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lieber pinsel!
dein beitrag hat mir große heiterkeit bereitet, deswegen bequeme ich mich auch, einige deiner verquerren ansichten zu korrigieren. jedenfalls will ich das versuchen.
was die sache mit der forschungsgruppe wahlen angeht, so bestehe ich immer noch auf meiner meinung, da es dem forschungsethos der wahlforschung widerspricht, empfehlungen auszusprechen. es wäre zudem auch eine günstige art der wahlkampfberatung für die parteien, und das ist nun wirklich nicht die aufgabe der forschungsgruppe. aber belassen wir es dabei, da uns das auf das dünne eis der deutschen sprache führt, und da ich nicht gerade der kräftigste bin, wäre es für mich sehr schwierig, dich - solltest du irgendwo einbrechen - rauszuziehen. im übrigens wurde nur matthias jung zitiert, wenn das verallgemeinert wurde, ist das schlichtweg schlechter journalismus. der politbarometer, das newsletter der forschungsgruppe wahlen, in dem das stehen könnte, ist noch nicht erschienen. der letzte ist vom 27.11., die mitteilung aber vom 31.11. also ist dies sicher nicht die offizielle meinung der forschungsgruppe.
soviel dazu!
schockierender finde ich deine beurteilung eines betritts der türkei in die eu.
ich finde es gut, dass von seiten der eu, respektive der kommission, wettbewerbsverzerrende regelungen der nationalstaaten abgeschafft werden. dass es da allerdings einige regelungen der eu gibt, die übers ziel hinausschiessen, gebe ich zu.das beste beispiel waren da regelungen über die maße von bananen; also das muss nun wirklich nicht sein. :-) aber das stellt das gesamtkonzept nicht in frage.
du scheinst die türkei zu unterschätzen. es gibt viele kluge köpfe in der türkei, die zudem die seltene fähigkeit besitzen, unter bedingungen zu arbeiten, bei denen mach ein westeuropäer das handtuch schmeissen würde. ausserdem ist wohl die kultur, die tradition, die geschichte der türkei ein pfund, mit dem sie wuchern kann. es ist von vorteil für die gesamte eu, dass die türkei diese vorzüge in den dialog über sachthemen mit einbringen kann, und auch ein vorteil im dialog mit anderen nicht-eu-staaten, da die türken zu diesen teilweise einen guten draht haben.
die türkei hat sich in ihrer nahost-politik nicht reinreden lassen, weil es damals (und auch heute) noch keine echte eu-außenpolitik gegeben hat und auch die türkei noch kein eu-mitglied war, das wird dir sicher nicht entgangen sein. also, warum hätte sich die türkei damals reinreden lassen sollen? aus freundlichkeit und nächstenliebe? :-)
erst mit dem 11.9. ist dem westen klar geworden, dass diese region zu einer bedrohung des gesamten westens geworden ist. jetzt erst findet eine koordinierung der außenpolitken statt. der weitere ausbau der GASP ist kürzlich beschlossen worden, zum zwecke einer aktiven gestaltung der internationalen und sicherheitspolitischen (!) weltordnung. ausserdem, tut die eu das nicht, so wird sie immer wieder vor vollendete tatsachen gestellte werden von den usa und vielleicht bald wieder von russland und vielleicht demnächst auch von china. dies ist endlich erkannt worden. die türkei spielt für eine solche gestaltungsarbeit aufgrund ihrer modellfunktion und ihrer geopolitischen lage eine imanent wichtige rolle. somit dürfte selbst für dich klar werden, dass die eu - so sie denn auf eine region einfluss ausüben will, die für sie zukünftige zur gefahr werden kann - ohne die türkei nicht kann. es darf auch nicht unterschlagen werden, dass die türkei eine der schlagkräftigsten streitkräfte in dieser region (neben israel) verfügt, zudem ist die türkei ein staat, der im zweifel auch keine probleme hat, die streitkräfte einzusetzen, was bei den ganzen zauderern in der eu schon ne ganze menge wert ist.
ok pinselchen, dann erspare ich dir jetzt mal das recherchieren. die eu hat z.b. 1995 den barcelona-prozess angeworfen, der 1997 weiter verlängert wurde. das ist das einzige forum, wo israel und seine konfliktpartner an einem tisch sitzen. welchen gewinn das abwirft, brauch ich dir ja nicht zu sagen. das kannst du ja in den gängigen theorien zu internationalen organisationen nachlesen. des weiteren ist die road-map zu erwähnen usw. usw.
