Ein Kommentar zum Kopftuch-Urteil
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass es eigentlich nicht entscheiden will.
Die Richter haben die Entscheidung darüber, ob muslimische Lehrerinnen während des Unterrichts ein Kopftuch tragen dürfen oder nicht (oder den iranischen Ganzkörperschleier oder die afghanische Burka) zurück in die Zuständigkeit der Länder gegeben
und eine öffentliche Debatte über die weltanschauliche Neutralität des
Staates gefordert.
Rechtssicherheit wird so zumindest nicht geschaffen, da nun Länderparlamente, ihren Mehrheiten entsprechend, unterschiedliche Entscheidungen treffen werden.
Das Kopftuch oder der Schleier haben keine ehrliche wissenschaftliche Begründung im Koran - und es ist erstaunlich, wie der Islam auf ein Stück Tuch reduziert wird.
Im Koran finden sich vier Stellen, die oberflächlich betrachtet eine derartige Verschleierung der muslimischen Frauen vorschreiben oder wenigstens nahe legen:
· Sure 33, 32 f.;
· Sure 33, 53;
· Sure 33, 59;
· Sure 24, 30 f.
In keiner dieser Suren ist aber explizit von einem Schleierzwang die Rede, da 1. die Begriffe variieren, 2. Mohammed sich auf seine Frauen
bezieht 3. die Situation nicht klar ist oder 4. die überlieferten Begriffe als solche nicht eindeutig verstanden werden können.
Hinzu kommt, dass Mohammed, nach Buchari (islam. Schriftgelehrter), seine Anhängerinnen mehrmals ausdrücklich anwies, zur Hajj oder in der Moschee, also beim Gebet, keine Verhüllungen zu tragen. Auch die Segregation der Frauen verbat er sich.
Die Frauen zu Mohammeds Zeit standen unverschleiert und selbstbewusster als sie es heute sind neben den Männern in der
Moschee.
Wenn also Mohammed selbst in den heiligsten Situationen keine Verschleierung wünschte, wieso sollte er sie dann im gewöhnlichen Alltag gern gesehen haben…?
Auch aus praktischer Sicht wäre es zu damaliger Zeit für Frauen völlig unmöglich gewesen sich zu verschleiern, da sie den Großteil der
körperlichen und administrativen Arbeit verrichteten.
Wie sollten sie bitteschön Handel treiben (z.B. Mohammeds erste Frau Hadija), Ver- und Einkäufe aushandeln, zerstrittene Familien versöhnen, Heiraten anbahnen usw., wenn sie als Person und Persönlichkeit nicht eindeutig erkennbar gewesen wären.
Der persönliche Kontakt, das persönliche Gegenüber, die Gesichtssprache waren damals wie heute eminent wichtig - noch dazu in Zeiten, in denen persönliche Absprachen und Gesten einen weit höheren Stellenwert besaßen als schriftliche Fixierungen.
Ein Verziehen der Mundwinkel oder ein Augenzucken zur falschen Zeit konnte Stammesfehden auslösen. Das Gesicht war der Ausdruck der Seele und alle Empfindungen liefen darin zusammen.
Oder wie wollte die Frau als Dienstmagd mit stark eingeschränktem Gesichtsfeld oder halbblind komplizierte Flecht-, Ton- oder Küchenarbeiten verrichten?
Das gleiche Problem stellt sich heute übrigens auch beim Autofahren
oder anderen technischen Arbeiten (Mikroskop)!
Die vornehme und reiche Frau freilich konnte es sich erlauben, Schleier zu tragen, da ihr genügend Dienstpersonal zur Seite stand. Sie trug den Schleier aber dann nicht aus religiösen Gründen, sondern um ihre Stellung in der Gesellschaft zu demonstrieren und ihren sozialen
Status hervor zu heben - ähnlich den weiß gepuderten Schönheiten zu
Zeiten Louis XIV.
Fereshta Ludin sagt von sich selbst, sie würde sich sehr schämen, wenn sie ohne Kopfbedeckung vor einer Schulklasse stünde. Das Tuch solle ihre weiblichen Reize verhüllen und die Haare gehörten zu den Reizen einer Frau.
