Pläne Russlands
Gust, W., Der Völkermord an den Armeniern, Die Tragödie des ältesten Christenvolkes der Welt, München/Wien 1993, S. 177-180
<... Am 8. Juni 1913 legte der russische Botschafter seinen europäischen Kollegen die Reformvorschläge vor. Seine Realisierung würde "aus der Hälfte Anatoliens ein mit der Türkei nur noch lose verbundenes Armenien schaffen", kommentierte Wangenheim die Vorschläge: "Es wäre der Beginn der Aufteilung." Der deutsche Diplomat nahm besonders daran Anstoß, daß die Armenier über ein zusammenhängendes Verwaltungsgebiet verfügen sollten, das sich leicht mit russischer Hilfe als Staat konstituieren könne... Rußland, davon war Wangenheim überzeugt, wolle sich über die Reformen nur den Weg zum Mittelmeer ebnen. "Russland will die Autonomie Armeniens", kabelte der deutsche Botschafter am 1. August 1913 an seinen Kanzler, "die Reformen sind der russischen Politik an sich gleichgültig. Die Autonomie ist gedacht als ein Schritt auf dem Wege nach Konstantinopel." Rußland, so Wangenheims immer wiederkehrende Behauptung, würde Unruhen in Armenien anzetteln und diese sodann als Grund zum Eingreifen nehmen. In seinen Verdächtigungen stärkte ihn sein Kollege in Petersburg, Friedrich Graf von Pourtalès. "Im Falle ernstlicher Unruhen", habe diesem der russische Außenminister Sergej Sasonow zur Armenienfrage gesagt, "würde Rußland aus Gründen der Selbsterhaltung gezwungen sein einzuschreiten.">
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