"Ich bin so Frei. die Frau im Westen
Für viele Frauen hört die Freiheit schon abends auf.
Gewalt gegen Frauen: Vergewaltigungen und sexuelle
Übergriffe finden selten durch Unbekannte, sondern in
der Regel durch Täter aus dem sozialen Nahbereich des
Opfers statt. Nach einer Umfrage des
Bundesfrauenministeriums haben 72% der Frauen
Erfahrung mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz
gemacht. Jede dritte Ehefrau wird von ihrem Mann
geprügelt.
Gibt es denn nicht einen Zusammenhang zwischen dieser
Gewalt, dem Bild, das diese Gesellschaft sich von der
Frau macht und den Maßstäben, nach denen diese
Gesellschaft funktioniert?
Ein Blick in die Medien genügt, um festzustellen, daß
das Bild der Frau in einem bestimmten Ideal besteht.
Eine Idealfrau hat jung, schlank und möglichst blond
zu sein. Kaum eine Frau entspricht diesem Ideal, und
doch haben die meisten es derart verinnerlicht, daß
sie enorme Energien aufwenden, um sich ihm anzunähern.
Keine Frauenzeitschrift kommt ohne Diäten aus -
anscheinend eins der beliebtesten "Frauenthemen". Frau
ist dabei, eine Diät zu machen, hat gerade eine hinter
sich oder plant, sich einer zu unterziehen. Nicht ohne
Folgen: Die Anzahl der Eßstörungen nimmt, besonders
unter jungen Frauen, ständig zu. Offiziell leidet jede
zehnte Frau unter einer Eßstörung wie Magersucht,
Bulimie o.ä. - Wie hoch die tatsächliche Ziffer ist,
kann man nur erahnen.
Die Produktion eines Idealbildes, dem die große
Mehrheit der Frauen nachläuft, ohne es je zu
erreichen, ist dabei nichts anderes als ein immenses
Geschäft. Die Industrie des Schönheitswahns boomt:
Schönheitsoperationen unterhalten ganze Kliniken, und
die Jahresumsätze der Kosmetikindustrie sprechen für
sich. Die Modewelt ist ein weiterer Industriezweig,
der ein Interesse daran hat, das "Ideal" ohne
Hinterfragung aufrechterhalten zu sehen. Man spricht
nicht umsonst von einem Modediktat. Frauen sind in
erster Linie Konsumentinnen, denen man vermittelt, das
für einen Ausdruck ihrer Individualität zu halten, was
in den Chefetagen der Industrie als Lifestyle, in oder
out geplant und für Millionen von Menschen auf den
Markt geworfen wurde. Ob man dies wohl als Freiheit
bezeichnen kann?
Hat frau die allgegenwärtige Botschaft von Medien und
Industrie aufgenommen, ist sie überzeugt: Glücklich
und erfolgreich kann nur sein, wer diesem Ideal
entspricht. Die Verzweiflung, die darüber eintritt,
daß sie es nicht schafft, diesem Bild zu entsprechen,
oder daß sich die gesamte Projektion als Trugschluß
erwiesen hat und Glück und Erfolg sich auch dann nicht
einstellen, wenn sie dieses Ideal erreicht hat,
spiegelt sich nicht zuletzt in der Statistik des
Alkohol-, Tabletten- und Drogenmißbrauchs wieder.
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