Erstaunlich! Da weiß Frau Ludin mehr als der Prophet, denn im Koran wird das Haar der Frau mit keiner Silbe erwähnt und wenn von Reizen die Rede ist, dann sind damit durchscheinende Brüste gemeint, Konturen des Gesäßes oder Schmuck, den man damals auch
in Form von klingelnden Glöckchen über den Fußgelenken trug.
Auf jeden Fall nimmt Frau Ludin eine prüde und körperfeindliche Haltung ein. Meiner Ansicht nach steht das Kopftuch in erster Linie für die Unterdrückung der Frau in der muslimischen Welt: für Rechtlosigkeit, Abschließung oder Absperrung (Segregation) und den
Machterhalt der Männer über die Frauen.
Brauchen wir wirklich mehr Toleranz gegen ein Symbol der Intoleranz?
Und das auch noch in der Schule?
Erinnern wir uns: 1979 haben die Ayatollahs im Iran die
Macht übernommen, Anfang der 80er begann die Besetzung Afghanistans durch die Sowjetunion. Dieser Angriff auf ein islamisches Land hat den Islamisten in der ganzen Welt Auftrieb gegeben.
Mit der Islamisierung der muslimischen Länder gehörte es plötzlich
zum guten Ton, Kopftuch zu tragen.
Dabei hätte spätestens seit 1979, als die revolutionären Garden Khomeinis den Frauen verrutschte Kopftücher auf dem Kopf festnagelten, klar sein müssen, dass das Kopftuch alles andere ist als
eine religiöse Sitte oder Privatsache.
Grassiert das Kopftuchgebot überhaupt nicht erst seit 1979, seit der Gründung des ersten Gottesstaates im Iran?
„Das, was wir heute in Deutschland als islamisches Kopftuch kennen, dieser lange Mantel mit dem Kopftuch über die Schultern und den ganz abgebundenen Haaren, diese Kluft ist überhaupt erst in den 80ern entstanden“, sagt Dr. Lale Akgün, Deutsche türkischer Herkunft,
Therapeutin und Politikerin und innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion
neuerdings zuständig für die Integration der MuslimInnen in Deutschland.
„Es gibt Millionen gläubiger Musliminnen ohne Kopftuch auf der Welt,
zumindest in den Ländern, wo sie nicht mit Gewalt und Todesdrohung zum Verschleiern gezwungen werden.“
Die Minderheit der Kopftuchträgerinnen und ihrer konservativen muslimischen Männer hat schon erreicht, dass die Schulpflicht für islamische Mädchen nur noch eingeschränkt gilt, indem sie mit Erlaubnis (bzw. auf Verlangen) der Eltern nicht mehr am Sportunterricht teilnehmen.
Müssen wir nicht darauf achten, dass die Ideologie einer
islamistischen Minderheit nicht mit dem gesamten Islam gleichgesetzt
wird?
Nazira Zainaddin (arabische Schriftstellerin und Koranexegetin) wurde unverschleiert aufgezogen und hatte auch Zugang zur höheren Schule. Sie war bei Erscheinen ihres Buches „Entschleierung
und Verschleierung“ noch nicht einmal zwanzig Jahre alt.
Sie kämpfte mit aller Gewalt gegen die Verschleierung an und schreibt, dass man den Verschleierungszwang weder aus dem Koran, noch aus dem Hadith (Überlieferung) ableiten könne.
Die Verschleierung sei eine Erniedrigung für die Frau, auch wenn die Frau es selbst nicht so empfinde.
Seit einem Vierteljahrhundert ist der Schleier der Frauen die Flagge der islamistischen Fundamentalisten. Er ist das Zeichen für Ausgrenzung.
Eine Gesellschaft, in der Männer Frauen erniedrigen können, nur weil sie Frauen sind, eine solche Gesellschaft ist im Kern eine Unrechtsgesellschaft.
Und genau aus diesem Grund hat der Schleier oder das Kopftuch in der Schule nichts zu suchen. Erziehung muss neutral sein. Das Kopftuchtragen widerspricht der Neutralitätspflicht aller
Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland.
Gerade Lehrerinnen und Lehrer müssen uneingeschränkt in der Lage sein zu vermitteln, dass Menschenrechte unteilbar sind und das Los der Frauen schon immer ein Gradmesser für Recht und Gerechtigkeit einer Gesellschaft war.
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