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  #1  
Alt 26.12.2009, 21:39
Tilki1977
 
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Standard Mohamed und die Frauen Teil 1

Seit dem Mittelalter ist Mohammed zwischen zwei Images gefangen: dem sexuell ausschweifenden Pascha und dem frauenfeindlichen Puritaner. Ein Islamwissenschaftler sorgt für Aufklärung.

Mohammed war ein Mann seiner Zeit, dessen Biografie eine Mischung aus Legende und plausiblen, historisch nicht verifizierbaren Erzählungen darstellt. Dennoch wird vieles, was noch heute gilt, direkt auf das Beispiel des Propheten zurückgeführt. Der Großteil dieser ihm zugeschriebenen Normen wirkt anachronistisch.
Doch was wissen wir von Mohammed und den Frauen? Was haben wir außer Geschichten über seine außerordentliche Virilität, von denen die islamischen Quellen nur so strotzen? Einige rühmen ihn gar, so potent wie 40 Männer gewesen zu sein. Was wissen wir, außer dass ihm alle schmachvollen Regeln, die einige der rückständigeren und nervöseren islamischen Gemeinschaften ihren Frauen heute auferlegen, zugeschrieben werden, inklusive derer, die sich einige Muslimas (oder Mosleminnen) selbst auferlegen?
Obwohl es viele Berichte von Mohammeds Allzumenschlichkeit gibt, ist es schwierig, durch den Nebel der prophetischen Legenden, der Heiligengeschichten und Stereotypen hindurchzusehen. Nicht zuletzt liegt das an der Unvollständigkeit seiner Biografie. Sie wird in einigen spätantiken und frühmittelalterlichen arabischen Quellen skizziert, aber wenig davon ist zuverlässig, und das meiste wurde lang nach seinem Tod geschrieben. Diese Berichte sind überzogen von einem undurchsichtigen Gewebe aus jeder Menge Hörensagen, frommen Traditionen, heroischen Erzählungen und prophetischen Klischees.
Der Koran selbst liefert kaum Material. Obwohl einige seiner Anhänger und Kritiker Gegenteiliges behaupten, ist der Koran nicht Mohammeds Biografie. Genauso wenig ist der Koran eine DNA-Blaupause, die getreulich die Geschichte der Moslems wiedergibt, wie auch die Evangelien nicht in der Lage sind, das Leben der Christen im Lauf der Zeiten wiederzugeben.
Tatsächlich ist die Hauptquelle von Mohammeds Biografie eine Sammlung von Erzählungen, die Hadith genannt werden: prophetische Sprüche sowie Berichte seiner Reden und Taten, vieles davon zweifelhaft, wie es bereits von mittelalterlichen Moslems erahnt wurde. Dazu kommt ein Teil biografisches und historisches (und quasi-historisches) Material. Im Gegensatz zur wissenschaftlichen Forschung über das Alte und Neue Testament, das gemeinsam mit der modernen Archäologie viel exaktes Wissen zur Frühgeschichte von Jesus und den Israeliten zu Tage gebracht hat, wurde das kanonische und halb-kanonische Material des Islam jedoch noch nie systematisch solch einer historisch-kritischen Exegese unterzogen.
  #2  
Alt 26.12.2009, 21:40
Tilki1977
 
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Standard Mohamed und die Frauen Teil 2

