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Alt 27.09.2004, 19:50
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Standard Ex-CDU Gen.Sekr. Volker Rühe

zur Financial Times Deutschland:

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Rühe warnt Merkel bei der Türkei-Frage vor Totschlag-Argumenten
Von Wolfgang Proissl, Thomas Klau und Vincent Boland

Der CDU-Außenpolitiker Volker Rühe hat die Türkei-Politik seiner eigenen Partei scharf kritisiert. Das Konzept von CDU-Chefin Angela Merkel sei nicht mehrheitsfähig in Europa.

"Die CDU sollte den Bericht der EU-Kommission akzeptieren und ihn nicht diffamieren und so tun, als wäre er eine einseitige Darstellung", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Interview der Financial Times Deutschland. Außerdem warnte Rühe die CDU-Vorsitzende Angela Merkel davor, in der Türkei-Debatte mit "Totschlag-Argumenten" Ängste der Bevölkerung zu schüren.

Die Brüsseler Behörde wird am 6. Oktober einen Türkei-Bericht vorlegen, in dem sie die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen empfehlen dürfte. Es wird erwartet, dass die EU-Staats- und Regierungschefs auf dieser Grundlage Mitte Dezember die Aufnahme von Gesprächen beschließen. Viele namhafte Unionspolitiker versuchen nun, den Bericht als politisch motiviert in Zweifel zu ziehen. Vize-Fraktionschef Wolfgang Schäuble warf EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen sogar vor, er missbrauche sein sein Amt."

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Rühe forderte seine Partei auf, die Realität in Europa zu akzeptieren. "Die CDU ist keine politische Weltmacht", sagte der ehemalige Verteidigungsminister. Die Haltung der Unionsparteien, die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit dem Ziel einer türkischen EU-Vollmitgliedschaft abzulehnen, habe innerhalb Europas "keine Chance".


Der ehemalige Verteidigungsminister warnte vor Populismus in der Türkei-Debatte. Die Parteichefin hatte sich vergangene Woche gegen den Beitritt des Landes gewandt, da dann Türken ein Recht auf Freizügigkeit bei der Wahl des Wohn- und Arbeitsortes in Europa zustehe.


Der Außenpolitiker unterstrich, dass bis zum möglichen Beitritt des Landes noch sehr viel Zeit vergehen werde. Hinzu kämen lange Übergangsfristen, ehe die Türken ihren Wohn- und Arbeitsplatz völlig frei wählen könnten. "Das dauert bestimmt noch 20 bis 25 Jahre", sagte Rühe. "Deshalb sollte niemand mit dem Totschlagargument kommen, wir würden nach einem Beitritt der Türkei von Türken überflutet."

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"Wenn Europa nach Anatolien kommt, dann braucht man nicht von Anatolien nach Gelsenkirchen zu gehen", so der frühere CDU-Generalsekretär.


Rühe stellte auch Merkels Warnungen in Frage, die Vollmitgliedschaft überfordere die EU finanziell. Die Türkei ist ärmer und stärker von Agrarwirtschaft geprägt als andere EU-Mitglieder. Deshalb sagen Beitrittsgegner neue milliardenschwere EU-Beihilfen voraus. "Man wird nicht alle heutigen Ausgabenprogramme der EU künftig festschreiben können", sagte der CDU-Politiker. Schon jetzt sei es so, dass die Beitrittsstaaten nicht die gleichen Transfers bekämen wie Altmitglieder.

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Der Ausschuss-Vorsitzende sieht in Merkels Türkei-Politik Parteitaktik. "Sie muss ihre Partei zusammenhalten", sagte Rühe. Merkel wirbt derzeit in der EU gegen eine Vollmitgliedschaft des Landes und für eine "privilegierte Partnerschaft" mit der Türkei. Dieser Vorstoß gilt als aussichtslos.

Mit Blick auf eine mögliche Regierungsverantwortung der CDU nach 2006 plädiert Rühe für eine konstruktive Rolle der Unionsparteien. "Eine unionsgeführte Regierung sollte ein Wächter sein, dass es in diesen Verhandlungen keine falschen Kompromisse gibt", sagte der Türkei-Kenner. "Sie muss dafür sorgen, dass der Satz gilt, den die Regierung Kohl unterschrieben hat: Die Türkei muss genau die gleichen Bedingungen erfüllen wie alle anderen auch, nicht mehr und nicht weniger."
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