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Alt 30.10.2012, 13:13
xAurumx
 
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Platon, Aristoteles und Dikaiarch [Bearbeiten]


Platon
Büste in der Glyptothek München
Platon macht in seinen Dialogen unterschiedliche Angaben über die in ferner Vergangenheit liegenden Epochen der Menschheitsgeschichte. Da es sich um mythische Aussagen handelt, bemüht er sich nicht um die Ausarbeitung eines festen Systems. Er bringt die mythische Frühzeit nicht mit Gold in Verbindung, sondern bezeichnet sie nur als die Zeit des Lebens unter Kronos. In den Dialogen Politikos und Nomoi schildert er den damaligen Zustand.[8] Wie in der älteren mythischen Überlieferung ist auch bei Platon die Epoche, in der Kronos die Welt lenkte, durch Vollkommenheit des Lebens gekennzeichnet; die unerfreulichen Verhältnisse der Gegenwart sind das Resultat eines seither eingetretenen Verfalls. Unter der Herrschaft des Kronos waren Krieg und Zwiespalt unbekannt, gesetzliche Regelungen überflüssig, das Leben verlief ohne Anstrengung. Die Menschen verzehrten kein Fleisch und brauchten keinen Ackerbau zu treiben, sondern ernährten sich nur von dem, was die Erde ihnen von selbst gab. Sie bewegten sich unbekleidet im Freien, da das Klima dies ermöglichte. Zwischen Menschen und Tieren gab es sprachliche Verständigung. Auch unter den Tieren herrschte Frieden, sie dienten einander noch nicht zur Speise. Mit der Vorstellung vom Tierfrieden greift Platon ein Motiv auf, das schon in orphischem Gedankengut auftaucht.[9]

Im Unterschied zu Hesiod unterscheidet Platon nur zwei Phasen: die der Herrschaft des Kronos, in der die Verhältnisse optimal sind, und die Verfallszeit, zu der die Gegenwart gehört. Die beiden Phasen lösen einander zyklisch ab. In der Zeit des Kronos untersteht die Welt einer durchgreifenden göttlichen Lenkung. Die Verfallszeit, die Epoche des Zeus, ist durch einen gewissen Rückzug der Götter gekennzeichnet; Menschen und Tiere bleiben sich selbst überlassen. Das führt zu wachsender Verwirrung und immer schlimmerem Unheil, bis schließlich der höchste Gott wieder das Steuer ergreift. Auf der kosmischen Ebene sind die Merkmale der beiden Phasen entgegengesetzte Umdrehungen des Weltalls um die Erde, welche die Mitte des Kosmos bildet. In der Verfallszeit obliegt den Menschen die Aufgabe, die vorbildliche Lebensweise der Kronos-Zeit soweit möglich nachzuahmen.[10]

Auf Hesiods Angaben über die nach Metallen benannten Menschengattungen nimmt Platon mehrfach ausdrücklich Bezug.[11] Dabei geht es ihm aber nicht um den Weltaltermythos. Den Gedanken einer Einteilung der Menschen nach ihrer Veranlagung bezieht er nicht auf Menschengattungen, die einander in mythischer Vergangenheit in chronologischer Abfolge ablösten, sondern auf die Gegenwart und die Zukunft. Mit den „Geschlechtern“, die Metallen von unterschiedlichem Wert entsprechen, meint er Personentypen von unterschiedlicher Begabung und Bildungsfähigkeit, denen er unter seinen Zeitgenossen begegnet. Unter diesem Gesichtspunkt teilt er die Menschen in drei Gruppen auf: goldene, silberne und eherne oder eiserne. Platons mythische Ausdrucksweise lautet, der Schöpfer habe den einen Gold, den anderen Silber, den anderen Eisen und Erz „beigemischt“. Meist entsprechen die Kinder diesbezüglich ihren Eltern, doch kommt es auch vor, dass sie einer anderen Gattung angehören. Gemäß dem Dreierschema soll jeder nach seiner Veranlagung – nicht nach seiner Herkunft – an den ihm gebührenden Platz gestellt werden. In der hierarchischen Ordnung von Platons Idealstaat gehört jeder Bürger einem der drei Stände (Herrscher, Wächter, Erwerbstätige) an. Die Herrscherrolle steht dem Stand der „goldenen“ Personen zu. Im Idealstaat regieren sie allein und grenzen sich scharf von den beiden anderen Ständen ab. Vermischung der Stände führt zu Konflikten und Unheil.[12]

Schon Aristoteles bezeugt eine metaphorische Begriffsverwendung. Er berichtet, die Athener hätten die Epoche der Tyrannis des Peisistratos (6. Jahrhundert v. Chr.) rückblickend als Zeit des „Lebens unter Kronos“ verklärt, da es ihnen später viel schlechter ging.[13] Aristoteles’ Schüler Dikaiarch versuchte Hesiods Darstellung als glaubhaft zu erweisen, indem er die Verhältnisse in der Ära des goldenen Geschlechts auf natürliche Ursachen zurückführte, die sich aus den damaligen Lebensbedingungen ergaben. Beispielsweise waren die Menschen gesund, weil sie nicht körperlich schwer arbeiten mussten und weil sie sich maßvoll ernährten. Zur Kriegführung bestand kein Anlass, da es keinen Besitz gab, um den man hätte streiten können. Einer verbreiteten Anschauung folgend wertete Dikaiarch die Einführung des Ackerbaus als Frevel an der Natur. Das Leben auf der Basis dessen, was die Natur von sich aus zur Verfügung stellt, ist bei Dikaiarch nicht wie bei Hesiod durch Fülle und Üppigkeit, sondern im Gegenteil durch Kargheit gekennzeichnet, was er aber positiv wertet, da es der Gesundheit zuträglich sei.[14]


