Literaturkanon für türkische Grundschüler

Türkische Literaturauswahl

Wer in der Türkei zur Grundschule geht, dem wird seit Juni 2005 ein Literaturkanon in die Hand gegeben. Mit dem 100-Werke starken Kanon legt das Erziehungsministerium des Landes den Schülerinnen und Schülern Bücher ans Herz, die sie im Laufe ihrer Grundschulpflicht gelesen haben müssen. Seit der Erziehungs- und Bildungsreform im August 1997 müssen türkische Schüler nicht mehr fünf, sondern acht Jahre lang die Grundschule besuchen.

Auf dieser verbindlichen Literaturliste befinden sich neben 70 türkischen Werken 30 Werke der Weltliteratur. So zum Beispiel "Der kleine Prinz" (Antoine de Saint-Exupéry), "Der alte Mann und das Meer" (Ernest Hemingway), "Oliver Twist" (Charles Dickens), "Alice im Wunderland" (Lewis Carrol), "In 80 Tagen um die Welt" (Jules Verne) oder "Momo" von Michael Ende.

Was die Literatur der Türkei anbelangt, ist es aus Sicht des Erziehungsministeriums wichtig, sich mit den Erzählungen des "Dede Korkut" zu beschäftigen, einem Heiligen, der die Ereignisse seiner Zeit in sagenhafter Form erzählte. Unbedingt zu lesen ist auch eine Auswahl aus dem "Mesnevi" von Mevlana, dem Begründer des berühmten Sufi-Ordens.

Aus der neueren Abteilung tauchen unter anderem der einst verschmähte Dichter Nazim Hikmet ("Sevdali Bulut"), Rifat Ilgaz ("Halime Kaptan") und Orhan Kemal ("Inci’nin Maceralari") auf. Auf Werke von Gegenwartsautoren wie etwa Orhan Pamuk wurde dabei verzichtet, um Polemisierungen zu vermeiden.

Mit dem Literaturkanon will das Erziehungsministerium die Grundschüler auf eine Entdeckungsreise durch die eigene Sprache und Kultur schicken. Zugleich sollen sie über den Tellerrand der türkischen Lesekultur schauen und sich mit fremdländischer Literatur auseinandersetzen.