Freizügige Zeiten
Den ersten und besten Orientierungspunkt bilden deshalb Sitten und Gebräuche im westlichen Arabien des sechsten und frühen siebten Jahrhunderts, wo Mohammed geboren wurde, die meiste Zeit lebte und 632 starb. Wer die Überlieferungen über Mohammed liest, dem wird zuerst der fast komplette Mangel an verbaler Zurückhaltung auffallen, was die sexuellen Angelegenheiten Mohammeds männlicher und weiblicher Zeitgenossen angeht. Es stimmt, dass im Laufe der Zeit islamische Frauen immer stärker unterdrückt und weniger sichtbar wurden (obwohl keinesfalls unsichtbar) und fromm dazu tendierten, sich zu wünschen, als gute Hausherrin wahrgenommen zu werden, ähnlich der Matrone, wie sie dem Leser aus der Zeit des alten Rom vertraut ist. Nichtsdestotrotz gab und gibt es durch die Zeiten eine Tradition von hochgradig und kostspielig musikalisch ausgebildeten Kurtisanen und Konkubinen. Von diesen liebreizenden Frauen nahm man an, dass sie eine Tradition weiterführten, für die die Stadt Medina lange berüchtigt war.
Prostitution und Konkubinat waren in Handels- und Pilgerstädten wie Mekka üblich und ganz öffentlich zugänglich. Und die Leute schienen sich über sexuelle Angelegenheiten freizügig zu unterhalten, mit viel Witz und handfestem Schalk, wie es zu einer verhältnismäßig einfachen Gesellschaft passen würde.
Tatsächlich wuchs Mohammed in einer Gesellschaft auf, der einige Historiker die Überbleibsel eines Systems der Vielmännerei (Polyandrie) zuschreiben, die friedlich neben Polygamie und Konkubinat – entsprechend den finanziellen Mitteln eines Mannes – existierten. Abgesehen von der formellen Heirat, die die Zahlung einer Brautpreises miteinbezog (was von Mohammed nochmals bekräftigt wurde und als wichtiger Bestandteil in den islamischen Ehevertrag einging, der nie kirchlich, sondern stets rein rechtlich war), hatten die Araber, unter denen Mohammed aufwuchs, auch andere Gebräuche, die Beziehungen zwischen Männern und Frauen zu regeln.
  #3  
Alt 26.12.2009, 21:40
Tilki1977
 
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Standard Mohamed und die Frauen Teil 3

Frauen und Männer mischten sich ganz ungezwungen, einige Frauen umkreisten sogar nackt die Kaaba, wie einige Männer auch. Besonders geschiedenen Frauen wurde gewöhnlich ein großes Maß an sexueller Freiheit eingeräumt. Das ging so weit, dass eine Frau mit mehreren Liebhabern den legalen Vater ihres Kindes ganz einfach selbst aus dem Kreis ihrer Partner bestimmen konnte. Wer die arabischen Quellen von Mohammeds Biografie liest, geht sofort aller möglichen Annahmen von Puritanismus verlustig, die er im Lehren des Propheten vermuten mag. Über Sexualität wird offenherzig gesprochen. Die puritanische Neigung, die man heute bei vielen Moslems spürt, ist ziemlich neu. Sie kam auf wie eine Welle der Viktorianisierung im späten 19. Jahrhundert, hauptsächlich als Rechtfertigung und Verteidigung gegen westliche christliche Polemik. Die zweite Welle des Puritanismus folgte dann mit einer gewissen „Saudifizierung“ im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts.
  #4  
Alt 26.12.2009, 21:41
Tilki1977
 
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Standard Mohamed und die Frauen Teil 4