Im ersten Buch der persischen Prophetie Bahman Yašt (6. Jh. n. Chr., das Material stammt aber aus weit älterer Überlieferung) ist eine Variante aus dem Zoroastrismus wiedergegeben: Zarathustra sieht in einem Traum einen Baum mit vier Zweigen aus verschiedenen Metallen, die für künftige große Geschichtsepochen stehen, beginnend mit der goldenen, der Frühzeit des Achämenidenreichs. In der goldenen Zeit herrscht die wahre Religion, die auch noch in den beiden folgenden Epochen dominiert. Erst im vierten und letzten Zeitalter (Eisen) erfolgt der Zusammenbruch der Moral, der ähnliche Folgen hat wie im griechischen Mythos. Eine jüngere Version der persischen Prophetie ist im zweiten Buch des Bahman Yašt überliefert. Sie bietet eine ausführlichere Darstellung und erweitert die Anzahl der nach Metallen benannten Epochen auf sieben.[68]

Fernöstliche Modelle [Bearbeiten]
In Indien ist jahrtausendelang ein zyklisches Weltzeitaltermodell die einzig maßgebliche Basis der Geschichts- und Kulturphilosophie gewesen. Das Grundkonzept dieser Geschichtsauffassung herrscht sowohl in der vedischen Religion, also im Hinduismus, als auch im Buddhismus und im Jainismus. Über den Buddhismus haben sich Varianten des Zeitaltermodells nach China und in andere fernöstliche Länder verbreitet.

Nach der indischen Weltzeitalterlehre ist die Welt einem ewigen kosmischen Kreislauf unterworfen, in dem vier Zeitalter (Yugas) einander ablösen. Sie sind nicht mit Metallen, sondern mit den Farben assoziiert, die der Gott Vishnu in den Yugas jeweils annimmt (Weiß, Rot, Gelb und Schwarz). Das erste Yuga ist das Krita Yuga („Vollkommenes Zeitalter“, auch Satya Yuga genannt), zu dem die weiße Farbe gehört. Im Epos Mahabharata sind die Merkmale dieser idealen Epoche angeführt. Sie ähneln denen des antiken europäischen Mythos: Die Menschen brauchen sich nicht anzustrengen, denn ihre Wünsche werden mühelos erfüllt; Mangel, Krankheit, Verfall, Elend, Zwietracht, Neid, Hass und Heimtücke sind unbekannt; Handel wird nicht getrieben, Arbeit ist unnötig. In den folgenden Zeitaltern kommt es zu einem fortschreitenden Rückgang der Fähigkeiten und Verfall der Religion und der Tugenden. Das letzte von ihnen, das schwarze Kali Yuga, bildet wie in der antiken Mythologie den schärfsten Gegensatz zur vollkommenen Anfangszeit: Hass und kriminelle Gewalttätigkeit setzen sich durch.[69]


Interkultureller Vergleich und Rekonstruktion des Urmythos [Bearbeiten]
Sowohl in Europa als auch im Nahen und Fernen Osten handelt es sich um eine mythische Geschichtsdeutung, die von mehreren aufeinander folgenden Weltzeitaltern (bzw. im Nahen Osten: Weltreichen oder geschichtlichen Epochen) ausgeht. Die Zeitalter sind von ihren jeweiligen Menschengattungen geprägt, die sich hinsichtlich ihres kulturellen und zivilisatorischen Niveaus unterscheiden. Das erste und beste ist das Goldene Zeitalter bzw. Zeitalter des goldenen Geschlechts, dem in Indien das Krita Yuga entspricht. Darauf folgt das silberne Geschlecht bzw. Zeitalter usw. Schon das zweite Zeitalter bringt eine Verschlechterung, die sich später fortsetzt. Den Abschluss bildet das noch andauernde Eiserne Zeitalter, das weitaus schlechteste von allen, mit dem der tiefstmögliche Stand des Kulturverfalls erreicht wird. Es handelt sich also um das Gegenteil der Fortschrittsidee. Die Zeitalterlehre ist der mythische Ausdruck einer kulturpessimistischen Geschichtsphilosophie, welche die historische Entwicklung in erster Linie als naturnotwendigen Verfallsprozess der Kultur oder Zivilisation auffasst.

Die indische Zeitalterlehre kommt in den Veden nicht vor. Sie weist ebenso wie die iranische und die jüdische Version Übereinstimmungen mit der babylonischen Kosmographie auf, was auf babylonische Herkunft deutet. Auch Hesiods Metallschema, das über phönizische Vermittlung aus Asien nach Griechenland kam (Ausmaß und Einzelheiten des asiatischen Einflusses auf Hesiod sind umstritten), ist babylonischen Ursprungs. Damit zeichnet sich ein außerordentlich weiträumiger eurasischer Traditionszusammenhang ab: Man kann einen babylonischen Urmythos erschließen, der vier absteigend und zyklisch aufeinander folgende Weltzeitalter beinhaltet, die von vier Metallen symbolisiert werden. In jedem Zeitalter herrscht einer von vier Planetengöttern. Nach dem Weltuntergang am Ende des vierten, schlechtesten Zeitalters (zu dem die Gegenwart des Mythenerzählers gehört) erfolgt eine abrupte Rückkehr zu einem neuen Goldenen bzw. vollkommenen Zeitalter, mit dem der Kreislauf fortgesetzt wird. Die vier Farben, die in der indischen Tradition für die vier Zeitalter stehen, haben dort die Rolle der Metalle übernommen.[72]

http://de.wikipedia.org/wiki/Goldenes_Zeitalter

Geändert von xAurumx (30.10.2012 um 13:20 Uhr).