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Türkische Paranoia (3)
So verfolgt die Türkei in der Kurdenfrage nach wie vor eine Politik der eisernen Faust. Ebenso liegt eine kritische Aufarbeitung der eigenen Geschichte vollkommen brach. Tabuthemen wie der Völkermord an den Armeniern oder die dunklen Seiten des Kemalismus bleiben weiter unangetastet. Offenbar wirkt sich der nationalkonservative muslimische Hintergrund der Regierungspartei jetzt als Hemmschuh aus. Den zumeist national orientierten säkularen Kräften waren die muslimischen Politiker immer ein Dorn im Auge. Wer aber hat die Hoheit über das "gesunde" Volksempfinden? Über die nationalen Emotionen der Bürger, die Empfindlichkeiten der türkischen Seele?
Die Reformer in der Türkei kommen eben nicht aus dem liberalen Lager. Kritisch und streng beäugt vom Militär und Bürokratieapparat dürfen sie sich sehr viele Seitensprünge nicht erlauben. Doch ihr Demokratieverständnis steht heute auf dem Prüfstand. Ministerpräsident Erdogan wird früher oder später Farbe bekennen müssen, wenn er auf dem Weg nach Europa weiterkommen will. Vielleicht ist der letzte Zug dann schon abgefahren.
Der 1961 in Ankara geborene Publizist und Schriftsteller Zafer Senocak lebt in Berlin
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