No Turks, no story!

Es hätte eine gute Story werden können. Eine sehr gute sogar. Bilder von protestierenden Türken, die ihre rot-weiße Flagge schwenken und wutentbrannt "Türkiye, Türkiye" skandieren. Dann vielleicht noch ein paar türkische Kids aus dem Berliner Problembezirk Neukölln, im Idealfall aggressiv "Scheiß Deutsche, Scheiß Armenier" in die Kamera brüllend.

Stattdessen mussten die unzähligen auf der Berlinale postierten Medien mit ihren Kameras und Ü-Wagen eine Enttäuschung verkraften und diese auch noch verkaufen. Die "Enttäuschung" fasste die Nachrichtenagentur AP am Donnerstag (15.02.2007), dem Tag nach der Uraufführung von "Haus der Lerchen" wie folgt zusammen: "Weltpremiere ohne Zwischenfälle".

Was war passiert? Wo waren sie geblieben – die türkischen Provokateure? Die Raufbolde und Rüpel, die PISA-Looser und Integrationsverweigerer? Sie waren Zuhause geblieben, bei ihren Familien, auf der Arbeit, bei Freunden, in den Uni-Bibliotheken oder in ihren Oddset-Büros, wo sie lieber das Fußballderby Fenerbahce Istanbul gegen AZ Alkmaar anschauten.

"Haus der Lerchen", ein Film über das Schicksal der armenischen Bevölkerung im Osmanischen Reich hat unter den 2,5 Millionen in Deutschland lebenden Türken nicht für Tumulte gesorgt. Der Film, in dem Moritz Bleibtreu den türkischen Soldaten Yusuf spielt, zeigt wie Truppen von Jungtürken im Ersten Weltkrieg an den Armeniern Massenmorde begehen. Yusuf, der sich in die Armenierin Nunik (Paz Vega) verliebt, enthauptet am Ende seine Geliebte, um sie vor dem Scheiterhaufen zu retten.

Noch am Tag der Welturaufführung schrieb Spiegel Online über den Film der Taviani-Brüder: "Nun wird es erneut rumoren, denn ausgerechnet in Berlin – Wohnort für rund 250.000 Türken – wird ein Filmschocker zum Thema welturaufgeführt. Der Verleih ist nervös. Man fürchtet Tumulte, die Festivalleitung hat zusätzliche Sicherheitskräfte eingesetzt."

"Nervös" waren am Ende aber nur die Medien: Denn no Turks, no story!

Die Redaktion