US-Drehbuch für Saddam-Festnahme
US-Drehbuch für Saddam-Festnahme schon lange in der Schublade
veröffentlicht: 16.12.03 -16:49 Uhr RP-Online
Ein Mythos wird endgültig zerstört: Saddam Hussein wird nach seiner Festnahme untersucht. Foto: AP
Washington (rpo). Saddam Hussein, dreckig, zerzaust, und ein Armeearzt, der mit einer Lampe in seinen Mund leuchtet - die Szenen der Festnahme des Ex-Diktators folgten einem Drehbuch, das die Amerikaner seit Wochen in der Schublade hatten. Das räumten US-Beamte in Interviews ein.
Die starken Bilder sollten einen Mythos zerstören, den Saddam in Jahrzehnten der Terrorherrschaft aufgebaut hatte. "Wir wollten keine Bilder, mit denen er auch nur in irgendeiner Weise als Märtyrer oder Held aufgebaut werden könnte", sagte der Kommunikationsdirektor der Besatzungsbehörde in Bagdad, Gary Thatcher, der "New York Times".
Das Ergebnis war nach seinen Worten besser als alles, was die Strategen erhofft hatten. "Unsere Planung war gut, aber wir hätten uns nicht träumen lassen, dass Saddam selbst dermaßen dazu beiträgt, in dem er sich so verkommen ließ."
RP Online
bei Vodafone live:
Lesezeichen auf Ihr Handy
Die Amerikaner lernten die Lektion im Sommer, als die Hussein- Söhne aufgespürt und bei einer wilden Schießerei getötet wurden. Damals wollten viele Iraker den Tod der beiden gefürchteten Tyrannen zunächst nicht glauben. Das US-Militär veröffentlichte schließlich makabre Fotos der schlimm zugerichteten Leichen und sahen sich gezwungen, irakische Journalisten in die Leichenhalle zu führen, um den Tod der beiden zu beweisen.
Das sollte im Fall Saddams nicht passieren. Thatcher entwarf deshalb zwei Kommunikationspläne für den Tag X. Für den Fall, dass Saddam den Amerikanern tot in die Hände fallen sollte, wurde vor allem eine schnellere Identifizierung als bei den Söhnen vorbereitet. Im Fall einer Gefangennahme des lebenden Diktators sollten die Iraker selbst eine entscheidende Rolle spielen.
Die erfolgreiche Aktion am vergangenen Samstag wurde deshalb fast 18 Stunden geheim gehalten. Nur ganz wenige Eingeweihte wussten, dass sich "High-Value Target No 1" (Hochwertiges Ziel Nr.1) - der Codename für Saddam - in US-Gewahrsam befand. Dschalal Talabani, Mitglied des irakischen Regierungsrates, ließ die Katze schließlich als erster aus dem Sack.
Viele Araber waren empört, dass die Amerikaner Saddam in erniedrigender Pose mit weit offenem Mund, in den ein Armeearzt mit der Taschenlampe leuchtet, zeigen. Doch die Amerikaner verteidigen ihr Vorgehen. Nur authentische Videobilder des Mannes, dessen Namensnennung schon allein den meisten Irakern jahrelang kalte Schauer der Angst über den Rücken jagte, würde die Skepsis über die Gefangennahme zerstreuen, waren sie überzeugt.
Die "Washington Post" zollte den Kommunikationsstrategen Respekt. Saddam in Handschellen und mit Gewehrläufen vor dem Gesicht oder als Opfer verbaler Verunglimpfungen zu zeigen, wäre als Arroganz eines Triumphators zerrissen worden, schrieb die Zeitung am Dienstag. Bilder der ärztlichen Untersuchung seien etwas anderes. Das Gefühl der Beschämung dabei, das viele Leute aus eigener Erfahrung kennen, erniedrige den Menschen auf humane Weise.
"Keine symbolische Geste hat nicht auch eine politische Bedeutung, und in einem politisierten Krieg werden selbst legitime symbolische Gesten mit großem Argwohn betrachtet. Aber diese Bilder waren keine typische gestellte Fotogelegenheit. Sie waren nötig, denn ohne sie hätte es keine Sicherheit gegeben, dass der Mann tatsächlich gefunden wurde", schrieb die Zeitung.
|