Die Hauptschule

Ihren Namen trägt die Hauptschule längst zu Unrecht. Nicht einmal ein Viertel aller Siebtklässler (23 Prozent) besuchte im Schuljahr 2000/2001 diese ehemals zentrale Schulform. Vor vier Jahrzehnten, zu Zeiten der Umbenennung von Volks- in Hauptschule, lag der Anteil noch bei rund 60 Prozent.

Kritiker meinen deshalb, aus der Haupt- sei längst eine «Restschule» geworden: ein Auffangbecken für jene, die anderswo durch das Sieb gefallen sind. Die Ergebnisse der Pisa-Studie scheinen diesen Eindruck zu bestätigen. Dennoch wäre es ungerechnet, alle Hauptschulen über einen Kamm zu scheren: «Die Hauptschule ist vielfältig wie keine andere Schulform», sagt Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL) in Bonn.

Ihrer Aufgabe im gegliederten Schulsystem zufolge soll die Hauptschule Jugendliche gezielt auf den Eintritt ins Wirtschafts- und Arbeitsleben vorbereiten. Sie ist die richtige Schulart für jene, deren Stärken vor allem in manuellem Geschick und anschaulichem Denken liegen. Der Hauptschulabschluss nach Klasse 9 soll Schüler befähigen, eine Ausbildungsstelle in Handwerk, Industrie und Handel anzutreten. Bei guten Leistungen ist auch eine Fortsetzung der Schullaufbahn bis zur Mittleren Reife, Fachhochschulereife und sogar bis zum Abitur möglich. «Um das als Hauptschüler zu schaffen, bedarf es aber eines fast unmenschlichen Eifers», meint Renate Hendricks, Vorsitzende des Bundeselternrates in St. Augustin.

Da sie traditionell ihren Nachwuchs an Handwerkern und Facharbeitern aus Hauptschul-Absolventen rekrutiert, zeigt sich auch die deutsche Wirtschaft stark an dieser Schulart interessiert. 1997 wurde von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und dem Deutschen Lehrerverband die «Initiative Hauptschule» gegründet. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, unter anderem durch die Vergabe von Preisen das «verzerrte Erscheinungsbild» der Hauptschule zurechtzurücken, wie es beim BDA in Berlin heißt. Entgegen ihres Images als Schlusslicht unter den Schulformen soll das eigenständige Profil der Hauptschule als einer praxisbezogenen Alternative geschärft werden.

Tatsächlich gibt es genug Beispiele, dass sich bei einem entsprechenden Umfeld eine enge Zusammenarbeit zwischen Hauptschule und Wirtschaft ergeben kann. «In vielen ländlichen Gegenden ist die Hauptschule kerngesund», sagt Lehrerpräsident Kraus. «Da finden die meisten Absolventen ohne Probleme eine Lehrstelle.» Anders sieht es in den Städten aus: Hier sind die Hauptschulen vielerorts zu Brennpunkten der sozialen Probleme geworden, die sich durch die Massenarbeitslosigkeit und den Zuzug von Immigranten am unteren Ende der Gesellschaft gebildet haben. Lehrer müssen dann nicht nur pädagogische, sondern auch erzieherische Schwerstarbeit leisten.

«Viele geben sich wirklich alle Mühe, das Beste herauszuholen», weiß Marianne Demmer von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Frankfurt. «Trotzdem bleibt die Hauptschule in diesen Fällen eine tragische Schulform.»

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