Der 3. Weltkrieg - Das Lied vom Tod
Nicolas Sarkozy erklärte kürzlich in Washington ohne Umschweife, der Streit um Irans Atomprogramm sei durch UN- und EU-Sanktionen zu lösen. Noch im gleichen Atemzug machte der französische Präsident Vorbehalt bezüglich der "Bereitschaft zu einem Dialog mit Teheran" geltend.
Nach Meinung Sarkozys steht zwar der Zutritt zu "einem friedlichen Atom" allen offen, auch diesem Land, aber Irans Besitz von Kernwaffen sei unannehmbar.
Eine solche Schwerpunktaufteilung in Bezug auf das iranische Atomprogramm dürfte US-Präsident George W. Bush kaum gefallen haben. Denn erst ganz vor kurzem forderte Bush dazu auf, "Iran Zugang zu nuklearen Technologien zu verweigern, um einen Dritten Weltkrieg zu vermeiden". Das Wort ist Symbol der Realitätsvorstellung im Bewußtsein - geht man von dieser logischen These aus, so drängt sich der Schluss auf: Bei der Erwähnung eines Dritten Weltkrieges stellt sich Bush ihn real vor. Aber wie könnte das Szenario eines solchen Krieges aussehen?
Keine Logik hilft verstehen, was ein Dritter Weltkrieg und Iran miteinander zu tun haben. Weder jetzt noch in absehbarer Zukunft kann Iran in einem Weltkrieg eine der bedeutsamen Koalitionen leiten. Genauso wenig kann das Land zu einem Casus Belli für die Entstehung solcher Koalitionen und den nachfolgenden Zusammenstoß zwischen ihnen werden. Jedes seiner Kriegsabenteuer würde zur Zerschlagung und zum Verschwinden dieses Staates von der politischen Weltkarte führen. Zudem kann Iran bei einer solchen Entwicklung nicht mit einer wie auch immer gearteten Sympathie in der Welt rechnen.
Andererseits ist eine militärische Operation der USA in Iran nicht auszuschließen. Die Folgen eines solchen politischen Wahnsinns wären unvorstellbar verheerend - sowohl für Teheran als auch für Washington. Das jetzige Geschehen in Irak dagegen wäre ein Kinderspiel. Trotzdem wird auch in diesem Fall kein Dritter Weltkrieg entstehen. Unter den heutigen Bedingungen kann er nur mit einem direkten Zusammenstoß zwischen den größten Atommächten beginnen, wenn auch die Weltgeschichte damit zu Ende wäre.
Die Positionen Russlands und der USA sind im Szenario eines hypothetischen Weltkrieges am wichtigsten, da die Kernwaffen dieser beiden Staaten (im Unterschied zu anderen, selbst nuklearen Ländern) in der heutigen Welt eine Systemrolle spielen. Die Annahme wäre nicht nur politisch naiv, sondern auch formal falsch, dass die größten Staaten nicht in einen solchen Krieg einbezogen würden. Dagegen machen Bündnisbeziehungen zwischen denselben beiden Ländern einen Dritten Weltkrieg von vornherein sofort unmöglich. Da er aber nach Bush doch möglich sei, ist auch ein umfassender militärischer Zusammenstoß zwischen den USA und Russland gleichermaßen möglich.
In der "Vor-Atom-Ära“ konnte Krieg, wie der deutsche Denker Carl von Clausewitz sagte, noch als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln betrachtet werden. Doch zeichnet sich ein Krieg zwischen zwei Großmächten, die im Besitz von Atomwaffen sind, eben dadurch aus, dass es in ihm grundsätzlich keinen Sieger geben kann. Alle Träume vom Kriegssieg zerschellen an der unvermeidlichen Perspektive, in der Flamme des nuklearen Gegenschlags zu verbrennen. Es kommt lediglich auf die Reihenfolge an: Wer als erster zuschlägt, geht als zweiter unter.
Da von einem Dritten Weltkrieg der US-Präsident spricht und Iran hier "an den Haaren herbeigezogen" ist, drängt sich ein für Russland alarmierender Schluss auf. Für Bush liegt der Hauptsinn in Folgendem: Um ihre Ziele zu erreichen, sind die USA, ohne jemanden zu beachten oder auf jemanden zu hören, auch zu einem Dritten Weltkrieg bereit. Einen anderen Schluss erlaubt die elementare Logik nicht.
Bleibt nur zu hoffen, dass diese Worte von Bush von der gleichen Art sind wie sein peinliches Verwechseln von Brasilien mit Bolivien, von Österreich mit Australien. Obwohl es unbegreiflich bleibt, womit ein Dritter Weltkrieg verwechselt werden könnte. In dem einen Fall beschränkte sich die Sache auf giftige Plakate der Wiener "In Österreich gibt es keine Kängurus!". Aber in der anderen Variante handelt es sich nicht bloß um Ignoranz, sondern auch um eine hochmütige Rücksichtslosigkeit gegenüber den Bewohnern unseres Planeten, die Amerikaner nicht ausgeschlossen. Es ist eine Rücksichtslosigkeit nicht auf staatlicher oder nationaler, sondern auf sozialer und biologischer Ebene, denn ein Dritter Weltkrieg und das Verschwinden der menschlichen Zivilisation auf der Erde sind Synonyme.
Zum Autor: Alexander Koldobski ist stellvertretender Direktor des Instituts für Internationale Beziehungen in Moskau.
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