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Alt 29.12.2006, 00:36
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darya darya ist offline
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Standard Ein paar Gedanken zur "Moral"

Die Geächteten

Es gibt Phasen im Leben - ja selbst in einem unbedeutenden und jungen Leben - in denen man rastlos nach irgendetwas rennt und nicht weiß, was es eigentlich ist. Dieser Drang kommt aus einer fiesen, inneren Leere heraus, die nicht groß genug ist, als dass man vollkommen resignieren könnte; aber die sich bemerkbar genug macht, als dass sie einen quält wie ein beißender, kalter Durchzug in einer klirrend kalten Sturmnacht.

Heute war so ein Tag - und dieses Gefühl endet noch immer nicht. Ich sitze hier und denke an das Einzige, das mir dieses Gefühl kurzzeitig mit Glück ersetzen könnte. Immer und immerwieder werde ich an diesem Bild festhalten. Ein Lagerfeuer, ein paar Menschen, Kinderlachen, Trommeln, Tanz und Meeresrauschen im Hintergrund. Wein, eine Gitarre, ein paar Stimmen, die herzhaft singen und dem blutleeren, gesellschaftskonformen Leben mit Leidenschaft trotzen. Ein lauthalser Chor, der irgendein Lied singt mit einem unsinnigem Text - völlig irrelevant was: Denn eigentlich sagt dieser Chor nur: "Wir gehören zusammen. Wir sind eins. Wir sitzen alle in ein und dem selben Boot. Egal, ob das Leben nun einen Sinn hat oder keinen - wir sind da. Scheiß drauf!"

Es gab viele Momente in meinem Leben, in denen ähnliche Situationen tatsächlich zustande kamen, deshalb vermisse ich sie so. Erwachsene würden es "Eine wilde Party mit viel Alkohol" nennen oder "Unerzogene, sinnentleerte Jugendliche, die mit ihrem Leben nichts Besseres anzufangen wissen, als zusammen abzuhängen und zu jammern".

Warum fragen sich diese immer mit Verachtung auf die "Unteren Gefilden" blickenden Menschen nie, was diese besoffenen Menschen, die aufeinanderhängen & verträumt ins Feuer schauen, wirklich empfinden? Warum fragen sie sich nicht, was den eine unsentimentale Liebeserklärung an die Insassen eines vom Sturm getriebenen Bootes eigentlich bedeutet? Sie soll nichts wert sein, weil das Lippenbekenntnis von einem Besoffenen kommt? Von einem Vernunftslosen?

Ich habe Menschen erlebt, die kriminell waren, aber soviel Seele hatten, dass es Dich umgehauen hat. Ich kannte einmal eine wunderschöne Prostituierte, sie hatte eine Unschuld und Güte in sich, die ich noch bei keiner einzigen selbstverliebten und selbsternannt "ehrbaren Frau" gesehen habe. Ich kannte gesellschaftlich verstoßene Schmarotzer, die am Tag mindestens einen Menschen zum Lächeln, Lachen und Weinen brachten - ohne einen Lohn zu erwarten.

Das sieht nur niemand, der sich nicht in dieses Boot traut. Ja, dieses Boot ist unberechenbar, die Menschen vielfältig, die Route driftet auch einmal ab und macht Umwege - aber dieses Boot ist das Leben und keine eingegrenzte Grauzone, in der man sich ständig vorsichtig bewegt, damit man ja nicht heraustritt in der Angst, dass man nicht mehr als "Mensch" angesehen wird.

Gott segne all jene Prostituierte dieser Welt, die noch mehr Reinheit und Moral in sich tragen, als diese verkorksten Selbst-Heuchler dieser verkopften & karrieregeilen Gesellschaft in der "Grauzone", die sie irgendwann, bevor der Tod sie einholt, geschockt und verzweifelt endlich als das entlarven, was es ist: Ein unsichtbares Gefängnis, in das Du Dich Dein Leben lang reingehockt hast, weil man Dich von den Gittern heraus mit Geldscheinen & Anerkennung gefüttert hat, obwohl Du eigentlich Wasser & Brot brauchtest.


"Erst ist das Leben Scheiße - und dann stirbst Du."

(Von einer Verrückten)


Cheers,
Darya