aber vielleicht hilft ja das:
Die Traumschule
Deutsch-türkische Bildungsbürger gründen Privatgymnasien und Internate für ihre Kinder. Vom deutschen Schulsystem sind sie enttäuscht.
Alp Sarac schüttelt den Kopf. »Sie meinen doch nicht im Ernst, dass wir die Pisa-Studie brauchten, um zu merken, dass es ein Problem gibt.« Der ernsthaft dreinblickende Diplom-Kaufmann rückt seine Brille zurecht: »Natürlich wissen wir, dass türkischstämmige Kinder besondere Schwierigkeiten im deutschen Schulsystem haben. Ich habe das doch selbst durchgemacht.« Alp Sarac will, dass es seinen Kindern besser geht, und wenn Alp Sarac etwas will, dann lässt er nicht locker, und so wird zum neuen Schuljahr in Köln das Privatgymnasium des Dialog Bildungsvereins eröffnet. Er sitzt am Kopf des Konferenztisches, strahlt und hört zu. Lehrerkonferenz. Die letzten Details für den Schulstart werden besprochen. Es ist ein buntes Kollegium: Eine kommt direkt von der Uni, ihr Sitznachbar hat zuvor Berufsschüler unterrichtet. Andere haben Gymnasialerfahrung. Es ist im Moment nicht einfach, Lehrer anzuwerben. Dafür ist der Arbeitsmarkt zu gut, und dann: Was für ein Abenteuer! Hier entsteht eine Schule für türkische Gymnasiasten in Deutschland.
»Unsere Kinder sollen in dieser Gesellschaft Erfolg haben«
Eine Schule für das türkische Bildungsbürgertum, das will, dass sich seine Kinder integrieren, und von dem Bildungssystem à la Rütli-Schule die Nase voll hat. Kurz gesagt: Eine Traumschule soll es werden. Engagierte Lehrer. Kleine Klassen. Sprachförderung, denn selbst in der zweiten und dritten Generation haben Kinder türkischer Eltern da oft Probleme. Gestresste Lehrer halten solche Kinder wegen ihrer mangelnden Ausdrucksfähigkeit oft für weniger intelligent. Türkischstämmige Abiturienten beschreiben das Gefühl, dass die Lehrer ihnen nichts zutrauen, weil ihre Eltern in der Fabrik arbeiten, aus Anatolien kommen oder die Mädchen ein Kopftuch tragen, als wichtiges Hindernis auf dem Weg zum Schulerfolg.
In der Traumschule sollen die Schüler Respekt bekommen. Zudem soll sie – wie viele Privatschulen – da ansetzen, wo die Eltern versagen. Vielen der Eltern fehlt es an Zeit, Bildung oder auch an der Überzeugung, ihren Kindern bei Schulproblemen zu helfen. Während vormittags streng nach NRW-Lehrplan unterrichtet wird, gibt es am Nachmittag Förderkurse, Theatergruppen und Türkischunterricht. Hier geht es weniger um Heimatkunde. Vielmehr soll das ganze Potenzial der Kinder ausgeschöpft werden. »Wir müssen das Türkische so fördern, dass die Schüler es auch aktiv benutzen können«, sagt der Schulgründer und zitiert Gutachten von Sprachforschern, die Türkisch als Schulfach für ebenso geeignet halten wie Französisch oder Latein. Lange vor Schulbeginn waren alle 50 Plätze vergeben, und die Nachfrage ist groß.