Ein Mann der Frauen – Lob des Vorspiels
Bemerkenswert an Mohammeds Biografie ist insbesondere seine Darstellung als ein Mann, der den Frauen, die ihm am nächsten standen, sehr viel verdankte. Er wurde von seiner Mutter Amina großgezogen – sein Vater starb, als er noch sehr jung war – und diese Dame wird von den Moslems sehr verehrt. Ihr Name wird vielen islamischen Mädchen als Segen gegeben. Mohammeds erste Frau Khadija war beträchtlich älter als er. Sie war seine adlige und wohlhabende Gönnerin und fast mütterliche Beschützerin in Zeiten von Missgeschick und Verwirrung – eine mustergültige Matrone. Solange sie lebte, heiratete er weder weitere Frauen noch bändeltete er mit ihnen an. Khadijas gedenken die Moslems bis heute mit großer Andacht, nicht zuletzt, weil sie sich um den Propheten kümmerte, als dieser der Angst und dem Schrecken ausgesetzt war, die seine Begegnung mit dem Göttlichen hervorbrachte. In den Quellen, so zweifelhaft sie sind, gibt es viele rührende Geschichten, wie er bei Khadija Rat und Zuflucht sucht und sie bittet, ihn zu schützen und zu wärmen, während er schauderte und bebte, nachdem er seine Visionen empfangen hatte. Sie war auch die Erste, die mit Bereitwilligkeit und großer Bestimmtheit Mohammeds neue Religion annahm. In der islamischen Tradition wird Khadija deshalb die „Mutter der Gläubigen“ genannt. Sie war auch die Mutter seines früh verstorbenen Sohns sowie seiner Lieblingstochter Fatima.
Viel ist in den Quellen zu lesen über die Hinneigung Mohammeds zu den Frauen seiner eigenen Familie, am meisten zu seiner Tochter Fatima, die in diversen islamischen Traditionen, ähnlich ihrer Mutter Khadija, einen verehrungswürdigen, manchmal heiligen und fast Maria-ähnlichen Status erwarb. Khadija, Fatima und Maria, die jungfräuliche Mutter von Jesus, laut Koran geschwängert vom heiligen Geist, dies sind im Allgemeinen die Frauen, die von Moslems am meisten verehrt werden. Viel wird auch erzählt über Mohammeds Wertschätzung der Frau, mit recht intimen Details über seine Beziehung zu seinen Ehefrauen und Konkubinen, über seine Vorliebe für Vorspiel. Man sagt ihm nach, er habe Männer beschimpft, die sich wie Rammler aufführten, habe ihnen erklärt, dass sie ihre Partnerin küssen und berühren sollen und ihnen geraten: „Du musst mit ihr spielen und sie mit dir spielen lassen.“
Eifersüchteleien
  #5  
Alt 26.12.2009, 21:41
Tilki1977
 
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Standard Mohamed und die Frauen Teil 5

Nicht sehr überraschend, dass auch eine ganze Menge Details über Uneinigkeiten überliefert wurden, die Mohammed mit seinen elf Frauen auszustehen hatte (neun gleichzeitig, doch alle nach Khadijas Tod). Gerade Eifersucht unter seinen Ehefrauen ist ein Thema. Gemäß einer Vereinbarung wandte sich Mohammed jeder seiner Frauen für einen vollen Tag und eine volle Nacht zu – immer in geordneter Reihenfolge. Doch einmal brach er die Vereinbarung: An dem Tag, der Hafsa gehörte, schlief er mit dem neuen Objekt seiner Begierde, Maria, der Ägypterin. Als Folge kam es zu einer skandalösen Indiskretion und zu einer Allianz zwischen Hafsa und seiner streitbaren jüngeren Frau Aisha. Schließlich war Maria, die Ägypterin, nichts weiter als eine Konkubine, während Hafsa und Aisha die Töchter von zwei seiner engsten Verbündeten, Abu Bakr und Umar waren, die nacheinander das Kalifat nach seinem Tod annehmen sollten. Und Maria goss noch Öl ins Feuer, indem sie Mohammed mit einem Sohn versah (der als Kind starb), während seine hochwohlgeborenen Frauen unfruchtbar waren.
Als Erwiderung auf dieses Bündnis beleidigter Frauen und dem potenziellen ehelichen Boykott verließ er sie beide für 29 Tage, und Gott kam ihm zu Hilfe. Er sandte ihm den mahnenden Koranvers: „Falls er dich scheidet, gibt Gott ihm möglicherweise bessere Frauen als dir, fromme Moslems, gute Gläubige, reuig, fromm und zum Fasten bereit.“ Es muss wohl nicht extra erwähnt werden, dass Mohammed, die Quelle aller Autorität, als Sieger aus dieser Debatte hervorging.
Wir haben auch Berichte über Anschuldigungen der Untreue gegen seine liebste und jüngste Frau Aisha, die noch eine wichtige politische Rolle nach seinem Tod spielen sollte, Anschuldigungen, die Mohammed nicht glauben wollte. Seine Heirat mit Aisha wurde von Kritikern vom Mittelalter bis zur heutigen Zeit als skandalös betrachtet. Er war schon ein Mann mittleren Alters, als er sie, eine Neunjährige, heiratete. Im Arabien seiner Zeit war es jedoch, wie in anderen archaischen Gesellschaften auch, nicht ungewöhnlich, Mädchen (und Jungen) bei beginnender Pubertät zu verheiraten. Dies ist ein weiterer der wenigen Fälle, in denen der Koran Fakten hinsichtlich der Neigungen Mohammeds und seiner Zeit-genossen wiedergibt.
  #6  
Alt 26.12.2009, 21:42
Tilki1977
 