der aufmerksame leser wird bemerkt haben, dass auch damals noch von keiner richtigen eu-außenpolitik zu reden war, sie ist erst jetzt im entstehen. es ändert aber nichts daran, dass die eu in dieser region tätig werden muss, damit sie probleme angeht, bevor sie in die eigene region schwappen, und dafür ist die türkei eine schlüsselmacht.
natürlich ist die türkei derzeit in einer relativ problematischen position, da sie nunmal nicht (!) in der eu ist, das hast du sicher schon bemerkt. dennoch ist sie ein land im aufbruch und die zukunft sieht garnicht so schlecht aus. sie ist ein nachbar der eu, und somit ihrem druck voll ausgesetzt. deswegen verstehe ich nicht, wie man wie du dagegen sein, dass die türkei aussenvor bleibt und ergebnisse hinnehmen muss, ohne bei ihrer entstehung mitreden zu können. nur wenn sie integriert wird, kann sie lenkend miteingreifen (if you can"t beat em, join em). zudem würde sie - wie du als scharfsinniger leser des BILD-wirtschaftsteils weisst - am umverteilungssystem der eu teilhaben. ich denke, der türkei würde es sehr gut tun, wenn durch eu-infrastrukturprogramme finanziert strassen in die provinz gebaut würden. wenn im rahmen von eu-studienprogrammen gemeinsame forschung finanziert werden könnte, wenn die türkei an den ergebnissen der eu-forschung teilhaben könnte usw. usw.
Im august dieses jahres hat präsident sezer dem 7. reformpaket gesetzeskraft verliehen. dieses umfasst die neuordnung des nationalen sicherheitsrates, die bedeutung des selbigen innerhalb der türkischen politik kennst du sicher. die neuordnung umfasst, die zusammensetzung: jetzt müssen viel mehr politiker drin sitzen, das budget: früher konnte der sicherheitsrat sein budget selbst bestimmten, jetzt muss es vom parlament abgesegnet werden, das initiativrecht: das generalsekratariat des sicherheitsrates darf nur noch auf initiative des premierministers tätig werden. özkök hat als das verabschiedet wurde mit einem putsch gedroht, aber er hats nicht wahrgemacht, weil es scheinbar innerhalb des militärs leute gibt, die erkannt haben, dass es so nicht weitergeht, und die türkei schleunigst die kopenhagen-kriterien erfüllen muss, um in die eu zu kommen. es ist erstaunlich, dass vermeintliche betonköpfe wie militärs flexibler sind als pinsel wie du.
jaja, pinsel! was meinst du denn mit gesamtwirtschaftlichen instabilitäten? ist das nicht der unpräzise begriff aus dem stabilitätsgesetz von 1967? der war damals schon schwammig und ist jetzt kein stück schärfer geworden.
die eu gibt einen klaren katalog an bedingungen vor, welche erfüllt sein müssen vor einem beitritt. das sind die bestimmungen des gemeinsamen marktes, die maastricht kriterien und ein berg an regelungen, verordnungen usw., die dem der eu angepasst werden müssen. ausserdem wirst du sicher als aufmerksamer leser des BILD-wirtschaftsteils wissen, dass die eu kürzlich ein milliarden-wachstumsprogramm beschlossen hat. anscheinend liegst du da wohl falsch, was konjunkturpolitik usw. angeht.
lieber pinsel! milchmädchen-rechnung verbitte ich mir von jemandem, der den zusammenhang nicht zu verstehen scheint. gerade weil (!) diese alle punkte gelten (verschärfter standortwettbewerb, hochmobiles kapital usw.) ist die tendenz in der weltwirtschaft hin zu regionalen blöcken. ist dir das etwa entgangen? schonmal was von von MERCOSUR gehört? NAFTA? AFTA? ASEAN? GUS? EU? sogar in afrika wurde eine union der afrikanischen staaten beschlossen, mit südafrika und nigeria als führungsmacht. was meinst du, warum die sich zusammenschliessen?
weil in einer welt, wo transnationale akteure agieren, eine nationalstaatliche politik nicht mehr greift! erst mit einer politischen integration ist der handlungsspielraum, den man im rahmen der globalisierung gegenüber den transnationalen akteuren verloren hat, wiederzugewinnen. denk mal drüber nach!