Den Sprung aufs Gymnasium schaffen knapp 40 Prozent aller Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit – aber nur 10,4 Prozent der Kinder mit türkischem Pass. Auch wenn man diesen die Schüler mit türkischen Wurzeln, aber deutscher Nationalität hinzurechnet, welche die Statistik nicht erfasst, bleibt ein großer Unterschied. Türkischstämmige Schüler haben aber auch mehr Schwierigkeiten als etwa die Kinder spanischer
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Auf dem Stundenplan steht Ethik, nicht Religionsunterricht
Einerseits soll es die ideale Schule, ein Biotop für Kinder aus gutem türkischen Hause sein. Hier sind sie unter sich und werden optimal gefördert. Andererseits ist eine Parallelgesellschaft das Letzte, was Eltern und Träger wollen. Auch die Bezirksregierung verlangt Konzepte, wie mehr nichttürkische Schüler gewonnen werden können. Aber woher sollen sie kommen? »Ich kann die deutschen Eltern schon verstehen – wieso sollten sie ihr Kind auf eine Schule mit fast ausschließlich türkischen Kindern schicken?« Aber Emin Özel hat auch gleich eine Antwort auf seine Frage: »Weil wir einfach besser sind!«
Den Schülern von Eringerfeld scheint ihr Biotop zu gefallen: Es ist eine deutsche Schule, der Unterricht folgt dem normalen Lehrplan, und Deutsch ist auch auf dem Schulhof Pflicht. Statt Religionsunterricht steht Ethik auf dem Lehrplan. Eine Lehrerin mit Kopftuch würde hier ebenso wenig einen Job finden wie an staatlichen Schulen. Alles ist deutsch – bis auf die Schüler. »Es ist sehr schön hier. Wir verstehen uns, und keiner guckt blöd!«, erzählt eine Siebtklässlerin. Zu ihrer orange-blauen Schuluniform trägt sie ein farblich passendes Kopftuch. »An meiner alten Schule hat ein Lehrer gesagt: Nimm das Kopftuch ab, dann wirst du besser benotet«, sagt ihre Tischnachbarin. Auf den Mensatellern vor ihnen duftet Köfte mit Reis und Joghurt. »Das Unterrichtspensum ist schon krass, aber man gewöhnt sich daran!«, sagt ein Mädchen. Es trägt die Haare unbedeckt, zum Pferdeschwanz gebunden. Dem Mädchen gefällt am besten, dass es in Eringerfeld Pferde gibt und es, bevor der Förderunterricht am Nachmittag beginnt, noch ein bisschen Einradfahren üben kann.
Die Regenbogen Bildungswerkstatt in Paderborn steht hinter der Schule, die sich als Ersatzschule durch staatliches Geld finanziert und neben einem günstigen Internatsgeld von rund 5000 Euro im Jahr von Spendern wie dem Geschäftsmann Özel finanziert wird. »Die Schulen sind ein deutliches Zeichen«, sagt er, dass die »Landsleute«, wie er die Türken in Deutschland nennt, endlich angekommen seien.
Ein weiterer Grund dafür, dass gerade jetzt nicht nur in Deutschland, sondern weitweit zahlreiche türkische Privatschulen entstehen, ist in New York zu finden: Fetullah Gülen ist ein charismatischer Prediger, der oft mit dem Label »moderater Islamist« versehen wird. Er zieht aus der Religion weniger politische Lehren, sondern setzt auf Bildung. Gebildete und gläubige Muslime sollen die Basis für eine erfolgreiche und starke islamische Gemeinschaft sein. In seinem Konzept ist die islamische Gesellschaft mit einem laizistischen Staat weitgehend vereinbar. »Man kann nicht sagen, dass wir direkte Anhänger von ihm sind oder Mitglieder eines Vereins«, sagt Ali Yildirim vom Vorstand des Schulträgervereins des Sema-Privatgymnasiums in Mannheim. Auch hier geht der Schulbetrieb jetzt ins zweite Jahr. Fetullah Gülens Ideen dienten ihm und anderen als Inspiration.
»Gülen sagt: Gründet Schulen statt Moscheen! Er meint damit, dass gut gebildete Jugendliche nicht nur erfolgreichere Menschen werden, sondern zugleich auch der beste Schutz gegen Radikalismus sind: Sie lassen sich nicht brainwashen, sondern entscheiden selbst!«, erklärt Yildirim. Religion spielt in der Schule keine Rolle. »Islam steht in Baden-Württemberg nicht im Lehrplan. Also gibt es bei uns auch keinen Islamunterricht«, sagen die Schulgründer. Wie in den anderen türkischen Privatgymnasien des neuen Trends spricht kaum einer der Lehrer Türkisch. Die Mannheimer Sema-Schule liegt in den oberen Stockwerken eines Hauses, eingeklemmt zwischen Ausfallstraße und Bahngleisen. 16 Schüler waren es im vergangenen Jahr, dieses Schuljahr sind eine weitere Gymnasialklasse und eine Realschulklasse hinzugekommen. Und die Schüler? »Also ich will Ärztin werden!«, sagt ein Mädchen. »Und ich Rechtsanwalt«, drängelt sich ein Junge dazwischen. Ihre Federmäppchen sind nach einem Jahr schon etwas abgewetzt, aber stolz sind sie auf das Logo darauf: weiß auf orange Grund. »Sema ist cool!«, sagt der angehende Anwalt.
Auch eine Traumschule eben. Die allerdings ihren Weg noch finden muss, es wird ein neues Schulgebäude gebraucht, weitere Geldgeber werden gesucht. Doch erst mal ist man stolz auf die drei Kinder nichttürkischer Herkunft, die sich fürs nächste Schuljahr angemeldet haben. Ein Bekenntnis zur Integration sind die Schulen jedoch auch jetzt schon.
Das türkische Bildungsbürgertum ist in Deutschland angekommen.
Quelle:zeit online
http://www.zeit.de/2007/33/C-Tuerkische-Privatschulen