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Standard Mohamed und die Frauen Teil 6

Die Halsketten-Affäre
Da gibt es die berühmte „Halsketten-Affäre“. Es ist die Geschichte von Aisha, die die Nacht – weshalb auch immer – bei einem stattlichen jungen Mann verbringt und dann behauptet, sie hätte sich in der Wüste verlaufen, als sie nach einer Halskette suchte, die sie verloren hatte. Einmal mehr greift Gott ein und sendet hinab die berühmten Verse über Verleumdung, Ehebruch und Lästermäuler – wie sie im Koran niedergelegt wurden: „Die Verleumder waren eine kleine Gruppe unter ihnen. Das ist kein Unglück für dich… Jeder von ihnen trägt die Schuld, die er sich selbst erworben hat. Und wer die Hauptschuld trägt, dessen Bestrafung wird in der Tat schrecklich sein. Warum, als du es hörtest, hast du Gläubiger nicht gesagt: Das ist eine offenkundige Lüge? Wenn sie wenigstens vier Zeugen gebracht hätten! Aber sie hatten keine Zeugen. Sie sind Lügner in den Augen Gottes… Als du es hörtest, sagtest du nicht: Es ist nicht unsere Aufgabe, darüber zu sprechen, gepriesen seist Du! Dies ist ungeheuere Verleumdung.“ Zwei Punkte sind hier interessant: dass das klassische islamische Gesetz gegen Verleumdung, besonders was Anschuldigungen ehelicher Untreue betrifft, extrem strenge Regelungen hinsichtlich der Beweisführung bekam. Vier Zeugen werden benötigt, die den sexuellen Akt direkt und en detail beobachtet haben, andernfalls ist es eine Verleumdung, die streng bestraft wird. Zweitens hat Aisha selbst, die freigeistige Frau Mohammeds – obwohl sie die Begünstigte seiner guten Beziehung zu Gott war, der ihm stets passende Koranverse sandte –, beißende Bemerkungen über diese Regel gemacht. Wie man erzählt, soll sie gesagt haben: „Falls der Prophet irgendwas an dieser Offenbarung im Verborgenen gelassen hätte, wären es jene Verse, die er hätte verstecken sollen.“
  #7  
Alt 26.12.2009, 21:43
Tilki1977
 
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Standard Mohamed und die Frauen Teil 7

