Die Tragödie vom 17. August 1999

Ezo Gelin

Anlässlich des 8. Jahrestages des verheerenden Erdbebens in der Marmara-Region haben türkische Seismologen erneut auf das zu erwartende große Erdbeben in Istanbul aufmerksam gemacht. Das Beben vom 17. August 1999 war eines der zerstörerischsten in der Geschichte der Türkei. Nach offiziellen Angaben fielen ihm mehr als 17 000 Menschen zum Opfer.

Medienberichten zufolge wird für Istanbul bis zum Jahre 2029 ein weiteres Erdbeben mit einer Stärke von 7 bis 7,5 auf der Richterskala vorhergesagt, welches ungefähr 40 000 Menschen in den Tod reißen könnte.

"Bei Erdstößen dieser Stärke werden 45 000 Wohnhäuser entweder vollkommen zerstört oder unbewohnbar. Rund 270 000 weitere Häuser dürften ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen oder mittelschwer beschädigt werden. Der Gesamtschaden der Katastrophe mit 160 000 Krankenhauseinweisungen und 400 000 Obdachlosen wird sich auf 40 Milliarden US-Dollar belaufen", wird Mustapha Erdik, der Vertreter des seismologischen Observatoriums der Bosporus-Universität, am Donnerstag (16.08.) zitiert. Die Wahrscheinlichkeit einer derartigen Katastrophe liege in den nächsten 30 Jahren bei 65 Prozent.

Aufgrund der jüngsten Forschungen, die gemeinsam mit französischen Wissenschaftlern im Mai und Juni 2007 durchgeführt wurden, steht fest, dass das Mamarameer eines der seismisch aktivsten Gebiete der Erde ist. Laut Seismologen hat sich nach dem Erdbeben von 1999 eine starke Energie im Mamarameer gespeichert, die bis zum Jahr 2029 zum Ausbruch drängen wird.

Der 17. August 1999 Das Erbeben der Stärke 7,4 überkam die Region um das Marmara-Meer früh morgens um 3.02 Uhr Ortszeit. Es dauerte nur 45 Sekunden und riss mindestens 17.000 Menschen mit in den Tod. Fast 45.000 Menschen wurden verletzt. Rettungsmannschaften und Angehörige suchten Tage lang verzweifelt nach Verschütteten und Vermissten. Fast jede Familie hatte Tote zu beklagen. Izmit, Gölcük und Yalova waren in Trümmerfelder verwandelt. Ganze Straßenzüge versanken im Meer. Noch heute erinnern Gebäudeschäden in Istanbul an die Tragödie von 1999.

Schlechte Bauweise und Bausubstanz Zu der großen Zahl von Toten trug bei, dass die Marmara-Region die höchste Bevölkerungsdichte der Türkei hat. Ein anderer Grund der gewaltigen Zerstörungen, die auf zehn Milliarden Dollar geschätzt wurden, sind nicht ausreichend erdbebensichere Bauten auf schlechtem Untergrund. Das Ufer des Marmara-Meeres besteht zum großen Teil aus lockerem Gestein und sandiger Oberfläche. Das gilt vor allem für Istanbuler Außenstadtbezirke wie Avcilar, wo die meisten Toten der Großstadtmetropole zu beklagen waren. Auffällig war, dass besonders viele neu gebaute Häuser in Avcilar sofort wie Kartenhäuser in sich zusammenstürzten, was in den meisten Fällen auf die Baufirmen zurückgeführt wurde, die billiges beton benutzten oder an Stahlbewehrungen sparten, um die Kosten für Neubauten zu drücken.

Erbeben-Todesrisiko ist in der Türkei am höchsten Aufgrund der nicht erdbebensicheren Bauweise in der Türkei geraten Menschen selbst bei kleinen und mittleren Beben, die in anderen Ländern meist folgenlos bleiben, in Panik und verletzen sich beim Sprung aus Häusern. Nach einem Bericht des UN-Entwicklungsprogramms gehört die Türkei zu den Ländern, in denen das Todesrisiko bei Erdbeben am höchsten ist. Nur im Iran und im Jemen sei es höher.

Seit dem Erdbeben vor den Toren der Millionenstadt Istanbul richtet sich die Aufmerksamkeit der Erdbebenforscher auf die türkische Mega-Metropole. Denn eines steht fest: Seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts wandern die großen Erdbeben in der Türkei entlang der Nordanatolischen Verwerfung systematisch von Osten nach Westen.

Zwischen den Platten Der Mittelmeerraum ist ein sehr erdbebengefährdetes Gebiet. Mit einer Geschwindigkeit von mehreren Zentimetern pro Jahr reiben sich hier die Euro-Asiatische, die Arabische und die Afrikanische Platte aneinander. Große Teile der Türkei liegen in Erdspalten zwischen diesen tektonischen Platten. Das "Große Marmara-Beben" vom 17. August 1999 ist das zehnte sehr schwere Beben innerhalb von nur 30 Jahren. Die bislang schlimmste Katastrophe ereignete sich am 27. Dezember 1939, als bei einem Beben der Stärke 7,9 in der Provinz Erzincan im Osten der Türkei 45.000 Menschen starben.

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