1. Menschen sind gerne glücklich?
Da habe ich als Arzt ganz andere Erfahrungen. Hypochonder zum Beispiel – denen geht es nicht gut, wenn es ihnen gutgeht. Masochisten tut es weh, wenn der Schmerz nachlässt. Singles fehlt der Partner. Wozu? Na, zum Glück! Offenbar lieben wir Schmerz, der nachlässt, mehr als neutrale Gefühle. Das erklärt auch, warum Frauen so gerne Schuhe kaufen, die einen Tick zu eng sind – für den kontrollierbaren Glücksmoment am Abend, wenn der Schmerz beim Ausziehen nachlässt.
2. Wir sind nicht auf der Erde, um glücklich zu sein.
Das Ziel der Evolution war immer: Überleben. Wenn Sie diesen Text hier lesen, hat Ihr Hirn seinen Job gemacht! Glücksmomente sollen uns antreiben, unsere Überlebenschancen zu verbessern. Deshalb macht Essen Spaß. Deshalb macht Sex Spaß. (Einige erinnern sich.) Deshalb macht es auch Spaß, etwas dazu zulernen. Aber auf Dauer glücklich? Nein – das wäre der Tod! Die Urmenschen, die nach Mammutsteak und Orgie glücklich über die Wiese liefen, hat der Säbelzahntiger gefressen. Von denen stammen wir nicht ab. Wir überleben, weil Glück vorbeigeht und wir weiter dazulernen. Kein Mensch ist dazu verdammt, dauerhaft glücklich zu sein. Das ist eine frohe Botschaft.
3. Kein anderer Mensch ist dafür da, um uns glücklich zu machen.
Die romantische Idee, dass es EINEN RICHTIGEN gibt, den du nur finden musst, und dann ist das Glück auf Dauer garantiert, macht seit Jahrhunderten die Menschen nur eins: unglücklich! Mal ehrlich: Wie wahrscheinlich ist es, unter 6 Milliarden Menschen den einzig richtigen zu finden – innerhalb der ersten 80 Lebensjahre? Weil es Perfektion nicht gibt, wir sie aber trotzdem erwarten, halten wir den Partner, den wir womöglich gerade haben, fest – und suchen heimlich weiter.
4. Shit happens.
Mal bist du die Taube, mal bist du das Denkmal. Glück kommt und geht. Unglück auch. Aber IM Unglück denken wir automatisch: Das bleibt jetzt für immer so. Eine der schönsten Nachrichten aus der Traumaforschung ist, dass über 80 Prozent der Menschen, die brutale Schicksalsschläge erleben, gut damit klarkommen. Es braucht eine Zeit, aber auch ohne therapeutische Intervention sind sie zwei Jahre später nicht dauerhaft beeinträchtigt. Oft sogar noch gestärkt aus der überwundenen Krise. Unfälle, Krankheit, Trennung und Tod sind Teil des Lebens. Es gibt «das Böse» auf der Welt – warum, weiß Gott oder der Geier. Und ich hoffe inständig, es sind zwei verschiedene Instanzen.
5. Go for bronze!
Wer ist Ihrer Meinung nach glücklicher, Silber- oder Bronzemedaillen- Gewinner? RICHTIG. Bronze gewinnt! Glückstechnisch. Nicht das Ergebnis macht uns glücklich oder unglücklich – es ist die Bewertung, vor allem die Frage: Mit wem vergleiche ich mich? Mit wem vergleicht sich Silber? Er schielt nach oben und flucht: Drei Hundertstel, und du hättest Gold! Bronze denkt: Drei Hundertstel, und du hättest gar keine Medaille! Bronze ist glücklich, denn er weiß: Richtig doof ist VIERTER.
Auszug aus "Glück kommt selten allein" von Eckart von Hirschhausen
|