Es existieren auch viele Geschichten über seine Leidenschaft für Zaynab, die Frau seines Adoptivsohns Said, seitdem er unverhofft die Gelegenheit hatte, ein Auge auf ihren Körper zu werfen. Sie wurde umgehend geschieden und mit Mohammed verheiratet. Zur Rechtfertigung der Episode wurde eine weitere Koran-Offenbarung ausgesprochen: „Der Wille Gottes geschehe!… Mohammed ist der Vater keines Mannes unter euch. Er ist der Bote Gottes und das Siegel der Propheten.“ Mohammed war über so etwas wie Beziehungen und Konventionen eindeutig erhaben.
Ich erwähne diese berüchtigte Geschichte nicht, um mich den Legionen von Lästermäulern anzuschließen, sondern um diesen Artikel auf eine andere Ebene zu bringen. Denn das, was wir über Mohammed wissen, ist hoch schematisch und stereotyp. Es ist die Biografie eines unfehlbaren Mannes, die ab und zu unterbrochen wird von göttlichen Eingriffen. Als Individuum stand Mohammed außerhalb der Sitten und Konventionen, die das Zusammenleben seiner Mitmenschen bestimmten – was ziemlich normal ist für die Legende eines Propheten.
So bleibt auch Mohammeds ungezügelte Polygamie für die späteren Moslems eine Ausnahme, die auf Anordnung des Korans nicht mehr als vier Frauen gleichzeitig heiraten durften (obwohl sein Verhalten dem seiner adligen Zeitgenossen ähnelte). Wobei jedoch allgemein bekannt ist, dass seine mehrfachen Ehen zum großen Teil politische Bündnisse waren, auch wenn einige davon von Zuneigung erfüllt waren. Andere Aspekte seines Umgangs mit Frauen wurden jedoch durchaus Bestandteil des Normen-Katalogs des traditionellen islamischen Gesetzes, das bis in moderne Zeiten vorherrschte.
Erst während des vergangenen Jahrhunderts wurde er in den meisten islamischen Ländern radikal reformiert – aus dem freien Willen der modernistischen Reformer und Staaten heraus, aber auch, weil er nicht mehr der sozialen Praxis entsprach. In den meisten islamischen Ländern – und nicht nur in gebildeten oder bürgerlichen Kreisen – ist es heute extrem ungewöhnlich, mehr als eine Frau zu heiraten. Im Allgemeinen wird es als barbarisch betrachtet und gestaltet sich durch persönliche oder gesellschaftliche Verhaltensregeln oft sehr schwierig. Moslems von heute, die eifrig bestrebt sind, den Koran und das Beispiel des Propheten wortgenau zu befolgen, sind in ihrer Einstellung gegenüber der Schrift eher protestantisch, als dass sie traditioneller islamischer Praxis folgen würden. Genauso wenig sind sie im Einklang mit den gesellschaftlichen Bräuchen ihrer Zeit.
Dass traditionelle islamische Erbschaftsgesetze im Großen und Ganzen dem Beispiel der Aufteilung von Mohammeds Erbe folgen, ist unbestritten. Dies war auf jeden Fall ein Fortschritt gegenüber der zu seiner Zeit gängigen Praxis, als Frauen im Allgemeinen überhaupt nichts erbten, obwohl es natürlich Ausnahmen gab. Doch natürlich haben sich die Welt und die gesellschaftlichen Sitten seitdem vorwärts bewegt.
Ohne Schleier
  #8  
Alt 26.12.2009, 21:43
Tilki1977
 
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Standard Mohamed und die Frauen Teil 8

