noch immenser Verbesserungsbedarf existiert. Aber einiges HAT SICH ZUMINDEST GEAENDERT!! Und das weil man in die EU reinwill.
Auch die Wirtschaftskreise haben an Macht gewonnen. Das war natuerlich ein verdienst von Oezal, der mit allen Kraeften die wirtschaftlichen Kreise unterstuetzte, trotz des Widerstandes des Militaers. Dass die Wirtschaftskreisen an Macht gewonnen haben ist von Vorteil, denn sie sind die einzigen die das Machtmonopol der Armee und -vor allem- des Staatsmechanismus anzweifeln koennen. Trotz der Tatsache dass die Wirtschaft mit der Armee einen stillschweigenden Pakt geschlossen haben (um die jeweiligen interessen zu beschuetzen: einerseits keine Gewerkschaften, also keine Streiks, andererseits bleibt die Wirtschaft dem Kemalismus treu, was die Armee vor allem erreichen will), sind sie nicht ueberall einer Meinung, und das bekommt man ziemlich oft zu spueren. Und -interessanterweise- ist die Wirtschaft der einzeige bereich deren Verstaerkung die Armee toleriert, wenn auch zaehneknirschend: schliesslich ist die tuerkische Wirtschaft (im Moment) mit ihrer Dynamik die EINZIGE Werbung der Tuerkei fuer einen EU-Beitritt. Und obwohl die Militaers sich nicht sicher sind ob der EU-Beitritt von Vorteil fuer die Tuerkei ist (oder fuer sich selbst: schliesslich wuerde dann die Rolle der Armee an bedeutung verlieren), sind sie sich dessen bewusst, dass es keine andere Alternative gibt.
Der Staatsmechanismus natuerlich sieht die Sache ganz anders, und da wird es auch die meisten Probleme geben, dazu aber ein anderes Mal.
Die Tuerkei hat das Zeug eins der staerksten Laender in Europa zu sein, aber das ist viel schwerer zu erreichen als man sich vorstellt. Dafuer muesste eine komplette Umorientierung der tuerkischen Gesellschaft erfolgen, und das ist unheimlich schwierig, ich glaube sogar unmoeglich. Ich weiss jedoch nur eins: dass der EU-Beitritt der Tuerkei ein MUSS fuer das Land ist, das sollte jedem klar sein. Nicht nur wegen der Subventionen, sondern vielmehr wegen der Aenderungen in der Denkweise der Menschen. Und wenn ihr das nicht glauben wollt, dann guckt Laender wie Griechenland, Spanien und Portugal, wie diese Laender vor 20 jahren waren, und wie sie heute sind, vor allem in der DENKWEISE.
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