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Alt 07.04.2010, 09:07
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Kant - Zauber der Vernunft

Also: Der Mann ist radikal, ein Aufsteiger aus dem Kleinbürgertum, kränklich, flachbrüstig, ein Genie. Aber ist er auch sympathisch? "Oh ja, Kant ist was fürs Herz", sagt Volker Gerhardt entschieden. Über Kant privat ist viel gelästert worden. "Die Lebensgeschichte des Immanuel Kant ist schwer zu beschreiben, denn er hatte weder Leben noch Geschichte", ätzte Heinrich Heine. Dabei hatte Kant durchaus ein dramatisches Leben. Allerdings im Kopf. Verheiratet war er nie, und vermutlich ist er jungfräulich gestorben. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Kant je eine unbekleidete Frau gesehen hat. Als ich die Frauen brauchte, konnte ich sie mir nicht leisten, und als ich sie mir leisten konnte, brauchte ich sie nicht mehr, soll er in seinen späteren Jahren gesagt haben.

Schon früh schrieb er: "Ich habe mir die Bahn vorgezeichnet, die ich halten will. Ich werde meinen Lauf antreten, und nichts soll mich hindern, ihn fortzusetzen." Erstaunliche Sätze für einen mittellosen 22-Jährigen. Und so unendlich vernünftig. Da der Vater, ein Königsberger Riemermeister, zwar viele Kinder, aber kein Erbe hinterlassen hatte, beschloss der Sohn, sich eine Verfassung zu geben, und die hieß: keine Experimente. Kant hatte nie Sehnsucht nach Abenteuer, Grenzerfahrung, Absturz. Keine Sucht, die er sich erlaubt hätte. Keine Affäre, die ihn an den Rand des Abgrunds getrieben hätte. Ehepaaren gestand er selbstverständlich "den wechselseitigen Genuss der Geschlechtsteile" zu. Er selbst aber fürchtete offenbar, die Kontrolle zu verlieren über die "Hunde im Souterrain" (Thomas Mann). Und so blieb Kant keusch. Erst aus Not. Dann aus Neigung.

Das war höchst attraktiv für die Königsberger Damen, die dem "eleganten Magister", der er inzwischen geworden war, nachstellten. Denn Kant, der Partylöwe, der charmante Dandy, galt als VIP in den Salons. Klein, ein bisschen verwachsen, Professor, berühmt, mit wachen blauen Augen und schnellem Witz, die Damen charmierend, aber jeden sexuellen Vollzug vermeidend; kein nackter männlicher Waschbrettbauch kann so erotisch sein wie die Kunst der Verweigerung bei Kant. Dem Nachwuchs riet er, von Quickys abzusehen. "Junger Mann! Dieses Kargen mit der Barschaft deines Lebensgefühls macht dich durch den Aufschub des Genusses wirklich reicher." Nein, homosexuell war er nicht.

http://www.deutschesprache.ru/forum/...try.php?id=158

Geändert von outoforder (07.04.2010 um 09:09 Uhr).