Anders verhält es sich mit der Praxis, Kopf oder Gesicht einer Frau zu verschleiern. Wenn wir die historische Beurteilung außer Acht lassen und den Koran als Bericht von Mohammeds Verkündigungen ansehen (ein sehr lückenhafter Bericht), dann können wir keine Rechtfertigung für die Verschleierung der Frau finden.
Die einzigen Hinweise auf weibliche Keuschheit sind diejenigen, die den direkten Zugang in den Kreis von Mohammeds Frauen unterbinden sollen. Der „Hijab“ aber ist kein Schleier, sondern ein Paravent, der die Frauen des Anführers vom niederen Volk abschirmt. Diese Praxis war schon lange in königlichen und gehobenen Kreisen im Nahen Osten üblich und wurde vom Adel nach ihm fortgesetzt. In Rom und Byzanz wurde das „vellum“ verwendet, um Mitglieder der königlichen Familie abzusondern. Der andere Hinweis (al-darb ’ala al-juyub), der normalerweise als Rechtfertigung für verschleierte Frauen herhalten muss, erwähnt weibliche Keuschheit im Zusammenhang mit dem Bedecken des Dekolletees. Der Rest des Brauches beruht auf gesellschaftlichen Sitten, die meisten von ihnen postmohammedanisch, aber fälschlicherweise geheiligt durch Hinweise auf den Propheten. Mohammeds Biografie ist sehr individualistisch. Ihm positive oder negative Einflüsse auf das Verhalten der Moslems in sämtlichen Orten und zu allen Zeiten zuzuschreiben, ist anachronistisch. Mohammed hat uns nicht viel über den Moslem an sich zu erzählen, der wie jeder andere auch extrem komplexe Geschichten erlebt und schwindelerregend viele verschiedene Praktiken und Einstellungen gegenüber Frauen hat; noch können die Moslems ihrerseits dazu dienen, etwas Licht auf seine Figur zu werfen.
Dass es Frauen in Saudi-Arabien verboten ist, Auto zu fahren, beruht nicht auf Mohammeds Vorbild, sondern auf den Gebräuchen einer archaischen Gesellschaft, der die heutige Welt fremd ist und die sich aufgrund ihres anachronistischen Patriarchats nervös verhält. Wahhabismus, eine Sekte mit einem primitiven Credo minimalistischer Theologie, ist sowohl rückschrittlich als auch trutzig und schlicht in ihrer Unsicherheit in einer verwirrend unvertrauten Welt. Gleichzeitig herrscht eine Situation der Isolierung und Rückständigkeit, in der die saudische Königsfamilie ihre Regierung einer extrem unwichtigen und unterentwickelten Gesellschaft mithilfe der Religion rechtfertigt. Die Hilfe der USA zur Zeit des Kalten Krieges noch gut in Erinnerung, wurden diverse, teilweise viel restriktivere Versionen des Wahhabismus in weiten Teilen der Welt verbreitet. Dazu zählten Afghanistan, das halb vorindustrielle Pakistan und, aufgrund bemerkenswerter infrastruktureller Fähigkeiten, auch die ghettoisierten Beton-Dschungel einiger westeuropäischer Städte.
Dass etwa einige Moslems wahhabistischen Puritanismus saudi-arabischer Prägung gutheißen, hängt nicht mit der Lehre des Koran zusammen, sondern mit der Verpflichtung gegenüber gewissen religiösen und politischen Oberhäuptern (und ihren internationalen pädagogischen, informativen und finanziellen Infrastrukturen). Jene haben entschieden, dass es grundlegend islamisch ist, Frauen das Autofahren zu verbieten, geradeso wie bestimmte kirchliche und politische Behörden einst entschieden, dass brennende Leute auf einem Scheiterhaufen zur christlichen Welt gehören.
Die Antwort muss über das Grauen und die Klischees hinausgehen und die Fähigkeit zur Differenzierung einsetzen. Solche Differenzierung würde zeigen, dass die Behauptung, diese Religion sei – gerade in ihren perversesten Manifestationen und Auslegungen – eine Anleitung zu sozialem und politischem Handeln und nicht nur zu privater Empfindung und Hingabe, eine Mystifizierung ist. Und solche Mystifizierung entsteht weniger aus dem angeblichen Wesen einer Gesellschaft, seinem stereotypen Selbst- und Fremdbild, nein, sie ist definitiv ein gewollter Akt. Die kanonische Rechtfertigung gesellschaftlicher Regeln ist meist rückwirkend und in hohem Grade symbolisch. Anderes anzunehmen, heißt der Fähigkeit zur Differenzierung zu entsagen und den oberflächlichen Reizen des Anachronismus zu erliegen.

Aziz Al-Azmeh ist Professor für Islamwissenschaften an der Central European University in Budapest. Auf Deutsch zuletzt von ihm erschienen: „Die Islamisierung des Islam“, Campus
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