ach komm! willst du mir etwa sagen, dass du angst um die türkische demokratie hast, weil die bösen, bösen konzerne sie zerstören könnten? :-) diese stereotype scheinst du wirklich aus der kneipe zu haben, das ist schlechte stammtischpolitik zudem. wenn dem wirklich so ist, dass transnationale unternehmen die demokratie gefährden, dann stehts ja schlecht um die deutsche demokratie, auch um die englische, amerikanische, japanische, italienische, französische, sogar die schweizer haben kein glück gehabt, da nestle, UBS und die anderen banken die demokratie vernichtet haben, usw...
ich weiss nicht in welcher welt du lebst, aber den bezug zur realität hat sie gänzlich verloren. wenn also die großkonzerne die poltik korrumpieren, was schlägst du dann vor? voting by the feets? :-)
nein, nein. ich halts gemäß dem churchillschen diktum: Demokratie ist die schlechteste Regierungsform, außer all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind
prinzipiell scheinst aber dein größtes problem zu sein, dass du nur kritisierst, aber es kommt kein konstruktiver gegenvorschlag.
wenn denn die globalisierung so schlecht ist (was ich zwar nicht glaube, aber das ist ein anderer schuh) und die türkei nicht bestehen kann in ihr (was ich aber glaube), was soll sie denn dann tun? eine autonomie anstreben wie nordkorea? ein panturkische union? (der vorschlag ist übrigens mal angedacht worden, wie du weisst)
wenn die türkei nicht in die eu soll, wohin soll sie denn dann? du sagst ja selbst, dass die globalisierung sie überrollen würde. also irgendein mittel muss sie gegen den vollen globalisierungsdruck entwickeln (protektion, abschottung?).
nein, nein. die eu ist ein erfolgsmodell, aber verbesserungsfähig und -bedürftig. politik ist nunmal die kunst des machbaren. ich sehe derzeit keine bessere option für die türkei, deswegen rede ich dieser das wort. warum die türkei nicht reinkommt derzeit, das ist politik, das hat viel mit macht zutun. du weisst sicher, dass in der politik macht der zentrale begriff ist wie in der physik energie. dass beispielsweise polen und ungarn reingekommen sind, obwohl sie wirtschaftlich bei weitem nicht so leistungsfähig sind wie die türkei liegt einzig und allein an der fürsprache und der macht deutschlands. deutschland wollte eine "cordon sanitaire" zwischen sich und russland schaffen, den es zudem kontrollieren kann. zudem stabilisiert die eu diese region, deswegen wurden auch die gespräche mit bulgarien und rumänien aufgenommen, obwohl diese auch nicht so weit sind wie die türkei. die türkei hatte bisher keine lobby in der eu - was auch an der angst der europäer lag, dass die usa durch die türkei in die eu reinregieren könnte -, aber das hat sich in den letzten jahren stark geändert und auch die türkei hat sich geändert. und deswegen bin ich zuversichtlich, was den beitritt der türkei in die eu angeht. vielleicht wird es noch etwas dauern, aber dass die türkei reinkommt, ist gewiss. trotz solcher unkenrufe wie die deinigen.
so, ich hoffe, dass du überhaupt bis hierhin gekommen bist. ich denke, dritte erkennen, dass deine argumente damit sehr stark relativiert sind (du selbst weisst natürlich, dass du nur mit niedrigen karten gepokert hast). ebenso sind deine bedenken gegen einen beitritt relativiert. bevor du dich also in zukunft auf solche diskussionen einlässt, solltest noch etwas mehr - zu deiner ach so reichhaltigen - erfahrung sammeln und gute argumente zurechtlegen, und mit der erweiterten sichtweise komplexer zusammenhänge (toll, wo hast du das bloß her?) stehts auch nicht gerade zum besten.
Grüße,
Just :-) AbuAyyas
ps: die dokumentation heisst über den erweiterungsgipfel heisst: "alles banditen". ein spruch von putin, der sich über die renitenten journalisten ausgelassen hat. rasmussen hat für diese dokumentation ziemlich viel ärger bekommen, weil man interna nicht so ausplaudert bzw. sich nicht beim plaudern belauschen lässt.
dennoch solltest du es dir mal anschauen, weil man dann versteht, dass es garnicht um sachliche kriterien geht, sondern nur um macht. dass macht viele dimensionen hat sei hier nur am rande bemerkt, aber du bist sicher auch ein leser von max weber und niklas luhmann, somit brauch ich dir ja nichts dazu zu sagen.
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