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Alt 29.03.2005, 19:02
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Standard Deutschland wird wieder geliebt...!

Hamburger Abendblatt - Dienstag, 29. März 2005

Analyse

Von Holger Dohmen

Gustav Heinemann, Bundespräsident von 1969 bis 1974, antwortete einmal auf die Frage, ob er diesen Staat liebe, mit dem Satz, er liebe nur seine Frau. Vaterlandsliebe - das war in jener Zeit noch ein Begriff, dem der Ruch des Nationalistischen anhaftete, des Ewiggestrigen. Man dachte dabei an Kaiser Wilhelm, Pickelhaube und Ersten Weltkrieg, an die Perversion dieses Begriffes ("Gekämpft und gestorben für Führer, Volk und Vaterland") im Dritten Reich. Heinemanns Satz war deswegen eine kurze und dem Zeitgeist entsprechende Antwort auf unsere Geschichte der Verirrungen und Verwirrungen, die im Holocaust ihren unmenschlichen Höhepunkt gefunden hatte.

Vor diesem Hintergrund war eine Rückkehr zu "patriotischer Normalität", wie sie unseren Nachbarn eigen ist, undenkbar. Für nationale Pathetik, gerade eben bei den D-Day-Feiern so eindrucksvoll dokumentiert, gab es in Deutschland nach Auschwitz lange Zeit keinen Platz. Die wäre als Verdrängung des Hitler-Erbes, als Schlussstrichdenken empfunden worden. In der Bundesrepublik jener Tage war man deshalb allenfalls "Verfassungspatriot", wie der Politologe Dolf Sternberger nüchtern formulierte, eine eher blutleere und akademische Zuordnung.

Eine andere Ausflucht bot Europa. Der geschichtsbewusste und sensible Deutsche gab sich deshalb vor allem als Europäer. Doch kein Volk kann ohne eigene Identität leben. Es braucht das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit, die Erfahrung seiner Kultur, seiner Werte. General de Gaulle hatte mit seiner Vision vom "Europa der Vaterländer" schließlich den Weg aufgezeichnet.

Sollte Deutschland das auf ewig vorenthalten werden? Sollte Karl Jaspers Recht behalten, der 1960 dekretierte, die Geschichte des deutschen Nationalstaates, mithin des Vaterlandes Deutschland, sei zu Ende? Es gab genügend solcher Stimmen. Zum Beispiel die von François Mauriac, dem französischen Schriftsteller, der einmal sagte, er liebe Deutschland so sehr, dass er froh sei, dass es zwei davon gebe.

Die Zäsur kam mit der Wiedervereinigung. "Deutschland einig Vaterland" schallte es aus Hunderttausenden von Kehlen im Osten. Schwarz-Rot-Gold, die Nationalhymne, Symbole der Zusammengehörigkeit wurden wieder entdeckt. Und von manchen schon wieder als Symbole von neuer Großmannssucht kritisiert.

Es dauerte fast 20 Jahre, bis ein Bundespräsident einen ersten Schritt tat, dem Grundgefühl in der deutschen Gesellschaft Rechnung zu tragen, dass ein Volk nicht ganz ohne Patriotismus auskommen kann. Und wurde nicht Willy Brandt, einst als "vaterlandsloser Geselle" verunglimpft, zu seinem Tod als ein großer deutscher Patriot geehrt? Da war er doch, dieser weithin diskriminierte Begriff.

Bundespräsident Roman Herzog sprach zwar 1994 noch nicht von Vaterlandsliebe, rief aber die Deutschen zu einem "unverkrampften" Umgang mit ihrer Geschichte auf. Nicht wenige Kritiker interpretierten das sogleich als Schlussstrichmentalität.

Freilich blieben Herzogs Worte auch nicht ohne Wirkung. Tatsache ist, dass der Umgang mit deutscher Geschichte unter Wissenschaftlern, Literaten, Politikern seit jener Zeit differenzierter geworden ist, dass ein Begriff wie Vaterlandsliebe nicht gleich automatisch als dumpfe Deutschtümelei verteufelt wird.

Der Präsident nach Herzog, Johannes Rau, ging wieder noch einen Schritt weiter. Nie wolle er Nationalist sein, sagte er, aber stets wolle er Patriot sein. Rau stieß mit seinem Bekenntnis eine Diskussion an, die seitdem eine eigene Dynamik zu entwickeln scheint.

Denken wir nur an Kanzler Schröders Schelte, Unternehmen, die ins Ausland abwanderten, als "unpatriotisch" zu bezeichnen. Chirac nannte er gerade eben einen großen Patrioten.

Es musste wohl erst ein Mann wie der künftige Bundespräsident Horst Köhler kommen, um den Satz zu sagen: "Ich liebe unser Land", dem er später noch die religiöse Formel hinzufügte: "Gott segne unser Land."

Köhler ist der erste Bundespräsident, der die Nachkriegsgeneration verkörpert. Eine Generation, die mit der Schmach der Nazi-Zeit leben musste, die aber durch den Aufbau und die Umgestaltung des neuen demokratischen Deutschlands langsam zu einer eigenen, ja nationalen Identität gefunden hat. Und dafür nicht nur dankbar ist, sondern auch Stolz empfindet und diesen öffentlich bekundet.

Und was passiert? Von einigen Kritikern abgesehen widerfährt dem sympathischen Nachfolger von Johannes Rau für sein Bekenntnis überwiegend Anerkennung. Deutschland, das schwierige Vaterland, scheint auf dem Weg zu sein, die Worte seiner Präsidenten ernst zu nehmen.

erschienen am 8. Juni 2004 in Politik

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Arkadasin birisi ALMANYANIN BAYRAGINI yakinda anyayi gonyayi görün demisti... Onun üzrine bu yaziyi okuyunca buraya eklemek ihtiyacini his ettim !!!

:-)