Ein Auszug aus dem Artikel unten
" Tweet von Ex-Minister empört viele Türken
Die seither anhaltende Kritik schert die Regierung nicht. Eine Korruptionsaffäre, die die Regierung seit dem 17. Dezember erschüttert, nennen Erdogan und seine Gefolgsleute einen "Putschversuch". Sie vermuten dahinter die Gülen-Bewegung, ein Netzwerk des Predigers Fethullah Gülen, der im selbstauferlegten Exil in den USA lebt und sich seit Monaten einen Machtkampf mit Erdogan liefert. Zuletzt drückte Erdogan eine Zensur des Internets in der Türkei durch.
Es sieht so aus, als wolle die Regierung bewusst provozieren. Im Fall Berkin Elvan machte sie so viele Fehler, dass es kaum ein Versehen sein kann: Sie meldete sich nicht bei der Familie des Jungen, erst einen Tag vor dem Tod des Jungen, als er also schon im Sterben lag, rief Staatspräsident Abdullah Gül bei Berkins Familie an und bekundete sein Bedauern. Ermittlungen wurden nicht eingeleitet, keine Schuldigen präsentiert, die Regierung bat nie um Entschuldigung, Presseberichterstattung über den Fall wurde unterdrückt. Erdogan selbst hat sich kein einziges Mal zu dem Fall geäußert.
Dass die Regierung auf Konfrontation setzt, macht eine Äußerung des früheren EU-Ministers Egemen Bagis deutlich. Er nannte die Demonstranten, die am Tag von Berkin Elvans Beerdigung auf die Straße gingen, auf Twitter "nekrophile Menschen". Unter Nekrophilie versteht man eine Sexualpräferenz, die auf Leichen gerichtet ist. Wörtlich schrieb der Ex-Minister, man werde den "nekrophilen Menschen (…) am 30. März die passende Antwort geben". Er musste wissen, was diese Worte für eine Reaktion auslösen.
Sogar die alten Menschen treibt es auf die Straße
Tatsächlich war die Entrüstung groß. Eine Stunde später war der Tweet wieder gelöscht. Nun schrieb Bagis: "Mein Tweet war gegen die Kranken gerichtet, die gegen den Friedensprozess und den Frieden sind. Provokateure, die meinen Tweet verzerrt darstellen, werden keinen Erfolg haben."
Zwar scheint noch eine Mehrheit hinter Erdogan zu stehen, doch immer mehr Menschen zweifeln an ihm. Öfter noch als im vergangenen Sommer sind diesmal auch viele ältere Menschen auf der Straße. "Ich bin eine Mutter von zwei erwachsenen Söhnen", sagt eine Frau auf dem Taksim-Platz in Istanbul. "Mich hat der Tod von Berkin Elvan aufgerüttelt." Ansonsten sei sie ein "eher unpolitischer Mensch" und habe sich auch an Gezi nicht beteiligt.
Ein älterer Mann neben ihr fragt: "Wie weit werden Erdogan und seine Regierung noch gehen? Jetzt wagt es dieser Ex-Minister offen, uns alle zu beleidigen. Werden sie irgendwann ihre Panzer gegen uns richten?"
der ganze Artikel:
http://www.spiegel.de/politik/auslan...-a-958396.html